„JUST GAY - Einfach nur schwul?“ Ein neuer Verein im Einsatz exklusiv für schwule Männer
Ein neuer Verein mit dem Namen JUST GAY will sich künftig exklusiv für die Belange und Rechte von schwulen Männern einsetzen – weg von LGBTI* hin zu einem Fokus auf die Aspekte, die Homosexuelle bewegen. Eine sinnvolle Idee oder droht die vielerorts besprochene Gefahr, dass sich die Community nach und nach selbst zerlegt? Der Verein startet offiziell in diesem Monat und SCHWULISSIMO wollte von Gründer Florian Greller wissen, was hinter der Idee von JUST GAY steckt.
Florian, warum braucht es deiner Meinung nach eine neue Organisation nur für schwule Männer?
Wenn aus Sex, also dem biologischen Geschlecht, Gender wird, dann müssen wir homosexuelle Männer uns neu organisieren, damit wir unserer Belange und Forderungen gegenüber der Politik, der Gesellschaft und der Regenbogengemeinschaft vorbringen können. Nach unserer Auffassung nach findet gleichzeitig eine Um-Definierung von Homosexualität statt und einhergehend damit die faktische Abschaffung des biologischen Geschlechts. Ein Aktionsplan wurde vorgestellt und einige Punkte darin sind nicht in unserem Sinn. Wir haben uns daher entschlossen, politisch aktiv zu werden und zusätzlich neue Schutzräume für uns zu schaffen. Auch sehen sich viele durch verdiente und langjährige Organisationen inzwischen unzureichend oder gar nicht mehr vertreten und kritisieren zudem die aktuelle queere Politik.
Bedeutet das, euer Ziel ist es, die Community zu spalten?
Natürlich nicht. Trotz des massiven Streits innerhalb des Regenbogens gehören wir dazu. Wir haben aber andere Interessen und Bedürfnisse. Nicht wenige schwule Männer finden sich gerade in einem toxischen Umfeld wieder, in dem eine Selbstzensur stattfindet; immer mehr schwule Männer haben inzwischen Angst, ihre Meinung zu sagen. Es ist uns wichtig, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die freie Meinungsäußerung weiterhin möglich ist. Was uns von JUST GAY zunehmend auch Sorge bereitet, ist der gravierende Frauenhass sowie der Umgang mit lesbischen Frauen innerhalb des Regenbogens. Das können und wollen wir nicht hinnehmen. Auch bereitet uns massiv Sorgen, dass es durch das geplante Selbstbestimmungsgesetz und andere Gesetzesvorhaben zu Konversionsmöglichkeiten durch die Hintertür kommen könnte. Das wird zwar vehement bestritten, aber so ganz von der Hand zu weisen ist das nicht. Zudem ist die Homophobie in der Gesellschaft grundsätzlich noch immer vorhanden, alleine schon aus diesem Grund ist es sinnvoll, eine weitere Organisation ins Leben zu rufen, die sich dagegen einsetzt. Die Ampel-Koalition fordern wir dabei auf, den vorgestellten Aktionsplan zu überarbeiten und kritische Stimmen zu berücksichtigen.
Du hast eben gesagt, dass viele LGBTI*-Organisationen die Belange von schwulen Männern kaum oder gar nicht mehr repräsentieren – woran machst du das fest?
Ich weiß nicht mehr, was langjährige und verdiente Organisationen für uns noch tun? Ich bekomme nur mit, dass sie jetzt auch das Geschlecht als ein Gefühl ansehen und das biologische Geschlecht gar keine Relevanz mehr haben soll. Sollte das nicht stimmen, so nehme ich gerne den Vorwurf zurück. Ich habe ja Verständnis dafür, dass sich die Organisationen nach der “Ehe für alle“ jetzt für eine andere Gruppe lautstark einsetzen müssen, um weiterhin existieren zu können. Es sind gewachsene Strukturen, viele Arbeitsplätze hängen davon ab und das stelle ich auch nicht in Frage. Auch hängen Fördergelder davon ab, welche Vorgaben die Politik macht. Was wir aber kritisieren, ist das Verhalten und die völlige Missachtung unserer Belange. Oft sind es auch scheinbar kleine Gegebenheiten, die aber dazu führen, dass sich schwule Männer fragen, wohin sich der Regenbogen zwischenzeitlich entwickelt hat. Was mich persönlich ärgert ist die Spaltung zwischen Trans und Nichttrans. Das mache ich auch den Organisationen zum Vorwurf. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, alle mitzunehmen. Das haben sie nicht getan. Wir sehen es an Organisationen wie Stonewall in Großbritannien, die langsam wegfallen. Das hoffe ich für die Organisationen in Deutschland nicht. Sie müssen sich aber nicht wundern, wenn immer mehr schwule Männer sich entsolidarisieren oder wie in unserem Fall sich dann neu organisieren.
