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Heimlich beim Sex gefilmt

Heimlich beim Sex gefilmt Welche Rechte habe ich? Und wie kann ich so etwas vorab verhindern?

ms - 04.07.2025 - 14:00 Uhr
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Schwule Männer sind mitunter durchaus gerne lustvoll freizügig, auch beim Thema Sexvideos. Doch was passiert, wenn man heimlich und ohne Zustimmung gefilmt wird? SCHWULISSIMO fragte nach bei Paul Dombrowski von der Antidiskriminierungsstelle StandUp der Schwulenberatung Berlin. 

Ich treffe mich mit einem Mann und merke, dass er uns heimlich gefilmt hat oder direkt damit online gegangen ist. Wie nun?

Ich denke, ganz wichtig ist erstmal anzuerkennen, dass so eine Situation extrem überfordernd sein kann. Viele Ratsuchende, mit denen ich zu tun habe, sagen im Rückblick: „Ich hätte anders reagieren sollen.“ Aber in dem Moment ist man oft einfach überwältigt, verletzlich, braucht Zeit, um überhaupt zu begreifen, was da passiert ist. Und was da passiert, möchte ich ganz klar benennen: Wenn dich jemand ohne deine Zustimmung beim Sex filmt – sei es mit dem Handy oder versteckt, ob das Video geteilt, gespeichert oder hochgeladen wird – dann ist das eine Form sexualisierter Gewalt. Punkt. Wenn du es in der Situation bemerkst, kann es helfen, direkt zu konfrontieren: Klar sagen, dass du das nicht willst, und verlangen, dass das Video gelöscht wird. Und nicht nur „löschen lassen“, sondern zeigen lassen – inklusive Papierkorb, Cloud, Backup. Wenn das Video bereits online ist, melde es so schnell wie möglich bei der Plattform – selbst Pornoseiten bieten mittlerweile klare Wege, nicht-einvernehmliche Inhalte zu entfernen. Nicht aus Scham verstummen. Nicht kleinreden, was passiert ist, kein „alles halb so wild“, wenn es sich doch eindeutig falsch anfühlt. Sondern reden – mit Freund*innen, mit queeren Beratungsstellen oder Fachstellen für sexualisierte Gewalt. Diese arbeiten vertraulich, parteilich, sensibel. Auch wenn das Verhältnis zur Polizei für queere Menschen mitunter kompliziert ist, kann eine Anzeige dennoch ein wirksames Mittel sein, um Täter*innen in ihre Schranken zu weisen und weitere Übergriffe zu verhindern.

Wie ist denn generell die rechtliche Sachlage?

Weder ethisch noch rechtlich ist dies ein „Kavaliersdelikt“. Heimliches Filmen beim Sex oder die Weitergabe solcher Aufnahmen ohne Einwilligung ist eine Straftat – geregelt in §201a des Strafgesetzbuches. Der Gesetzgeber sieht hier ein Strafmaß von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe vor. Das gilt übrigens auch, wenn du dem Filmen ursprünglich zugestimmt hast, aber nicht der Weiterverbreitung. Ohne klare, informierte Zustimmung darf das Video nicht geteilt werden – auch nicht beispielsweise nach einer Trennung, wie es häufiger der Fall ist. Stichwort: Revenge Porn. Das ist besonders wichtig für Menschen, die sich selbst die Schuld geben, weil sie „ja zugestimmt haben“. 

Es gibt inzwischen Brillen, Stifte oder Deko-Utensilien, in die Mini-Kameras eingebaut sind. Habe ich überhaupt noch Möglichkeiten, mich zu vergewissern, dass der Sex privat bleibt?

Ehrlich gesagt: Nur sehr begrenzt. Das ist ein reales und größer werdendes Problem – nicht nur beim Sexdate, sondern auch auf Toiletten, in Umkleiden, Ferienwohnungen, Cruising-Areas oder an Stränden, also überall dort, wo Menschen nackt oder intim miteinander sind. Und der technische Fortschritt macht es Betroffenen zunehmend schwerer, sich zu schützen. Klar, es gibt theoretisch Möglichkeiten: Apps, die nach ungewöhnlichen WLAN- oder Bluetooth-Geräten suchen, Kamera-Detektoren, Tipps zur Reflexionserkennung bei Linsen. Das halte ich aber für eher unrealistisch: Wenn man bei jedem Sexdate systematisch die Umgebung absuchen müsste, bedeutet das ja, man geht schon mit dem Gefühl ins Treffen, möglicherweise überwacht zu werden. Für viele ein Dilemma, das jede Nähe schon von vornherein sabotiert. Was bleibt? Dein Gefühl ernst nehmen. Wenn sich etwas falsch anfühlt – abbrechen ist immer erlaubt. 

