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Boris Palmer bleibt!

Boris Palmer bleibt! Queere Aktivisten zeigen sich enttäuscht über Wahlsieg

ms - 24.10.2022 - 09:30 Uhr
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Der Oberbürgermeister der Studentenstadt Tübingen in Baden-Württemberg wurde am gestrigen Sonntag mit einer klaren Mehrheit von 52,4 Prozent der Stimmen zum dritten Mal in seinem Amt bestätigt – Boris Palmer (50) wird damit weitere acht Jahre die Geschicke der Stadt lenken. Queeren Aktivisten war und ist Palmer seit längerem ein Dorn im Auge, weil er sich kritisch zu einigen Forderungen der Community geäußert hat. Zudem ruht derzeit seine Mitgliedschaft bei den Grünen, Palmer trat als parteiloser Kandidat an und konnte sogar trotz Grüner Gegenkandidatin klar den Sieg erringen.

Seit der Bekanntgabe des eindeutigen Wahlergebnisses wird medial inzwischen gerade innerhalb der queeren Community versucht, das gute Abschneiden des Lokal-Politikers kleinzureden, es handele sich eben nur um eine Wahl in einer schwäbischen Kreisstadt, in der Palmer „mit den Stimmen von rechts“ gewählt worden wäre. Nur „faschistoide TERFs“ würden über den Erfolg eines „xenophoben Rassisten“ jubeln, so die grüne Trans-Frau Maike Pfuderer aus Stuttgart. Offenkundig sticht auch in anderen Äußerungen immer wieder der Ärger dabei hervor, dass den Bürgern von Tübingen offensichtlich die Realpolitik von Palmer wichtiger war als eine politische Agenda. So landeten die beiden größten Gegenkandidaten, Ulrike Baumgärtner von den Grünen sowie Sofie Geisel von der SPD jeweils bei rund 22 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung war mit 62,6 Prozent aller Stimmen sehr hoch. Noch am Abend kamen tausende Bürger zum Rathaus, um den Sieg des Oberbürgermeisters zu feiern. Pfuderer selbst sorgte zuletzt für Schlagzeilen, als sie 70 Parteimitglieder als “Rassisten mit Rechtsdrall“ beschimpfte, weil diese bei der Bundesdelegiertenkonferenz Mitte Oktober noch einmal sachlich über das geplante Selbstbestimmungsgesetz diskutieren wollten. Der Antrag erhielt schlussendlich nicht die erforderliche Mehrheit der Stimmen.

Während die Grünen in den letzten Jahren mehrfach versucht hatten, aufgrund von strittigen Aussagen Palmers diesen aus der Partei zu werfen und seine Mitgliedschaft deswegen bis 2023 ruht, feierte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) nach dem Erfolg Palmers dies auch als Erfolg der grünen Politik und schrieb: „Man kann´s ja so sehen: Über 70 Prozent wählen auf die ein oder andere Art in Tübingen grün.“ Palmer ist seit 2007 Oberbürgermeister der Universitätsstadt und hat für die Stadt selbst viel Positives bewirkt. Nach eigener Aussage ist es sein Zeil, Wirtschaftskraft und Umweltaspekte sinnvoll zu vereinen. Vor der Wahl am gestrigen Sonntag hatte er angekündigt, sich aus der Politik zurückzuziehen, sollte er nicht im ersten Wahlgang die meisten Stimmen hinter sich vereinen können. Der 50-Jährige erklärte die Ankündigung damit, dass ein Oberbürgermeister eine klare Mehrheit hinter sich brauche, um sinnvoll arbeiten zu können. Palmer ist für seine zugespitzten Tweets bekannt, die ihm mehrfach als rassistisch ausgelegt worden sind – er selbst spricht von Satire. Ein langjähriges Zerwürfnis besteht zwischen ihm und der Trans-Frau Pfuderer, dessen Deadname er einmal veröffentlicht haben soll. Palmer setzt sich zwar immer wieder auch für die Gleichberechtigung von Homosexuellen ein, zeigt sich aber sehr kritisch gegenüber queeren Forderungen und erklärte so beispielsweise, dass diese Community ein "Sonderrecht auf Schutz vor jeder vermeintlichen Kränkung" hätte. Sven Lehmann, der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, hatte dazu einst erklärt: „Boris Palmer äußert sich transfeindlich gegenüber einer Parteifreundin. Unerträglich, dass er überhaupt noch Grüner ist. Deadnaming verstößt gegen das Offenbarungsverbot.“ Ein Strafverfahren von Seiten Pfuderers wurde von der Tübinger Staatsanwaltschaft eingestellt, Palmer sei unschuldig, so die klare Begründung. Deadnaming sei nur bei Behörden strafbar. Dieser Umstand soll sich mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz ändern, sodass Deadnaming künftig auch bei Privatpersonen eine Ordnungswidrigkeit inklusive einer Geldstrafe von 2.500,- Euro darstellen würde.

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