So wie die Entwicklungen derzeit sind, geht es nicht weiter. Es wird Zeit, Lösungen zu finden. Ein Miteinander ist wichtig und richtig.
Ein Streitpunkt aktuell ist auch die Frage um die Schutzräume – darf jede Gruppe im LGBTI*-Bereich ihre eigenen exklusiven Einrichtungen haben, beispielsweise Räume nur für Lesben oder Schwule, oder ist das diskriminierend und queerphob? Deine Meinung dazu?
Wir haben in unserem Land demokratische Grundrechte. Jede und jeder hat das Recht, sich selbst zu organisieren und selber zu entscheiden, für wen ich mich öffne und für wen nicht. Einer Gruppe dann grundsätzlich Transphobie oder Queer-Phobie zu unterstellen, ist unredlich. In dieser ganzen Diskussion wird eines vergessen: Wenn wir auf unser Recht bestehen, Räume ausschließlich nur für uns zu beanspruchen, dann ist das legitim. Genauso, wie es legitim ist, dass es Räume ausschließlich für Trans oder Queere gibt. Schutzräume sind nach wie vor wichtig, damit es eine sichere Umgebung für uns gibt. Homophobie und Gewalt gegen schwule Männer sind immer noch in der Gesellschaft vorhanden und daher sind Schutzräume wichtig und zwar auch ausschließlich für uns. Das verbietet ja nicht die Möglichkeit, dass es dazu parallel auch Treffpunkte gibt, an denen die ganze Community zusammenkommen kann.
Der Verein richtet sich auch direkt an die ganze LGBTI*-Community und bittet um konstruktive Zusammenarbeit.
Mein Appell ist, vernünftig miteinander umzugehen. Wir sind weder Feinde noch böse Menschen. Es kann nicht sein, dass gender- oder queer-kritische schwule Männer als Nazis bezeichnet werden, nur weil sie sich kritisch äußern. Wir haben in diesem Land ein hohes Gut und das ist die Meinungsfreiheit sowie das Recht, Einspruch bei geplanten Gesetzen zu erheben. Die ganze Diskussion zum Selbstbestimmungsgesetz hat doch bisher nur zur Spaltung geführt. Einen Weg der Mitte gibt es offenbar derzeit nicht. Bist du “Für“ oder “Gegen“ Trans, so die Standardfrage. Alleine schon die Frage ist aber falsch. Es geht nicht darum, für oder gegen einen Menschen zu sein. Vielmehr müsste die Frage lauten, was wir tun können, damit alle mitgenommen werden. Wir sind gemeinsam im Regenbogen. Es muss aber in einer Demokratie möglich sein, zu kommenden Gesetzen eine offene Debatte führen zu können, ohne gleich pauschal verurteilt zu werden. Auch wird eines sehr oft verwechselt und vielleicht ist das auch ein Grund, warum eine sachliche Debatte kaum mehr möglich ist: Wir kritisieren nicht queere Menschen als solches. Es geht einfach darum, dass wir mit der aktuellen queeren Politik nicht gänzlich einverstanden sind und die Auffassung vertreten, dass diese mehr schadet als nützt.
Du hast das biologische Geschlecht als wichtigen Faktor erwähnt. Was erwiderst du dann all jenen, die sagen, es zähle nur, was jemand fühlt?
Gegenfrage: Was ist denn dann noch die Homosexualität, wenn das biologische Geschlecht abgeschafft wird? Die rechtliche Kategorie des biologischen Geschlechts muss erhalten bleiben. Alleine schon, weil die Grundlage für schwule Männer das biologische Geschlecht ist. Wir begehren Männer des biologischen Geschlechts. Diese Aussage ist keine Diskriminierung. Wenn jemand sagt, dass es unendlich viele Geschlechter gibt, so respektiere ich das. Ich kann nicht von anderen Menschen Meinungsfreiheit einfordern und diese dann selbst verweigern. Die Grenze ist aber dort, wo unsere Freiheiten und Rechte beschränkt werden. Dieses ewige Mantra, dass biologische Geschlecht sei queer-feindlich, erschließt sich mir nicht. Das eine muss das andere nicht ausschließen.
