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Apropos Leben Gefühltes Tagebuch: Zum Weinen...

rb - 06.05.2021 - 09:00 Uhr
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Unser Alien wundert sich über eine Flüssigkeit: „Mein Nachbar hat Pech gehabt. Beim Befestigen eines Schildes am Gartenzaun, welches unmissverständlich darauf hinweisen soll, dass dort Hunde kein Geschäft machen dürfen, schlug er sich versehentlich auf den Daumen. Er jaulte kurz auf, und dann rollte eine Flüssigkeit aus seinen Augen. Wie ist das zu verstehen? “

Nein, es gibt wohl keinen Welttag des Weinens. Konnte ich jedenfalls nicht finden. Wozu auch? Das kann man doch nicht feiern, oder doch? Ich habe zum Beispiel ein Tränchen verdrückt, als ich neulich im Radio die Matthäus-Passion von Bach gehört habe. Dabei bin ich gar nicht so gläubig. Es war einfach anrührend, emotional bewegend. Das Privileg zu weinen, wenn man so will, ist wohl den Menschen vorbehalten. Die Forschung tut sich noch schwer, dieses dem Lachen verwandte Phänomen zu entschlüsseln. Wir können weinen, sobald wir auf der Welt sind. Und davon machen wir in den ersten Lebensjahren auch reichlich Gebrauch. Da uns in dieser Phase die Sprache noch fehlt, können wir unserer Umwelt mit Lachen und Weinen auf eindrucksvolle Weise kund tun, wie es uns geht. Mit der Entwicklung unseres Gehirns und durch Lernen nutzen wir das Weinen dann auch, um unsere Umwelt zu manipulieren. Es ist eine Form der Kommunikation, die nicht immer auf Verständnis und Anteilnahme stößt. Weinen und Jammern löst zwar keine Probleme, kann aber kurzfristig entlasten.

Wissenschaftler sagen, dass man in wärmeren Temperaturzonen weniger weint, als in kälteren Regionen. Ob das sonnige Gemüt der dortigen Bewohner dabei eine Rolle spielt? Manche Schauspieler können auf Zuruf der Regie in Tränen ausbrechen, wenn das Drehbuch es verlangt. Weinen ist aber, im Gegensatz zum Lachen, nicht unbedingt ansteckend. Im Gegenteil: Oft versucht man, die heulende Person vom Weinen abzubringen, gerne mit „vernünftigen“ Argumenten. Dies ist allerdings nicht immer hilfreich. Daher weinen viele Menschen nur im stillen Kämmerlein, bis die Tränen versiegen. Gründe für das Weinen können sehr vielfältig sein: Manche haben einfach nah am Wasser gebaut. Andere haben massive Anlässe, wie Trauer, Verlust, Angst, Depression, seelische und körperliche Schmerzen, sogar Wut. Auch Rührung und exzessive Freude können alle Dämme brechen lassen. Bei Allergien und anderer Reizung entwickeln sich auch Tränenströme, deren chemische Kombination allerdings anders ist. Man unterscheidet hier zwischen Gefühls- und Reflextränen. Beim emotional gesteuertem Weinen finden sich mehr Hormone und Proteine in der Flüssigkeit.

Weinen hat, im Gegensatz zum Lachen, keine besonders guten Ruf. Es gilt heutzutage als wenig zielführend und im wahrsten Sinne des Wortes als „überflüssig“. Das war nicht immer so: In Zeiten der Romantik und Empfindsamkeit galt Weinen, besonders in Kunst-Kreisen, als besonders authentisches Verhalten. Manchen Menschen geht es besser, wenn sie eine Runde geweint haben. Manche unterstellen Selbstmitleid, wenn jemand weint. Und Krokodilstränen bilden sich bei den gefräßigen Dickhäutern, wenn sie dabei das Maul weit aufreißen. Das passiert bei Menschen auch, beim Gähnen und beim Verzehr besonders scharfer Speisen. Ist aber eher ein Reflex und wohl kaum emotional begründbar. Daher gelten diese speziellen Tränen auch als unecht, ja sogar als heuchlerisch. Starke Emotionen können harte Männer vorübergehend erweichen. So schrieb mal ein bedeutender russischer Dichter: „Tränen reinigen das Herz“. Ich behaupte: Weinen ist eine Gabe, die uns erst zu Menschen macht.

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