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Alex // © vvg

Leserumfrage Mein Magic Moment

vvg - 07.09.2025 - 14:00 Uhr
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Endlich habe ich mein Lachen wieder. Vor fünf Jahren habe ich meinen besten, liebsten und engsten Freund verloren, viel zu früh. Er starb nach einer schweren Krankheit. Fast 30 Jahre teilten wir viele Dinge im Leben; er war ein Mensch, der immer für mich da war. Alles war perfekt, wir gingen auf Parties, verreisten gemeinsam, besuchten viele CSDs und schmückten uns mit tollen Kostümen. Wir beide waren uns so ähnlich und hatten die gleichen Interessen. Für mich brach damals eine Welt zusammen und ich fragte mich, wie soll ich das alleine schaffen. Ich hatte an nichts mehr Freude.

Aber vor einem Jahr lernte ich einen Menschen kennen, jemanden, den man sucht, wie eine Nadel im Heuhaufen. Ich lache und strahle wieder, er ist ein Mensch mit Herz und Charakter. Das ist so wichtig im Leben, man hat nicht viele Freunde im Leben und meist nur den einen, dem man richtig vertrauen und mit dem man über alles reden kann. 

Meinen verstorbenen Freund trage ich im Herzen und alle sagen, er hat mir einen lieben Menschen geschickt. Es ist heutzutage so schwierig gute Freunde in unserer Community zu finden. Nun habe ich einen coolen tollen Menschen gefunden, der meinem Freund vom Charakter her so ähnelt, dass ich jedes Mal darüber verblüfft bin. Er nimmt mich mit zu tollen Events, wir haben Spaß, lachen sehr viel und das tut mir einfach gut. Eine gute Freundschaft besteht aus Geben und Nehmen. Leute, die mich ausnutzen, haben in meinem Leben kein Platz. 

Das ist mein Magic Moment, endlich wieder lachen zu können und Freude zu haben. Einfach ein schönes Gefühl. 
Alex aus Stuttgart
 

Chris // © vvg

Mein Magic Moment war im letzten Jahr meine Reise nach New York. Ich war auf den Tag genau 55 Jahre nach dem Stonewall-Aufstand dort, habe den NewYork-Pride miterlebt und dann dort unmittelbar am Stonewall Inn zu stehen, war ein wahnsinniger Magic Moment. Ich hatte Tränen in den Augen, weil es für mich so bewegend war, am Ursprung dieser Bewegung zu stehen und die Atmosphäre mit tausenden Besuchern zu spüren. An einem Ort, der diesen wichtigen Anstoß zum Wendepunkt in der Geschichte der Schwulen, Lesben und Trans in vielen demokratischen Ländern der Erde gegeben hat. Wir sollten niemals vergessen, wem wir dies zu verdanken haben und sollten uns nicht spalten lassen. Wir sind eine Comunity.

Ich war stolz dort PRIDE zu feiern und PRIDE zu demonstrieren. Dieses Pride Wochenende in New York mit dem Wissen um die Geschichte war für mich sehr, sehr bewegend. Ich war mit einem Freund und seinem Mann zu dritt dabei und wir empfinden es im Nachhinein als Glück, noch vor der Wiederwahl Trumps dort gewesen zu sein. Ich möchte seine Queerfeindlichkeit nicht durch meine touristische Anwesenheit unterstützen. Eine geplante Reise nach Chicago in diesem Jahr habe ich aus diesem Grund abgesagt und reise nun alternativ nach Montreal.

Es war für mich so toll, weil ich mich auch selbst als Pride-Aktivist sehe. Ich habe zwölf Jahre lang queeres Radio in München gemacht und habe jetzt einen Blog und eine Seite bei FB unter „Besorgte Homos“. Das ist eine Gegenbewegung zu den sogenannten „Besorgten Eltern“, die die Vielfalt im Bildungsprogramm angegriffen haben. Mir geht es jetzt darum, auch die Queerfeindlichkeit der neuen Rechten aufzudecken und anzuprangern. Dabei bin ich sehr aktiv.
Chris aus Hamburg
 

Christoph // © vvk

Die Geburt meiner Tochter, bei der ich anwesend war, ist mein Magic Moment. Ich hätte meiner Frau auch gern die Hälfte ihrer Schmerzen abgenommen. Das ist jetzt mittlerweile 24 Jahre her. 