Also darf beides, das biologische und das soziale Geschlecht, als eigene Kategorie auch im Sinne des Vereins erhalten bleiben?
Ja, es muss sich nichts ausschließen. Gemeinsam im Regenbogen für ein Leben in Würde, Unversehrtheit und Freiheit und im gemeinsamen Kampf gegen rechte Politik, Ungerechtigkeit und Diskriminierung. Das hat uns doch Jahrzehnte lang zusammengehalten trotz aller Differenzen, die es immer gab. Die Frage ist nun, wie wir in Zukunft miteinander umgehen wollen. So wie die Entwicklungen derzeit sind, geht es nicht weiter. Es wird Zeit, Lösungen zu finden. Ein Miteinander ist wichtig und richtig. Es muss aber auch ein Nebeneinander geben dürfen. Meine und unsere Grenzen sind da, wo wir umdefiniert, beschränkt und diskreditiert werden.
ZUR PERSON
Florian GrellerFlorian Greller (42) hat Wirtschaftsrecht studiert, war viele Jahre lang in verschiedenen LGBTI*-Vereinen und Organisationen aktiv und hält bis heute Vorträge zu den Themen Politik und LGBTI*-Rechte. Zudem schreibt er in seiner Freizeit gerne Politikthriller. Derzeit absolviert er ein duales Studium zur männlichen Hebamme und erfüllt sich damit seinen Traum. Greller ist seit 22 Jahren mit seinem Mann zusammen, seit 2010 sind sie verheiratet und leben in Osnabrück.
Du bist durch deine jahrelange Arbeit in der Community auch in Kontakt mit vielen Homosexuellen – welche Erfahrungen schildern dir Schwule und Lesben in diesen Tagen?
Die Situation ist derzeit für alle untragbar, nicht nur für schwule Männer. Ich spreche mit allen aus der Gemeinschaft und wir sind im laufenden Kontakt. Viele sind einfach ratlos, wie es überhaupt so weit kommen konnte und sich eine derart toxische Stimmung entwickeln konnte. Hätte mir vor ein paar Jahren jemand erzählt, dass in naher Zukunft lesbischen Frauen Ungemach droht, weil sie Nein zu anatomischen Männern sagen, so hätte ich das für die reinste Dystopie gehalten. Ablehnung gehört zum Leben und ist nicht automatisch Diskriminierung, auch wenn es die persönlichen Gefühle verletzt. Frauenhass war, ist und bleibt anscheinend. Nur der Vorwand ändert sich ständig. Zusätzlich werden Frauen mit Hasssprache in Form des Begriffes “TERF“ überzogen und dieses Label scheinen manche als Freibrief zu verstehen, ihren Hass auf Frauen zu legitimieren. Wie kann es weiterhin sein, dass Transsexuelle öffentlich beleidigt werden, nur weil sie sagen, dass Gesetzesvorhaben Konsequenzen haben könnten, die beachtet werden müssen. Auch Transgender schütteln den Kopf über das, was derzeit passiert und finden sich zwischen den Fronten wieder. Es stimmt einfach nicht, dass es über das Selbstbestimmungsgesetz einen Konsens gibt. Es findet zusätzlich eine Selbstzensur statt und alle, die sich dann doch öffentlich äußern, droht weiteres Ungemach. Wer will sich dem noch aussetzen? Ich freue mich sehr über dieses Interview hier, dennoch schwingt ein Gefühl der Unbehaglichkeit mit, was dann passiert. Werde ich bald als Nazi, Menschenfeind, transphob oder homophob beschimpft? Leider werden die Gräben immer tiefer. Wir warnen davor, aber leider hören uns nur wenige von den politischen Verantwortlichen zu. Wenn viele aus dem Regenbogen nicht mitgenommen werden, so kann das nicht funktionieren. Nach derzeitigem Stand haben dann alle verloren und es wird nur verbrannte Erde hinterlassen.
Keine schönen Aussichten. Der Verein befürchtet auch, dass es ähnlich wie in derzeit den USA auch in Deutschland künftig zu einem Rollback kommen kann, also größere Teile der Gesellschaft sich wieder gegen die LGBTI*-Community richten. Warum?