Gibt es Hinweise im Verhalten von Männern, die daraufhin hindeuten, dass hier etwas nicht passt?

Es gibt leider kein sicheres Frühwarnsystem, aber manchmal zeigen sich kleine Irritationen, die man ernstnehmen sollte. Wenn zum Beispiel jemand ungewöhnlich viel Kontrolle über den Raum hat, dir gezielt Orte zuweist („Setz dich hierhin“) oder bestimmte Blickwinkel stark betont. Wenn Deko auffällig positioniert ist oder Gegenstände im Raum seltsam wirken oder fehl am Platz. Oder wenn er sich beim Sex auffällig posenhaft bewegt, immer wieder in eine bestimmte Richtung schaut oder dich gezielt in eine bestimmte Blickachse drehen will – als wäre dort eine Kamera.

Das eine ist eine Sexaufnahme zu privaten Zwecken, das andere ist der Plan, damit beispielsweise mittels OnlyFans noch Geld zu verdienen. Wie gehe ich damit um?

Wenn jemand den gemeinsamen Sex angeblich „nur für sich“ aufzeichnet, ist das ohne Einwilligung bereits ein massiver Übergriff. Wenn solche Aufnahmen dann noch hochgeladen oder verkauft werden, dann geht es nicht nur um einen Vertrauensbruch, sondern auch um eine Form von sexueller und ökonomischer Ausbeutung. Was ich in solchen Fällen empfehle: Beweise sichern. Wenn du ein Video von dir findest oder merkst, dass du heimlich in einem sexpositiven Raum – etwa einem Zoom-Call oder bei einem digitalen Play-Event – gefilmt oder gescreenshottet wurdest, dann mach so schnell wie möglich Screenshots. Wichtig ist, dass darauf Profilnamen, Plattform, Uhrzeit und der Kontext zu erkennen sind. Auch Chatverläufe oder Hinweise auf das Mitschneiden können später wichtig sein. Alles dokumentieren, bevor Inhalte wieder verschwinden. Darüber hinaus empfehle ich in solchen Fällen dringend eine anwaltliche Beratung, um die individuelle Rechtslage zu prüfen. Neben einer möglichen Strafanzeige können auch eine zivilrechtliche Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen sowie Schadensersatz- oder Schmerzensgeldforderungen in Betracht kommen, insbesondere, wenn das Video öffentlich verbreitet oder kommerziell genutzt wurde. 

Kann ich mich auch wehren, wenn mein Gesicht nicht zu sehen ist?

Ja! Dass dein Gesicht nicht zu sehen ist, bedeutet nicht, dass die Aufnahme harmlos ist oder rechtlich folgenlos bleibt. Entscheidend ist nicht nur, ob du klar zu erkennen bist, sondern ob deine Intimsphäre verletzt wurde – und ob es indirekte Merkmale gibt, durch die du identifizierbar bist: Stimme, Körper, Tattoos, Räume, Gesprächsinhalte, sogar bestimmte Bewegungen. Und: Auch das heimliche Aufnehmen an sich ist strafbar, nicht nur die Verbreitung. Du musst nicht „beweisen“, dass du das bist, um dich zu wehren. Als Berater weiß ich, dass genau solche Überlegungen bei vielen eine große Rolle spielen. Ob man sich traut, juristisch aktiv zu werden. Ob man sich sicher ist. Ob es sich „lohnt“. Viele entscheiden sich dann dagegen – aus Angst, Scham oder Unsicherheit. Es lohnt sich immer, etwas zu tun – sei es nur für die Selbstermächtigung!

Wie groß schätzt Du die Gefahr ein, dass solche Videos für Erpressungen missbraucht werden?

Die Gefahr ist real – und sie wird oft unterschätzt. Es gibt mittlerweile ein eigenes Wort dafür: Sextortion, zusammengesetzt aus Sex und Extortion (Erpressung). Die Drohung lautet dann etwa: „Wenn du nicht Geld schickst, veröffentliche ich das Video“ oder „Ich schicke es an deine Familie oder deine Schule.“ Queere Menschen sind besonders gefährdet, weil Täter*innen gezielt mit Outing, Scham oder familiären Konflikten drohen – also genau da ansetzen, wo viele besonders verletzlich sind.

Besteht auch für junge Menschen eine besondere Gefahr – Stichwort Mobbing?