Ich stamme aus einem kleinen Ort im Hunsrück und bezeichne mich als bisexuell, habe dies aber erst vor Kurzem wieder für mich zugelassen, nachdem ich es lange Zeit weggeschoben hatte.  Zum einen hängt es damit zusammen, dass ich einmal mit einem Mann gewalttätige Erfahrungen gemacht habe. Aber ich habe es auch genossen, in den letzten Jahren in meiner Familie zu leben. Gemerkt habe ich meine Bisexualität schon in meiner Jugend, aber da ich aus einen erzkonservativem Elternhaus stamme – meine Mutter war Religionslehrerin – habe ich das verheimlicht – aber auch gelebt.

Nach einigen Stresserlebnissen aus Angst vor dem entdeckt werden und persönlichen Krisen, war ich in der Reha und habe einen guten Freund kennengelernt, eine sogenannte platonische Beziehung. Es war emotional ein sehr starkes Erlebnis und so ich habe mich entschieden, diese Seite meiner Persönlichkeit wieder zu leben.

Ich lebe nach wie vor mit meiner Frau zusammen und habe das kommuniziert. Es war ein durchaus krisenhafter Moment und diese Situation ist auch angstbesetzt für meine Frau. Aber diese bisexuelle Seite von mir möchte ich nicht mehr verstecken. Ich mache mir gerade bewusst, dass man nicht nur einen Menschen lieben kann und auch das Geschlecht keine übergeordnete Rolle spielt. Meine Tochter ist ebenfalls informiert, sie hat überhaupt keine Probleme damit. Der Magic Moment und die Jahre mit unserer Tochter, hat uns als Familie zusammengeschweißt, da habe ich keine Sorge, dass es das nicht aushält.
Christoph aus Weiler/Bingen
 

Dee // © vvk

Mein magischster Moment war 2017, als Angela Merkel die „Ehe für alle“ verkündete. Ich habe damals in Bonn studiert und war seit 2011 als Gaststudent aus Indonesien hier in Deutschland. Ich habe mich zu der Zeit nur bei „baraka“ im „rubicon“ engagiert, um für mich zu klären, wohin ich sexuell gehöre. „baraka“ ist eine Gruppe, in der sich in Deutschland lebende Ausländer zusammenfinden, sich über ihre Sexualität austauschen und den offenen Umgang mit Sexualität in Europa kennenlernen können. Nach der Ehe für alle, kam der CSD in Köln, was für mich zu einem „point of no return“ führte. Seitdem stehe ich offen zu meiner Homosexualität und engagiere mich offen für die Community. Ich kannte meinen heutigen Mann damals schon und bekam von ihm beim CSD einen Antrag. 2018 haben wir dann geheiratet und so stand für mich auch die Entscheidung fest, dass ich in Deutschland leben werde. 

In meinem Herkunftsland herrscht bezüglich Homosexualität auch diese Laissez-Faire-Mentalität. Es gibt einige Gesetze, die man gummiartig auslegen kann, wenn es darum geht Homosexuelle zu diskriminieren. Mein Papa fand mein Outing okay, meine Mama war zuerst zickig. Aber gibt es schon Verständnis von ihr, denn sie ist Professorin für Biologie. Sie hat uns so erzogen, dass man Homosexuelle und Trans-People nicht diskriminiert. Nur dass es gerade ihren Sohn betrifft …! Heute ist das in Ordnung und als wir sie besucht haben, hatte ich den Eindruck, dass mein Mann mehr ihr Sohn ist als ich.

Wenn ich gerade die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland und auch weltweit beobachte, mache ich mir schon Sorgen, dass mir mein Magic Moment irgendwann genommen werden könnte.
Dee aus Duisburg
 

Joachim // © vvg

Mein Magic Moment war die erste CSD-Demonstration am 30. Juni 1979 in Bremen zur Erinnerung an den Aufstand in der Christopher Street fast auf den Tag genau zehn Jahre zuvor.

