Aufnahmeprogramm für LGBTI*-Afghanen 41 Organisationen drängen auf mehr Einsatz für LGBTI*
Insgesamt 41 Organisationen fordern ein schnelles Umdenken und Handeln von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sowie Bundesinnenministerin Nancy Faeser in puncto humanitäres Aufnahmeprogramm für queere Menschen aus Afghanistan. Seit der erneuten Machtübernahme der Taliban 2021 hat sich die Situation für LGBTI*-Menschen dramatisch verschlechtert, gerade schwule Männer werden in Afghanistan inzwischen auf offener Straße immer wieder verfolgt, geschlagen und massakriert, ohne dass die Täter Konsequenzen befürchten müssten.
Im Koalitionsvertrag von 2021 hatte die Ampel-Regierung ein humanitäres Aufnahmeprogramm für Afghanistan vereinbart – konkrete weitere Maßnahmen oder weitere explizite Zusagen gibt es darüber hinaus von beiden Ministerinnen bisher allerdings nicht. Zuletzt hatte die alte, schwarz-rote Bundesregierung zugesagt, achtzig queere Menschen aus Afghanistan aufzunehmen. Seitdem scheint in der Angelegenheit nichts mehr zu passieren, wie jetzt 41 Organisationen in einem gemeinsamen Brief an Baerbock und Faeser scharf kritisieren. Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) dazu:
„Dem Auswärtigen Amt liegen seit Monaten Fälle mit Namen gefährdeter afghanischer LGBTI* vor, die verzweifelt auf Rettung warten. Doch bei Bundesaußenministerin Baerbock und Bundesinnenministerin Faeser stoßen wir bisher auf taube Ohren mit unserer Forderung, auch gefährdete LGBTI* bei dem, im Koalitionsvertrag vereinbarten humanitären Aufnahmeprogramm explizit zu berücksichtigen. Zusammen mit 40 Organisationen fordert der Lesben- und Schwulenverband nun endlich klare Zusagen seitens der Bundesregierung.“
Unter den Organisationen befinden sich zahlreiche LGBTI*-Gruppen wie beispielsweise auch der Völklinger Kreis, die Deutsche Aidshilfe, die ILGA-Europe, das Jugendnetzwerk Lambda oder auch Munich Kyiv Queer sowie das Aktionsbündnis gegen Homophobie. Die Kernforderung drängt dabei darauf, die eingereichten Fälle beim Auswärtigen Amt schnellstmöglich zu prüfen und einer möglichst großen Anzahl gefährdeter LGBTI* aus Afghanistan Schutz in Deutschland zu gewähren.
Der LSVD kritisiert dabei auch explizit, dass die Bundesregierung bisher sehr queerfeindlich agiert: „Die Bundesregierung hat seit März etwa 800 besonders gefährdete Personen aus Afghanistan eine Aufnahmezusage erteilt. Nach unseren Informationen ist darunter keine einzige Person, die der Bundesregierung wegen ihrer Gefährdung als LGBTI* gemeldet wurde. LGBTI* werden auch bei der Familienzusammenführung zumindest im klassischen Asylsystem faktisch ausgeschlossen. Nur die als Eheleute und leibliche Kinder definierte Kernfamilie wird berücksichtigt. Würden diese Maßstäbe auch bei der Aufnahme von LGBTI*-Afghanen angelegt, würden gleichgeschlechtliche Paare dafür bestraft, dass ihre Beziehungen in Afghanistan lebensgefährlich sind und nicht rechtlich anerkannt werden. Deutschland darf hier nicht die Diskriminierung im Herkunftsland in seinem eigenen Verwaltungshandeln fortsetzen.“
Der LSVD und weitere Organisationen hatten sich bereits im Dezember 2021 erstmals an die beiden Ministerien gewandt, in einem zweiten Schreiben im Februar 2022 wurden die Forderungen wiederholt und konkretisiert. Bis heute haben beide Ministerien und ihre Ministerinnen Baerbock und Faeser weder auf die Schreiben reagiert, noch öffentlich Stellung zu der Thematik bezogen.