Direkt zum Inhalt
Heimlich beim Sex gefilmt

Heimlich beim Sex gefilmt Ein heimliches privates Sexvideo? Ein Kavaliersdelikt? Keineswegs!

ms - 04.07.2025 - 15:00 Uhr
Loading audio player...

Lust am Risiko? Oder auf der Suche nach dem besonderen Kick bei einem sexuellen Abenteuer? Die Erlebnisse mit einem anderen Mann filmisch festzuhalten, ist für einige schwule Männer besonders reizvoll – doch manche überschreiten dabei Grenzen, nämlich dann, wenn sie ihrem Sexualpartner nichts von dem Mitschnitt verraten. Doch wie sieht hierbei die rechtliche Lage aus? Und was sagt die Polizei dazu? SCHWULISSIMO fragte nach bei Kriminaloberkommissar Conrad, LGBTIQ+-Ansprechpartner beim Landeskriminalamt Hamburg

Immer wieder kommt es vor, dass Männer bei einem Sex-Date heimlich von ihrem Gegenüber gefilmt werden. Grundsätzlich: Wie bewertet das die Polizei? Liegt hier ein Straftatbestand vor?

Das heimliche Filmen bei sexuellen Handlungen sowie die (Live-)Übertragung oder Weitergabe solcher Aufnahmen ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung der beteiligten Person(en) stellt einen widerrechtlichen Eingriff in die Intimsphäre dar. Es handelt sich hierbei um ernstzunehmende Delikte, bei denen – je nach Einzelfall – verschiedene Straftatbestände erfüllt sein können: § 201a StGB – Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen: Dieser Tatbestand ist regelmäßig einschlägig, wenn intime Bilder oder Videos ohne Einwilligung der aufgenommenen Person im höchstpersönlichen Lebensbereich erstellt oder verbreitet werden. Gemeint sind hier insbesondere Aufnahmen in Wohnungen oder Hotelzimmern oder Situationen, in denen die Person einen berechtigten Schutz der Vertraulichkeit erwarten darf. Sollten in diesen Bereichen Aufnahmen ohne Einwilligung gemacht werden, ist bereits das Aufnehmen strafbewährt. Das Zugänglichmachen oder Verbreiten solcher Aufnahmen, selbst wenn sie nicht veröffentlicht, sondern nur weitergeleitet werden, steht ebenfalls unter Strafe. Die Strafandrohung ist Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren. § 201 StGB – Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes: Sofern beim Sexdate Gespräche heimlich aufgenommen oder übertragen werden, zum Beispiel durch eingeschaltete Mikrofone oder bei Live-Übertragungen, kann auch dieser Paragraph einschlägig sein. Gespräche in der Intimsphäre unterliegen einem besonderen Schutz. Strafandrohung ist hier Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

Wenn jemand einen anderen Menschen heimlich beim Sex filmt, mit welchem Strafmaß kann hier gerechnet werden? Und macht es einen Unterschied, ob jemand diese Aufnahmen „nur für sich privat“ angefertigt hat oder ob er sie online stellt oder damit vielleicht sogar Geld verdienen möchte?

Grundsätzlich gilt: Wer eine andere Person heimlich beim Sex filmt, ohne deren ausdrückliche Einwilligung, macht sich strafbar. Wie hoch das Strafmaß ausfällt, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die Frage, ob die Aufnahmen „nur“ für einen selbst angefertigt oder zusätzlich verbreitet beziehungsweise kommerziell verwertet wurden, wird in den Erwägungen des Gerichts eine Rolle spielen. Daneben berücksichtigt das Gericht beim Strafmaß regelmäßig auch Aspekte wie die Schwere des Eingriffs in die Intimsphäre, Vorstrafen sowie die Einsicht und Reue des Täters. In Bewertung der konkreten Umstände des jeweiligen Sachverhalts obliegt es dem Gericht, ein Urteil zu fällen. Hierbei sind Verurteilungen zu Geldstrafen und Bewährungsstrafen möglich. Wenn die Aufnahmen allerdings weiterverbreitet, öffentlich gemacht oder sogar gegen Entgelt angeboten werden, könnte sich dieser Umstand strafverschärfend bis hin zur Verhängung von Freiheitsstrafen auswirken. Zusätzlich kann in solchen Fällen ein Schmerzensgeldanspruch nach zivilrechtlichen Vorschriften entstehen, ebenso wie strafrechtliche Nebenfolgen. Hierunter fallen zum Beispiel die Einziehung von Einnahmen und die Beschlagnahme von Geräten. Wichtig ist es noch zu sagen, dass die Straftaten: „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ und „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“ nur auf Antrag der betroffenen Person verfolgt werden (§ 205 StGB), es sei denn, die Staatsanwaltschaft sieht ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung.