Es war zum aller ersten Mal, dass statt der damals üblichen Demonstrationen - in zehner oder zwölfer Reihen hinter einem Transparent her zu laufen- ein Lautsprecherwagen mit Pop-Songs aus den damaligen Charts vorweg fuhr. Auf dem Kleintransporter mit Lautsprechern war auch noch Platz für die Mitglieder der Gruppe „Brühwarm“ zu denen damals u.a. Corny Littmann, Gunter Schmidt und Volker Plänkers gehörten. Wir waren ca. siebenhundert Teilnehmer*innen, die meisten von uns waren bunt gekleidet, teilweise als Drag – wie man es heute bezeichnen würde - und wir bewegten uns tanzend durch die Bremer Innenstadt. Natürlich gab es auch politische Forderungen wie die „Abschaffung des §175 StGB“ oder „Aufklärung über Homosexualität an den Schulen“. Die Reaktion der Umstehenden war sehr gemischt, von Hasskommentaren und der Erinnerung an Hitlers Politik gegen schwule Männer, bis zu verhaltener Zustimmung. Am meisten überwog doch das Erstaunen darüber, dass sich schwule Männer und lesbische Frauen sichtbar machten, Forderungen erhoben und dabei auch ein wenig sich selbst feierten. Besonders war vor allem, dass eine Gruppe lesbischer Frauen mit eigenen Themen präsent war. Das war deshalb bemerkenswert, weil damals schwule Männer und lesbische Frauen nicht viele Aktivitäten gemeinsam gemacht haben. Lesbische Frauen verorteten sich damals eher in der Frauenbewegung. Viele von ihnen sogar an führender Stelle,

oft ohne dabei ihr Liebe zu Frauen offen zu zeigen. Aber norddeutscher Pragmatismus war schon sehr früh am Werk bei der Zusammenarbeit von Schwulen und Lesben in Bremen im Juni 1979.
Joachim aus Mainz
 

Kevin // © vvg

Ich bin gebürtiger Leipziger, lebe aber inzwischen mit meinem Mann in Köln. Mein Magic Moment war im Jahr 2017, da bekamen mein Mann und ich Familienzuwachs. Es brauchte sehr viel organisatorischen und zeitlichen Vorlauf, bis wir unseren Pflegesohn in die Arme schließen durften. Es gab fragwürdige psychologische Tests und Praktiken von Seiten des Jugendamtes, wo man sich als schwuler Mann fragt, ob sich diese Fragen auch heterosexuelle Paare bei ihrem Auswahlverfahren stellen lassen müssen. Da ist noch in vielen Köpfen und vielen gesetzlichen Regelungen mächtig mit Vorurteilen aufzuräumen. Zu Beginn gab es einen Multiple-Choise Fragebogen, wo wir unsere Wünsche präferieren durften oder eben auch egalisierten. Ich bin ein großer Verfechter, dass Eltern ohne erfüllbaren eigenen Kinderwunsch, diese Möglichkeit bekommen und Kindern eine gute Entwicklung in sozialem sicheren Umfeld ermöglichen. Da steckt in unserer Gesellschaft ein großes Potenzial, welches oft vergeudet wird. Wir haben alle Widrigkeiten gemeistert und es war ein großes Ereignis unseren damals fünf Monate alten Sohn endlich in unserer Familie willkommen zu heißen. Anfangs haben wir ihn noch mit der Flasche gestillt.

Unser Sohn ist heute neun Jahre und er weiß, dass wir seine Pflegeeltern sind. Er nennt uns Papa und Papi und er kennt auch keine Anfeindung von anderen Kindern deswegen, weder im Kindergarten noch in der Schule. Wenn es Anfeindungen gab, dann kam es von anderen Eltern.

Es ist so schön ein Kind zu haben, auch wenn wir uns das alles anfangs einfacher vorgestellt haben. Es ist schon mit viel Energie und Zeit verbunden und man hat nicht mehr ein so sorgenfreies Leben, weil man sich um den kleinen Menschen mehr kümmern muss, als um sich selbst.
Kevin aus Leipzig/Köln
 

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