Wenn Videospiele queer werden Next Level – eine Branche im Wandel
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Die gestiegene Sichtbarkeit queerer Gamer bleibt auch der Industrie nicht verborgen. Laut einem Bericht der Organisation GLAAD identifizieren sich rund 17 % der aktiven Gaming-Community als LGBTIQ+, ein enormer Anteil, nahezu doppelt so hoch wie noch 2020.
Diese Spielerinnen und Spieler fordern nicht nur mehr Repräsentation, sie stellen auch Ansprüche an die Firmen: Knapp 70 % von ihnen geben an, kein Geld für Games von Studios ausgeben zu wollen, die LGBTIQ+-Mitarbeitende diskriminieren oder schlecht behandeln. Diversity ist also längst nicht nur eine Frage der politischen Korrektheit, sondern auch ein wirtschaftlicher Faktor in der Milliardenindustrie Gaming. Einige Unternehmen reagieren bereits und bemühen sich um inklusivere Arbeitsumfelder sowie Inhalte. So unterstützten große Publisher öffentlich Pride-Aktionen und integrieren Beratende, um klischeehafte Darstellungen zu vermeiden. Gleichzeitig entstehen immer mehr Indie-Spiele, die LGBTIQ+-Themen ganz selbstverständlich in den Mittelpunkt stellen, von queeren Liebesgeschichten bis zu trans *Protagonisten, und damit auch beachtliche Erfolge feiern.
Trotz aller Fortschritte steht die Branche aber noch am Anfang eines langen Weges. Ein Blick auf die Statistik verdeutlicht die Lücke: Von zehntausenden veröffentlichten Titeln enthalten nur verschwindend wenige explizit Community-bezogene Inhalte.
„Weniger als zwei Prozent aller erhältlichen Games enthalten überhaupt LGBTIQ+ -Inhalte. Die Spieleindustrie hängt damit anderen Medien in puncto Repräsentation weit hinterher und lässt eine ganze Communiyt im Stich“, so das ernüchternde Fazit des GLAAD-Gaming-Reports 2024.
Im Vergleich zu Film und TV, wo queere Figuren inzwischen deutlich häufiger vorkommen, besteht bei Videospielen Nachholbedarf. Allerdings sind Videospiele ein spezielles Medium. Nicht jedes Genre bietet Raum für komplexe Charaktere oder Geschichten. Doch gerade die großen, storylastigen Titel können und sollten vielfältiger werden und viele Entwicklerinnen und Entwickler wissen das inzwischen. Die Zeichen stehen auf Wandel. Nachdem Nintendo jahrelang zögerlich war, finden sich heute in Zelda und Co. subtile Hinweise auf LGBTIQ+ -Charaktere; Triple-A-Hits wie Cyberpunk 2077 führen variable Pronomen und nicht-binäre Charakteroptionen ein und auf Spieleplattformen wie Steam boomt eine ganze Kategorie von Indie-Games mit queerem Schwerpunkt. Die Zukunft des Gaming verspricht also bunter zu werden.
Am Ende ist es wie in einem epischen Rollenspiel: Der „Endgegner“ Vorurteil verliert langsam an Lebenspunkten, doch vollständig besiegt ist er noch nicht. Jede Darstellung einer liebenden lesbischen Heldin, jeder mutige reale Gaymer im Sprachchat und jede Entscheidung eines Studios für mehr Diversität tragen dazu bei, das letzte bisschen Resistenz abzubauen. Die Gaming-Welt befindet sich auf dem nächsten Level, einem Level, in dem hoffentlich Vielfalt und Akzeptanz selbstverständliche Bestandteile des Spielerlebnisses sind. Bis dahin heißt es für Gamerinnen und Entwickler gleichermaßen: weiterkämpfen, Teamplay nutzen und die Regenbogen-Flagge noch ein Stück höher halten. Denn das Spiel ist erst gewonnen, wenn wirklich alle mitspielen dürfen.