Gibt es aus Sicht der Polizei hier Vorkehrungen oder Maßnahmen, die vor einem Sex-Date getroffen werden können, um sich gegebenenfalls besser zu schützen?

Die Polizei rät zu einem bewussten, wachsamen Umgang mit digitalen Geräten in intimen Situationen. Klare Kommunikation, eine gesunde Portion Misstrauen und einfache technische Achtsamkeit können helfen, sich besser zu schützen. Auch kann es hilfreich sein, die Person, mit der man sich zu einem Sex-Date verabreden möchte, zuvor persönlich, bestenfalls an einem belebten und öffentlichen Ort zu treffen. So lernt man die Person kennen und kann diese dann auch besser einschätzen. Insbesondere das vorherige Treffen an einem belebten und öffentlichen Ort ist ein Faktor, welcher auch vor Übergriffen anderer Art schützen kann. So sind in jüngster Vergangenheit Fälle verzeichnet worden, in denen Personen aus der LSBTI*-Community gezielt in einen Hinterhalt gelockt wurden. Zuvor noch via Dating-App zu einem Date / Sex-Date verabredet, kam es dann beim Treffen dazu, dass Geschädigte verbal oder im schlimmsten Fall auch körperlich durch den oder gegebenenfalls auch mehrere Täter angegangen wurden. 

Wir wissen durch Aussagen der Polizei wie auch durch Studien, dass in Deutschland etwa 90 Prozent aller Übergriffe gegen LGBTIQ+-Menschen gar nicht erst angezeigt werden, zumeist aus Angst oder Scham. Was würden Sie jenen Menschen trotzdem sagen wollen, damit sie vielleicht doch den Schritt zu einer Anzeige machen?

Es ist nachvollziehbar, dass Menschen, die von heimlichen sexuellen Aufnahmen betroffen sind – insbesondere aus der LSBTI-Community – häufig Scham, Angst oder Unsicherheit empfinden. Diese Gefühle sind real und ernst zu nehmen. Dennoch möchten wir Betroffene ausdrücklich ermutigen, sich an die Polizei zu wenden – und zwar unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder Lebensweise. Was wir Betroffenen gern mitgeben möchten: Sie sind nicht allein – und Sie haben nichts falsch gemacht. Der Täter ist für die Tat verantwortlich, nicht das Opfer. Ihre Anzeige kann helfen – nicht nur Ihnen selbst. Auch wenn es schwerfällt: Eine Strafanzeige bringt nicht nur den eigenen Fall in Bewegung. Sie kann helfen, Mehrfachtäter zu erkennen, andere potenzielle Opfer zu schützen und ein deutliches Signal zu setzen, dass solche Übergriffe nicht hingenommen werden. Schweigen schützt nur die Täter. Viele Täter bauen auf die Scham ihrer Opfer – und genau das darf nicht zum Schweigen führen. Eine Anzeige ist ein Schritt zur Selbstbestimmung und zur Rückgewinnung der Kontrolle über die eigene Privatsphäre. Die Polizei Hamburg ist sich der besonderen Sensibilität solcher Fälle bewusst – insbesondere, wenn die sexuelle Identität, Outing-Ängste oder intime Inhalte eine Rolle spielen. Anzeigen werden diskret, empathisch und auf Wunsch mit einer Vertrauensperson zusammen aufgenommen. Hierfür stehen auch wir, die Cops4Q, zur Verfügung.

Junge Erwachsene und Jugendliche aus der Community sind mitunter noch deutlich unbedarfter oder auch leichtsinniger im Umgang mit digitalen Medien oder dem Teilen von persönlichen Daten und Bildern. Was würden Sie hier speziell jungen Menschen aus der Community raten?