Ja, absolut. Gerade junge queere Menschen sind besonders verletzlich – oft, weil sie noch unsicher im Umgang mit Konsens sind oder sich stark nach Zugehörigkeit und Anerkennung sehnen. Ein heimlich aufgenommenes Video oder das unerlaubte Weiterleiten eigener Nacktbilder kann enormen Schaden anrichten. Man stelle sich vor: Ein Sexvideo macht die Runde in der Schule – plötzlich ist nicht nur der eigene Körper entblößt, sondern auch die sexuelle Identität wird ungefragt preisgegeben. Das ist doppelte Scham und doppelte Fremdbestimmung. Rechtlich ist das besonders relevant: Sobald eine Person unter 18 Jahre alt ist, gelten strengere Regeln. Wird eine Nacktaufnahme oder ein Sexvideo von einer minderjährigen Person aufgenommen, weitergeleitet oder gespeichert – selbst einvernehmlich –, kann das unter Kinder- oder Jugendpornografie fallen. Jugendliche selbst können sich also strafbar machen, wenn sie zum Beispiel „Nudes“ speichern oder weiterleiten – was oft gar nicht bewusst ist.

Viele schrecken wahrscheinlich trotzdem aus Scham vor einer Anzeige zurück. Was würdest Du hier gerne den Opfern sagen?

Wenn man selbst betroffen ist, steht der Schutz der eigenen Unversehrtheit an erster Stelle. Bei akuter Bedrohung oder Gefahr sollte die Polizei unbedingt eingeschaltet werden. Ob man darüber hinaus Anzeige erstattet, ist eine individuelle Entscheidung – aber es kann helfen, sich Unterstützung zu holen. Viele Städte haben mittlerweile LSBTIQ*-Ansprechpersonen bei der Polizei, die speziell geschult sind, einen Communitybezug haben und als niedrigschwellige Anlaufstelle dienen können. Gegen die Scham hilft oft der Gedanke: Nicht du hast etwas falsch gemacht – sondern dir wurde Unrecht getan.

Ganz doof gefragt: Warum machen Männer das überhaupt? 

Ich finde die Frage gar nicht doof, sondern sehr wichtig. Warum Menschen sich beim Sex filmen, kann viele Gründe haben: Lust, Ego, Selbstdarstellung, Erinnerung, Bestätigung, Voyeurismus, Teilhabe an einer bestimmten Sexualkultur. Solange das einvernehmlich passiert, ist das natürlich auch okay. Beim heimlichen Filmen geht es jedoch um etwas anderes, nämlich um einen Lustgewinn, der sich aus Kontrolle, Macht und dem Gefühl speist, über eine andere Person verfügen zu können.

Ist schwulen Männern die ganze Bandbreite solcher Aktionen wirklich klar?

 Ich denke, man unterschätzt manchmal die langfristige Wirkung solcher Veröffentlichungen – gerade, weil sie sich in andere Lebensphasen hineinziehen können, in denen man vielleicht ganz anders mit Sexualität oder Sichtbarkeit umgehen möchte. Gleichzeitig würde ich schwulen Männern, die sexuelle Inhalte online stellen, niemals absprechen, dass sie sehr genau wissen, was sie tun. 

Welche anderweitigen Probleme können entstehen, wenn heimlich gefilmte Sexszenen im Umlauf sind?

Der vielleicht tiefgreifendste Schaden ist ein psychologischer. Betroffene beschreiben ein starkes Gefühl von Ohnmacht, Kontrollverlust und Entwürdigung. Etwas zutiefst Privates wird ihnen entrissen und öffentlich gemacht – ohne Möglichkeit, es zurückzuholen. Diese Form des Übergriffs trifft den Kern der Selbstbestimmung über den eigenen Körper und die eigene Sexualität. Scham, Angst vor Entdeckung, Rückzug oder das Gefühl, nie wieder sicher sein zu können, sind denkbare Reaktionen. Solche Videos verschwinden selten endgültig. Dadurch wird der Kontrollverlust immer wieder wiederholt. 

Was würdest Du dir als Antidiskriminierungsberater wünschen?

Ich will hier gar nicht den Spielverderber spielen. Sexualität digital zu teilen kann super lustvoll, selbstbestimmt und empowernd sein. Aber dafür braucht es klare Absprachen, Vertrauen – und das Verständnis, dass Konsens kein Freifahrtschein ist. Nur weil etwas im Moment okay war, heißt das nicht, dass es weitergegeben oder gespeichert werden darf. Was ich mir außerdem besonders wünsche, ist eine stärkere Auseinandersetzung mit Konsenskulturen. Und wenn Übergriffe innerhalb der Community passieren, wünsche ich mir, dass wir nicht wegschauen, nur weil es unbequem ist. Solidarität heißt auch, sich gegenseitig zur Verantwortung zu ziehen.

Paul, vielen Dank für das Gespräch.

Kontakt bei Fragen oder Beratungsbedarf: standup@schwulenberatungberlin.de 

Oder direkt online bei der Schwulenberatung Berlin.  

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