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40 Jahre Berliner Aids-Hilfe

40 Jahre Berliner Aids-Hilfe Besondere Benefizgala zum Welt-Aids-Tag

ms - 29.10.2025 - 16:00 Uhr
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Berlin feiert! Und das völlig zurecht: 40 Jahre Berliner Aids-Hilfe! Bei der traditionellen Benefizgala zum Welt-Aids-Tag sind zu diesem besonderen Jubiläum viele prominente Gäste wieder mit dabei im Stage Theater des Westens. Doch wie sieht es in Sachen HIV in der Regenbogenhauptstadt aktuell aus? SCHWULISSIMO fragte nach bei Schirmherr und Berlins früheren Bürgermeister Klaus Wowereit. 

Wir feiern in diesem Jahr 40 Jahre Berliner Aids-Hilfe. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?

40 Jahre Berliner Aids-Hilfe – das ist nicht nur ein Jubiläum, sondern ein beeindruckendes Zeugnis von Engagement, Solidarität und Wandel. Ich blicke sehr dankbar auf diese Zeit zurück und sehe vor allem den Mut und die Entschlossenheit vieler Menschen, die seit 1985 gegen Angst, Diskriminierung und Unwissenheit angekämpft haben. Seitdem hat sich viel verändert: Medizinisch, gesellschaftlich und politisch. Aus einer Krisenorganisation ist eine starke Stimme der Aufklärung, Prävention und Selbsthilfe geworden. Die Berliner Aids-Hilfe hat unzähligen Menschen Unterstützung, Hoffnung und Würde gegeben – und bleibt auch heute ein unverzichtbarer Teil unserer Stadtgesellschaft.

Mehr als 300 Städte weltweit haben sich inzwischen zu den Fast-Track-Cities zusammengeschlossen, auch Berlin. Das Ziel ist es, die HIV-Pandemie bis 2030 zu beenden. Wie realistisch schätzen Sie dieses Ziel aktuell noch ein, in Anbetracht der Tatsache, dass die Berliner Regierung diverse Einsparungen plant?

Am Anfang war ich sehr skeptisch, ob das Ziel bis 2030 realistisch zu erreichen sein wird. Ich habe jedoch festgestellt, dass in Berlin – wie auch in anderen Städten – intensiv daran gearbeitet wird. Das bedeutet aber auch, dass diese Arbeit fortgesetzt werden muss. Die aktuellen Zahlen aus den Haushaltsplanentwürfen für die nächsten Jahre sind sehr beunruhigend. Wenn die Kürzungen umgesetzt werden, wird das Ziel bis 2030 nicht zu erreichen sein. Deshalb ein dringender Appell an die Verantwortlichen im Senat und im Abgeordnetenhaus, die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen.

Für das Jahr 2024 vermeldete das RKI mehr als 3.200 gesicherte HIV-Neudiagnosen, wobei die Zahl bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), um neun Prozent gestiegen ist. Woran liegt das Ihrer Einschätzung nach? Und sehen Sie die Community hier noch stärker in der Verantwortung?

Diese Entwicklung ist zu bedauern, wenn sie zeigt, dass das Thema HIV in der Öffentlichkeit eine geringere Rolle spielt und Nachlässigkeiten zunehmen. Hier ist jede und jeder gefordert, insbesondere die Community, verstärkte Aufklärungsarbeit zu leisten. Auch bei neuen Schutzmöglichkeiten wie der PrEP muss darauf geachtet werden, dass die Einnahme entsprechend der Vorgaben erfolgt, weil nur so ein wirksamer Schutz entstehen kann.

Im September warnten drei HIV-Organisationen (dagnä, DAIG, DAS) vor einer nahenden Krise bei der Versorgung von Menschen mit HIV. Es könne demnach zu erheblichen Versorgungsengpässen kommen, ab 2035 könnten über 130 spezialisierte HIV-Ärztinnen und -Ärzte fehlen. Wie könnten wir hier entgegenwirken?

Diese Entwicklung muss sorgsam beobachtet werden. Alle im Gesundheitswesen Verantwortlichen müssen alles Mögliche tun, um gerade im Bereich spezialisierter HIV-Ärztinnen und -Ärzte drohende Engpässe rechtzeitig zu vermeiden. Wir brauchen eine intensivierte Ausbildung im infektiologischen Bereich sowie die Sensibilisierung und Weiterbildung zu HIV bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, um die drohenden Lücken zu schließen.

Immer noch ein Thema ist die Stigmatisierung von Menschen mit HIV – in der Gesellschaft wie auch im Gesundheitswesen. Warum halten sich Ihrer Meinung nach diese Vorurteile so hartnäckig?

Vorurteile begleiten unsere Gesellschaft. Deshalb ist es beim Thema HIV besonders wichtig, immer wieder aufzuklären und zu informieren. Es gibt keinen Grund, sich aufgrund der Erfolge der letzten Jahre zurückzulehnen. Wir müssen bereits in der Bildung dafür sorgen, dass frühzeitige Aufklärung zum Thema geleistet wird. Informations- und Präventionsprojekte, wie sie die Berliner Aids-Hilfe mit ihrem Youthworkteam für Jugendliche und junge Erwachsene anbietet, sind wichtige Bausteine, um dieses Ziel zu erreichen. Diese Arbeit muss dauerhaft unterstützt und ausgebaut werden.