Aus Sicht der Polizei ist es richtig und wichtig, besonders junge Menschen auch aus der LSBTI*-Community gezielt anzusprechen, um sie für den verantwortungsbewussten Umgang mit digitalen Medien, persönlichen Daten und intimen Inhalten zu sensibilisieren. Denn gerade in der Phase des Suchens, Ausprobierens und Sich-Zeigens unter anderem auch in digitalen Räumen kann es leicht passieren, dass Grenzen verschwimmen oder Risiken unterschätzt werden. Was wir jungen Menschen – insbesondere aus der LSBTI-Community – mitgeben möchten: Dein Körper, deine Bilder, deine Entscheidung. Niemand hat das Recht, dich ohne deine Zustimmung zu filmen, zu fotografieren oder intime Inhalte von dir zu verbreiten. Auch wenn man einen Menschen mag oder ihm vertraut: Dein digitales „Ja“ oder „Nein“ zählt. Immer! Denke einen Schritt weiter – was heute gut gemeint ist, kann morgen missbraucht werden. Ein einmal verschicktes Bild oder Video lässt sich nicht zurückholen. Auch wenn du glaubst, es geht „nur an eine vertraute Person“: Inhalte können gespeichert, weitergeleitet oder veröffentlicht werden – mit weitreichenden Folgen. Gerade in intimen Momenten gilt: Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser! Orientiere Dich sonst gern noch an der Leitfrage: „Kann ich dieses Bild auch meiner Mutter oder meinem Vater senden?!“. Du bist nicht zu jung, um dich zu schützen. Es braucht kein bestimmtes Alter, um klare Grenzen zu setzen. Du hast jedes Recht, „Nein“ zu sagen zu Aufnahmen beim Sex oder in Unterwäsche, zu Vorschlägen, dich über Video zu zeigen oder dich zu entkleiden, zu Kontakten, bei denen du dich unter Druck gesetzt oder unwohl fühlst. Wenn jemand deine Unsicherheit ausnutzt oder dich zu etwas drängen will ist das nicht okay – und kann strafbar sein. Lass dich nicht einschüchtern und auch nicht ausnutzen. Sei selbstbestimmt, wachsam und mutig – auch im Netz. Und wenn etwas schiefläuft: Du bist nicht allein!

Wie groß schätzen Sie in solchen Fällen, also heimlich gedrehten Videos, die Gefahr ein, dass es zu Fällen von Mobbing oder auch Erpressung kommt?

Hier eine fundierte Gefahrenprognose darzulegen, ist sehr schwer. Da hier dann doch unterschiedliche Tatbegehungsweisen aufeinandertreffen. Der Täter, der bereits das Ziel der Erpressung / des Mobbings hat, geht im Rahmen seiner Tathandlung meist anders vor. Es wäre also eher atypisch, sich zunächst zu einem Sex-Date zu verabreden und dann seitens des Täters in eine Erpressung oder Mobbing überzugehen. Der Tatort bei dieser Art der Delikte, also dem Mobbing oder der Erpressung, im Kontext sexueller Inhalte als Sextortion bezeichnet, liegt überwiegend im Internet und nicht im eigenen oder fremden Schlafzimmer. Hier werden vom Täter heimlich Bilder oder Videos mit erotischem oder sexuellem Inhalt im laufenden, erotischen Chat/Videocall mit dem Opfer gefertigt. Eine weitere Begehungsweise ist, dass im Rahmen des Chats /Videochats eigenes Bild- beziehungsweise Videomaterial dem Täter im „Rausch der Situation“ zunächst freiwillig zur Verfügung gestellt wird und anschließend das Mobbing oder die Erpressung folgen. So drohen zum Beispiel Täter häufig damit, die intimen Aufnahmen zu veröffentlichen oder an Familie, Schule, Arbeitgeber oder Freundeskreis weiterzuleiten – es sei denn, das Opfer erfüllt bestimmte Forderungen, wie etwa: Geldzahlungen, Zusenden weiterer, intimer Aufnahmen oder Vornehmen von sexuellen Handlungen. Eine besonders vulnerable Gruppe sind dabei Menschen aus der LSBTI-Community, die sich bislang nicht geoutet haben, da sie sich in einer ohnehin verletzlicheren Lebenssituation befinden oder zusätzliche Ängste vor einem „Outing“ oder gesellschaftlicher Stigmatisierung haben. Mobbing – digital wie real – kann neben der Erpressung ebenfalls eine Folge der Verbreitung solcher Bilder / Videos sein. Wenn intime Inhalte in soziale Netzwerke oder Gruppen gelangen, können sie Ausgangspunkt für Beschämung, Ausgrenzung oder psychischen Druck sein. Die Gefahr, dass heimlich erstellte intime Videos zu Druckmitteln, Demütigung oder Rufschädigung genutzt werden, ist aus Sicht der Polizei gegeben. Täter spekulieren gezielt auf die Scham und Sprachlosigkeit ihrer Opfer – und setzen auf deren Schweigen. Deshalb gilt: Nicht abwarten! Nicht verharmlosen! Frühzeitig Hilfe holen! Anzeige erstatten! Inhalte (sofern möglich) sichern, Plattformen melden, Beweise dokumentieren. Auf keinen Fall Forderungen nachgeben oder selbst Aufnahmen schicken.

