Bayern diskriminiert HIV-Positive Särge werden sofort geschlossen und als “infektiös“ gekennzeichnet
Über ein besonderes Verfahren im Umgang mit HIV-positiven Menschen berichtet in diesen Tagen das magazin.hiv, wobei sich zeigt, dass der Freistaat bis heute eine ganze Gruppe von Menschen unter dem Deckmantel des Seuchenschutzes diskriminiert. Nachdem zuletzt 2021 die Bestattungsverordnung in Bayern im Zuge der Corona-Pandemie geändert worden ist, bedeutet dies nun für Menschen mit HIV oder Hepatitis, dass sie nach ihrem Tod entgegen des eigenen Willens oder dem der Angehörigen wie Menschen zweiter Klasse behandelt und beerdigt werden.
Der Paragraf 7 der Bayrischen Bestattungsverordnung regelt, welche Schutzmaßnahmen bei einem Leichnam zu treffen sind, wenn eine Infektionsgefahr besteht. Vor der Änderung im März 2021 wurde dabei nicht detailliert erklärt, welche Erkrankungen konkret als “Infektionsgefahr“ eingestuft werden, die Entscheidung oblag dem Arzt, der den Totenschein ausstellt. Diese Gesetzeslücke wurde nun vor einem Jahr geschlossen, allerdings mit fatalen Folgen, wie die Deutsche Aidshilfe (DAH) auf Rückfrage erfuhr. In der Definition für die Einstufung als “infektiöse Leiche“ tauchen jetzt neben anderen Krankheiten wie Covid-19 oder offener Tuberkulose nun auch HIV sowie Hepatitis B und C auf. Für die DAH eine Neuregelung, die alles noch schlimmer macht. Der Verein legt dabei Wert auf die Feststellung, dass bei keinem der drei Erkrankungen von Verstorbenen eine Übertragungsgefahr ausgeht – dies wurde beispielsweise auch bereits vom Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München bestätigt. Nach dem Tod eines Menschen mit HIV komme es demnach zu einer schnellen Zersetzung des Blutes und damit auch zu einer rapiden Abnahme der virusinfizierten Zellen.
Trotzdem werden in Bayern verstorbene Menschen mit HIV so behandelt. Das bedeutet konkret, dass entsprechende Leichen “unverzüglich in ein mit einem geeigneten Desinfektionsmittel getränktes Tuch einzuhüllen und einzusargen“ sowie der Sarg “deutlich mit dem Vermerk `Infektiös‘ zu kennzeichnen“ ist. Der Verstorbene darf weder gewaschen, frisiert oder umgekleidet werden, eine offene Aufbahrung ist ebenso untersagt wie eine erneute Öffnung des Sarges selbst. Der Verstorbene wird anschließend eingeäschert. Lediglich in Einzelfällen kann das zuständige Gesundheitsamt nach eigenem Ermessen gestatten, dass auf die stigmatisierende Beschriftung verzichtet werden darf.
„Kein anderes Bundesland hat eine vergleichbare Regelung, wie mit sogenannten Infektionsleichen umzugehen ist. Solche Verordnungen stehen unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, dies bedeutet: Die Maßnahme muss erforderlich, geeignet und angemessen sein. Wenn es aber gar kein Übertragungsrisiko für die Bestatter oder die Trauergemeinde gibt, dann ist diese Regelung schon mal nicht erforderlich und damit formal gesehen rechtswidrig“, so Prof. Dr. Torsten F. Barthel, führender Experte in Sachen Friedhofs- und Bestattungsrecht gegenüber der Deutschen Aidshilfe. Ein weiteres Problem sei zudem, dass bereits der Verdacht auf eine infektiöse Krankheit ausreiche, um einen Leichnam als “Infektionsgefahr“ zu kennzeichnen. So bleibt der bittere Beigeschmack bestehen, dass Menschen mit HIV sogar über den eigenen Tod hinaus noch Diskriminierung und Stigmatisierung ausgesetzt sind.