Ja, wir gehen davon aus, dass es in naher Zukunft zu einem Rollback kommt, aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Die ersten Anzeichen sind bereits da, wenn man sich online die Kommentarspalten ansieht. Es gibt Menschen, die können und wollen dem Queer-Lifestyle nicht folgen. Sie sind grundsätzlich tolerant, stoßen aber hier an ihre Grenzen. Der Bogen wird für immer mehr Personen offensichtlich überspannt und es ist dann nur noch eine Frage der Zeit, bis sich immer mehr abwenden. Diese Omnipräsenz von queeren Themen beim ÖRR ist auch kritisch zu sehen, zumal der Eindruck erweckt wird, dass nicht alle Meinungen gehört und wiedergegeben werden dürfen. Es ist ja schön, dass uns der ÖRR nach langer Zeit endlich akzeptiert und dass ein schwuler Kuss mehr gefeiert als angefeindet wird, aber viele Menschen sind offenbar einfach nur noch genervt davon, dass sie gefühlt permanent damit konfrontiert werden.
Daran Anteil hat eurer Meinung nach auch der nationale Aktionsplan, der Ende 2022 vorgestellt worden ist. Wieso?
Für uns ist der vorgestellte Aktionsplan der Ampel-Koalition nicht gesellschaftsfähig. Die Mehrheitsgesellschaft wird das nicht mittragen. Bereits jetzt gibt es massiven Widerstand gegen einzelne Vorhaben und immer mehr Menschen äußern sich kritisch und lehnen den Plan klar ab. Eine überforderte Gesellschaft kann zu dem Punkt kommen, dass es jetzt genug sei und dann trifft es alle unterm Regenbogen, auch und vielleicht gerade schwule Männer und lesbische Frauen. Ich weiß, die Meinung kursiert, es bedürfe nur einer Gewöhnungsphase in der Gesellschaft wie damals bei der “Ehe für alle“. Der Vergleich hinkt aber. Wir haben seinerzeit nicht Frauen mit Hass überzogen, haben nicht eine Auflösung der biologischen Geschlechter gefordert oder haben Kritikerinnen und Kritiker grundsätzlich Phobien unterstellt und als politisch rechts bezeichnet. Wir haben nicht in die Familien eingegriffen und Entscheidungen von Kindern juristisch über die der Eltern gestellt oder Ordnungswidrigkeiten mit mehreren tausend Euro Bußgelder für falsche Ansprachen rechtlich verankern wollen. Wir müssen uns als schwule Männer bei all dem eines vor Augen führen: Die bisher erreichten Rechte für uns Homosexuelle sind ein fragiles Gut, welches uns jederzeit wieder weggenommen werden kann.
Warum schweigen dann noch so viele Homosexuelle dazu?
Nicht wenige sind schlichtweg überfordert mit der ganzen Thematik und gehen davon aus, dass sie das alles nicht betrifft. Ich kann ihnen das nicht zum Vorwurf machen. Die Thematik ist so komplex und vielschichtig geworden, dass nur wenige verstehen, um was es wirklich geht und winken ab. Andere haben schlicht Angst davor, in einen Shitstorm zu geraten und fürchten berufliche oder private Konsequenzen, wenn sie sich äußern würden. Im englischsprachigen Raum ist die Situation eine andere. Immer mehr Artikel werden veröffentlicht, die sich mit der Frage beschäftigen, warum so viele schwule Männer in Konflikt geraten mit queerer Politik. Dabei ist auch in Deutschland Eile geboten, dass endlich eine offene Debatte geführt wird mit Lösungen für uns alle. Wollen wir wirklich Verhältnisse wie in Großbritannien, wo die Zerwürfnisse immer offensichtlicher werden und eine Spaltung innerhalb des Regenbogens bald nicht mehr gutzumachen ist?
Das biologische Geschlecht ist eine Realität, aber es darf nicht länger Vorwand für die Zuweisung der Geschlechtsrolle sein.
Oftmals kocht gerade auch in den sozialen Medien die Wut sehr hoch, kannst du das verstehen?
Ja natürlich, und ich nehme mich da auch gar nicht aus, auch ich habe einige Male viel zu emotionale Tweets veröffentlicht, das war sicherlich falsch – aber ich habe daraus gelernt. Das war ein weiterer Grund für JUST GAY. Es ist der grundsätzliche Versuch, die Debatte auf allen Seiten wieder zu versachlichen, diesen Anspruch lege ich auch an mich selbst an.
