Australien Wahlkrimi bis in die späte Nacht – Ausgang ungewiss
In Australien spaltet ein Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung derzeit die Gesellschaft und die Politik – es gilt die Frage zu klären, was schwerer wiegt: Religionsfreiheit oder Antidiskriminierungsgesetze? Sind christliche Einrichtungen wie Schulen oder Universitäten ein, in gewisser Weise rechtsfreier Raum, in dem christliche Bildungsträger im Namen des Glaubens queere Menschen diskriminieren und hinauswerfen dürfen oder nicht?
Angefangen hatte alles mit dem "Religious Discrimination Bill", einem neuen Gesetzentwurf, der nach dem Willen der konservativen Regierung unter Premierminister Scott Morrison die Rechte von christlichen Schulen stärken hätte sollen. So wäre es künftig beispielsweise möglich gewesen, schwule oder lesbische Lehrer zu entlassen und queere Schüler vom Unterricht auszuschließen. Immer wieder hatten in den vergangenen Monaten solche Vorfälle bereits zu international medialer Aufmerksamkeit geführt, zuletzt wurde der Fall einer christlichen Privatschule in Australien heftig diskutiert, die in einem Schreiben an die Eltern Homosexualität an ihrer Schule de facto verbieten wollte und Schwule und Lesben mit Sodomie und Pädophilie gleichsetzten. Erst gestern war die Schulleitung nach massivem Widerstand mit einer kleinlauten Entschuldigung zurückgerudert.

Die australische Opposition hatte seit November alles versucht, um das Gesetz in seiner zuerst angedachten Form zu verhindern und maßgebliche Änderungen zum Schutz von LGBTI*-Personen einzubauen. Das wiederum wollten christliche Konservative nicht und wetterten dagegen. In der vergangenen Nacht kam es nun zum vorerst letzten finalen Showdown: Nach hitzigen Debatten wurde das Gesetz gegen fünf Uhr morgens zwar verabschiedet, allerdings mit diversen Änderungen zum Schutz von trans-Personen und LGBTI*-Menschen und gegen die Diskriminierung. Explizit wurde dabei der Abschnitt 38 (3) des Gesetzes zu Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gestrichen, der religiösen Schulen die Befugnis zur Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität, des Familienstands oder der Schwangerschaft gab.
So ist jetzt ein Gesetzentwurf entstanden, der am Ende keine der beiden Parteien so richtig glücklich machen dürfte – und viel wichtiger: ein Gesetzentwurf, der bereits jetzt eine Totgeburt ist. Man einigte sich darauf, heute nicht weiter darüber zu diskutieren – auch und gerade mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen im Mai. Die Regierung zog daraufhin den Gesetzesentwurf zurück, was bedeutet, dass er vor der Wahl höchstwahrscheinlich gar nicht mehr in den Senat kommt. Und selbst wenn er dort eingereicht würde, gibt es diverse Möglichkeiten, wie der Senat dann damit weiter verfährt.
In der Diskussion hatten zuvor beide Seiten – Befürworter und Gegner – versucht, Abgeordnete im Repräsentantenhaus von ihrer Sache zu überzeugen. Eine Pattsituation und ein politisches Ping-Pong-Spiel, ohne klaren Ausgang. Am Ende könnte der Gesetzentwurf so zwischen den beiden Kammern des Parlaments hin- und hergeschoben werden. Ein solches, sehr wahrscheinliches Szenario gibt beiden Seiten die Möglichkeit, sich gegenseitig zu beschuldigen: Die konservative Regierung könnte behaupten, dass die Opposition sich aufspielt und die Änderungen aufhält, während diese die Regierung dafür kritisieren kann, dass sie weitere Schutzmaßnahmen blockiert, die queere Menschenrechtsgruppen für wichtig halten. Die gegenseitige Blockade-Politik könnte im Senat immer weitergehen, daher ist es durchaus möglich, dass die Regierung den Gesetzentwurf am Ende gar nicht erst dort einbringt, um eine Niederlage zu vermeiden. Inzwischen will auch die australische christliche Lobby das Religionsgesetz zurückziehen lassen und behauptet, es sei durch die Änderungsanträge zum Schutz der LGBTI*-Menschen "völlig unterminiert" worden.
Klar ist, dass Premierminister Morrison nach der vergangenen Nacht politisch geschwächt ist, denn er konnte sein Wahlversprechen gegenüber den christlichen Konservativen so erst einmal nicht erfüllen. Zudem war Morrison überraschenderweise bereits zuvor in einem Radio-Interview zurückgerudert und hatte erklärt, dass er für eine Erweiterung des Gesetzes wäre, in welcher religiösen Bildungseinrichtungen die Diskriminierung von queeren Menschen verboten werden würde. Ein Schock für die christlichen Hardliner, die zum Teil seine bisherige Wählerschaft war. Für die LGBTI*-Community ist die derzeitige Situation kein wirklicher Grund zu feiern, aber dennoch grundsätzlich aktuell eine deutlich bessere Situation als ein Gesetz, das christlichen Einrichtungen massiv die Möglichkeit für Mobbing und Diskriminierung gegenüber LGBTI*-Menschen gesetzlich zugesichert hätte.