Mit Blick auf die deutsche Politik und die Bundesregierung: Was müsste hier besser gemacht werden, um das Thema HIV voranzubringen? 

Jede Regierung steht in der Verantwortung, ihr Möglichstes für die Gesundheit unserer Gesellschaft zu tun. Bei allen Reformen und Veränderungen dürfen spezifische Belange – etwa im Bereich HIV – nicht vernachlässigt werden. Deshalb sind Programme bei den Ländern und Kommunen auch von der Bundesebene zu unterstützen. Darüber hinaus wäre die Bundesregierung sehr gut beraten, das Thema nicht nur lokal, sondern global zu betrachten. Durch die Kürzungen der US-Administration unter Präsident Trump bei internationalen Programmen zur Bekämpfung von HIV und Aids droht eine drastische Verschlechterung der notwendigen Hilfsmaßnahmen. Eine Vernachlässigung der Hilfsleistungen würde auch direkte Auswirkungen auf unsere Situation in Deutschland haben. Deshalb ist ein großes Engagement von deutscher Seite unterstützenswert.

Für die junge queere Generation ist HIV heute oftmals nicht mehr als eine „chronische Krankheit“. Einerseits ist diese Entwicklung sicher schön, andererseits verführt sie vielleicht zu leichtsinnigem Verhalten. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Es ist eine gute Entwicklung der letzten Jahre, dass bei rechtzeitiger Diagnose von HIV gute Behandlungsmöglichkeiten vorhanden sind. Dies darf aber nicht dazu führen, dass die Gefahr, die nach wie vor von HIV ausgeht, verharmlost wird. Deshalb ist die rechtzeitige Aufklärung und Sensibilisierung, gerade von jungen Menschen, nach wie vor ein großes Ziel. In allen gesellschaftlichen Bereichen muss deshalb das Thema auf die Tagesordnung und darf nicht verschwiegen werden.

Worauf freuen Sie sich in diesem Jahr bei den Feierlichkeiten besonders?

Ich freue mich sehr auf „Künstler gegen Aids – Die Gala 2025“. Sie findet in diesem Jahr am 1. Dezember, dem Welt-Aids-Tag, im Berliner Stage Theater des Westens statt. Diese Benefizgala bietet die Möglichkeit, das Thema HIV und Aids in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit zu rücken und mit den Erlösen die tägliche Arbeit der Berliner Aids-Hilfe weiterhin abzusichern. Das Jubiläum ist ein guter Anlass, die Arbeit der Berliner Aids-Hilfe  zu würdigen, stolz zu sein auf das, was erreicht wurde, und um mit viel Kraft in die Zukunft zu schauen. Ich freue mich auf ein großartiges Programm mit herausragenden Künstlerinnen und Künstlern.

Herr Wowereit, vielen Dank für das Gespräch. 

 

Alle Informationen: 

KÜNSTLER GEGEN AIDS - DIE GALA 2025

Moderation Kim Fisher und Klaus Wowereit, Schirmherren: Judy Winter und Klaus Wowereit

Das Motto des Abends: „Let´s Disco!“. Stars auf der Bühne: Max Raabe, Tim Fischer, LAING, Katharine Mehrling, Annett Louisan, Marianne Rosenberg, Weronika Frodyma & Cohen Aitchison-Dugas, Steffi Irmen, Ensemble aus „Romeo & Julia – Liebe ist alles“ und viele mehr. Die After-Show-Party mit Mitternachtsbuffet findet in der Piano-Lounge unter anderem mit Megy B. & Friends, Pierre Sanoussi-Bliss, Duo Schwarzblond, Linda Jo Rizzo, Lukas Natschinski und der Sopranistin Martina Rüping statt. Am Piano: Harry Ermer. Im Spiegelsaal sorgen DJ Ades Zabel und Jacky Oh-Weinhaus für Disco-Feeling. Alle Künstler und Künstlerinnen verzichten im Sinne der guten Sache auf ihre Gagen.

 

1. Dezember 2025

Berliner Stage Theater des Westens 

18.30 Uhr Sektempfang, 19.30 Uhr Showbeginn 

Karten gibt es beim Papagena Kartentelefon unter 030 / 47997477 oder direkt online. Preise: 50,- / 75,- / 100,- Euro. Premiumkarten für 175,- Euro gibt es ausschließlich bei der Berliner Aids-Hilfe. Premiumkarten-Käufer sind Ehrengäste im Parkett des Theaters. Dazu laden die Schirmherren zu einem exklusiven Vorempfang inklusive Welcome-Drink und Fingerfood ab 18.00 Uhr in den Spiegelsaal des Theaters ein. Weitere Informationen unter: www.kuenstlergegenaids.de

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