Apropos Sprache, du hast mehrfach auch klar gemacht, dass du neue Bezeichnungen wie beispielsweise FLINTA oder “Mensch mit Hoden“ ablehnst. Was stört dich daran?
Ich empfinde es als pure Verachtung und auch als eine Beleidigung, Männer als Menschen mit Hoden zu bezeichnen und das ist auch die Mehrheitsmeinung der Männer von JUST GAY. Noch trifft es zumeist die Frauen mit allerhand Wortneuschöpfungen, aber es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis es auch uns Männer vermehrt trifft. Alleine schon, dass wir darüber ernsthaft diskutieren müssen, offenbart das ganze Dilemma.
Der Verein will sich auch gegen Homophobie und Hass auf schwule Männer einsetzen, zuletzt sind die Fälle von Hasskriminalität ja binnen eines Jahres um 50 Prozent angestiegen. Wie bemerkst du das?
Nun, zunächst, es hat sich natürlich einiges verbessert. Wenn ich die Welt vor zwanzig Jahren mit der heutigen vergleiche, ist viel Gutes passiert. Dennoch ist die Homophobie auch in Deutschland noch immer allgegenwärtig und auch alltäglich. Ich erlebe das sowohl ganz direkt aber auch unterschwellig, beispielsweise, wenn meine Nachbarn andere Nachbarn grüßen, meinen Mann und mich aber nicht. Oder wenn jemand auf der Straße im Vorbeigehen beleidigende Worte flüstert. Im Fitnessstudio stand ich erst neulich mit zwei Männern in der Umkleide, als der eine hinausging und dabei “dreckige Schwuchtel“ nuschelte. Homophobie ist immer noch in der Gesellschaft vorhanden. Weniger offensichtlich, aber sie ist da. Denken wir nur auch an die “schwule Sau“, die nach wie vor in jeder Schule zu hören ist. Kurz gesagt, ein neuer Verein, der sich gezielt für mehr Toleranz einsetzt, kann nicht schaden.
Der Verein lehnt auch Leihmutterschaft ab. Klare Ansage, auch auf die Gefahr hin, vielleicht schwule Paare mit Kinderwunsch vor den Kopf zu stoßen?
Es gibt kein Grundrecht auf ein Kind und die Leihmutterschaft ist nichts anderes als eine Ausbeutung von Frauen. Daher Nein, auch wenn es manche Paare vor den Kopf stößt. Persönliche Wünsche und Befindlichkeiten sind hier nachrangig.
Wir müssen uns als schwule Männer eines vor Augen führen: Die bisher erreichten Rechte für uns Homosexuelle sind ein fragiles Gut, welches uns jederzeit wieder weggenommen werden kann.
Der Verein ist auch für eine Grundgesetzänderung, um LGBTI*-Menschen besser zu schützen. Die Formulierung der „sexuellen Identität“, wie von der Ampel-Koalition geplant, lehnt ihr allerdings ab. Wieso?
Bis heute kann mir niemand juristisch eindeutig erklären, was denn eigentlich die sexuelle Identität ist. Wer fällt darunter? Nach meinem Verständnis ist die Identität in der vorliegenden Form alles, was das Individuum fühlt, bezogen auf das Geschlecht, die Sexualität und die persönlichen Vorlieben. Dieser Begriff ist alles und nichts und kann beliebig interpretiert werden. Sollte die sexuelle Identität in das Grundgesetz geschrieben werden, so könnte sich das schnell als ein Eigentor erweisen, gerade auch von juristischer Seite dürfte das zu vielen Debatten führen. Entweder ich verzichte also ganz auf diesen Begriff oder ich nenne eine klare Auflistung, welche Gruppen konkret geschützt werden sollen. Dabei müssen sich diese Gruppen juristisch sachlich definieren lassen können, was schwerfällt, wenn ein möglicherweise sich wechselndes Gefühl oder eine Vorliebe der Ausgangspunkt der eigenen Identität sind. Ansonsten kann sich unter dem Begriff der sexuellen Identität alles und nichts vereinen, auch jeder heterosexuelle Mensch. Die grundsätzliche Idee, bedrohte Minderheiten so unter den speziellen Schutz des Grundgesetzes zu stellen, wird so ins Lächerliche gezogen und am Ende obsolet.