Wenn ein Sexualpartner zunächst zustimmt, gefilmt zu werden, kann er anschließend doch noch seine Zustimmung widerrufen? Beziehungsweise verlangen, dass die Aufnahmen gelöscht werden? Darf er bei einer Weigerung seines Gegenübers das fremde Smartphone (oder die Kamera) mitnehmen oder eigenhändig löschen – oder macht er sich dabei selbst strafbar? 

Zunächst einmal: ja – eine Einwilligung in eine Aufnahme ist widerrufbar – jederzeit. Selbst wenn ein Sexualpartner zunächst eingewilligt hat, gefilmt oder fotografiert zu werden, kann er diese Zustimmung jederzeit widerrufen – auch nach der Aufnahme. Das ergibt sich aus dem sogenannten Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Nach einem Widerruf darf die Aufnahme nicht mehr verwendet, gespeichert oder verbreitet werden. Sie ist zu löschen, wenn der Betroffene dies verlangt – andernfalls kann sich der andere strafbar machen. In diesem Zusammenhang ist es für Betroffene wichtig zu wissen, dass ein eigenmächtiges Löschen von Aufnahmen auf fremden Geräten oder das Mitnehmen dieser nicht erlaubt ist. So verständlich der Impuls auch ist: Wer in so einer Situation das Smartphone oder die Kamera seines Gegenübers mitnimmt, diese beschädigt oder Bilder/Videos eigenmächtig löscht, kann sich selbst strafbar machen. Sollte der andere sich weigern, die Aufnahmen zu löschen oder drohen, sie zu verwenden oder zu verbreiten, empfiehlt die Polizei, umgehend Anzeige zu erstatten. Die Ermittlungsbehörden können sodann: das Gerät im Rahmen eines Strafverfahrens sicherstellen, Aufnahmen löschen lassen nach richterlicher Anordnung und den Sachverhalt klären, ohne dass sich das Opfer selbst strafbar macht. Betroffene können sich zusätzlich an Opferschutz- oder LSBTI-Beratungsstellen wenden. Auch eine anwaltliche Verfügung, zum Beispiel Unterlassung oder Löschungsaufforderung. ist möglich.

Herr Conrad, vielen Dank für die Informationen. 

Auch Interessant

Schwules Leben im Süden

Vereinsamt und keine Dates?!

Schwule Jungs in Süddeutschland leben eher einsam und tun sich schwer beim Dating? Das Klischee stimmt längst nicht mehr!
Schiedsrichter Pascal Kaiser

Bisexuell und die Liebe zum Sport

Der bisexuelle Schiedsrichter Pascal Kaiser liebt den Fußball und setzt sich offen für mehr Akzeptanz im Sport ein.
Heimlich beim Sex gefilmt

Was kann ich dagegen tun?

Heimlich beim Sex gefilmt?! Was tun, wenn das Sex-Date versteckt das Treffen mitschneidet? Welche Rechte habe ich und wie reagiere ich?
Polen am Scheideweg

Stirbt die letzte Hoffnung?

Wieder Stillstand, wieder keine Rechte für LGBTIQ+ in Polen. Nach den letzten Wahlen ist die Community verzweifelt, die letzte Hoffnung schwindet.
Happy Birthday Mr.Chaps

Jubiläum beim Fachgeschäft

Hamburg feiert an diesem Wochenende ein besonders Jubiläum: 40 Jahre MR. CHAPS. Schwulissimo traf die beiden Chefs und plauderte über ihre Pläne.
Asexuelle Menschen

Ein Kampf gegen Klischees

Asexuelle Menschen haben nie Lust auf Sex - wirklich? Und warum werden sie in der Community noch immer so stiefmütterlich behandelt?
Liebe liegt in der Luft

Verliebte Luftakrobaten aus London

Jonny und Ben Finch-Brown sind einzigartige Luft-Akrobaten, touren gerade mit ihrer Show “Smooch!“ in Deutschland - und sind zudem ein Liebespaar.
Schwule Männer im Alter

Wir sind oft nicht gut vorbereitet

Das Thema Alter ist in der schwulen Community oftmals noch immer tabuisiert, dabei lohnt es sich, vorab zu überlegen, wie man leben will!
Der schwule Nachbar

Bis heute sehr beliebt!

Ist der Nachbar schwul? Woran lässt sich das vielleicht erkennen? Und warum sind schwule Mieter so beliebt? Ein paar Tipps für Heterosexuelle...