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© sascha wunsch

Ausgequetscht Isabel Varell

vvg - 21.12.2025 - 14:00 Uhr
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Wir haben die Schauspielerin, Buchautorin und Sängerin zur Premiere ihrer neuen Tour besucht und sie am nächsten Tag getroffen, um einige Fragen zu stellen.

Isabel, du bist „Die, die immer lacht“?                                                                
Das stimmt so nicht: Natürlich gibt es von mir auch eine andere Seite. Ich habe auch mal einen Durchhänger, bin mal traurig oder muss mich verkriechen. Ich finde es aber schön, dass ich so wahrgenommen werde und ich werde auch oft so angekündigt. Aber ich spiele es nicht, sondern bin ein von Grund auf positiver Mensch. Ich habe die Energie, alles wieder ins Positive zu drehen. Das ist ein Teil meines Naturells und je älter ich werde, umso dankbarer bin ich, dass es so ist.

Warst du als Kind auch schon so positiv?
Ich war von klein auf ein sehr fröhliches Kind, obwohl meine Kindheit und Jugend nicht besonders schön war. Als Scheidungskind wurde ich bei der Mutter groß, die mit der Trennung nicht gut umgehen konnte und meinem Vater nie verzieh. Sie hat mich instrumentalisiert, hat mich meinem Vater entzogen und uns damit sozusagen bestraft. Ich habe nach dem Tod meiner Mutter die letzten drei Jahre im Leben meines Vaters Kontakt zu ihm gehabt und weiß heute, von wem ich meine positive Lebenseinstellung habe. Bei ihm wäre ich lieber aufgewachsen. Aber da es nun mal so war, bin ich vielleicht durch meine Suche nach Anerkennung bei der Mutter so geworden, wie ich heute bin.

Es gibt den Schlager „Hurra, Hurra, die Schule brennt" – wie war deine Schulzeit?
Die war für mich die Hölle, weil ich Legasthenikerin bin und man damals dieses Handicap noch nicht wahrnahm. Ich war immer das dumme Kind und wurde vor allem auch so behandelt. Ich bekam Schläge zu Hause und keine Anerkennung in der Schule, so versuchte ich durch mein aufmüpfiges, undiszipliniertes Verhalten Anerkennung anderweitig zu bekommen. In mir war immer Unruhe, ich konnte nie stillsitzen und habe wirklich unsinnige Sachen gemacht; bin dafür aber von der Klasse gefeiert worden. Einmal habe ich heimlich auf dem Schulklo geraucht und habe einen Haufen Toilettenpapier in der Schüssel angezündet. Erschrocken durch die riesige Flamme, habe ich gespült, das Becken war durch das Papier verstopft und so habe ich die gesamte Toilette geflutet. Da bin ich von der Schule geflogen.

Dann bist du als Twen nach Hamburg gezogen.  
Ja, aber vorher habe ich noch vier Jahre in München gelebt, das war eine wichtige Zeit in meinem Leben, Als dann die Angebote kamen, in Musicals mitzuspielen und zu moderieren wurde Hamburg mein Lebensmittelpunkt.

Als diese tolle Zeit und die vielen Engagements zu Ende gingen, hatte ich den Blues und HaPe - mein bester Freund -  riet mir, mich doch mal bei Drafi zu melden, den ich aus meiner Münchner Zeit kannte. Ich dachte Drafi will nichts mehr von mir wissen, nachdem vor acht Jahren eine kleine Liebelei unbedeutend für uns beide blieb. Aber Drafi freute sich und war bereit, mir bei meiner weiteren beruflichen Laufbahn zu helfen.

Ich mache auch kein Geheimnis daraus, dass ich mit Drafi Deutscher zusammenkam und verheiratet war. Als Scheidungskind hätte ich die Heirat für mein Glücklichsein nicht gebraucht, aber Drafi wollte es unbedingt und so habe ich seinen 30sten Antrag schließlich angenommen. Zuvor haben wir aber musikalisch zusammengearbeitet und dabei haben wir uns verliebt.

Das führte sogar zu einer Grad Prix Teilnahme und zu einer Tournee.
Ja, in Vorbereitung zum „Grand Prix Eurovision de la Chanson“, wie es damals noch hieß, ist „Melodie d’amour“ entstanden.

Und diese Tournee war Drafis erste große Tournee.
Aber der Veranstalter und sein Management wollten, Drafi auch, dass ich mitmache.

Das Management war es auch die unsere Hochzeit so pompös machten: Wir hatten 60 gute Freunde eingeladen und sein Manager Fritz Rau offenbarte uns, dass er noch 350 weitere Gäste eingeladen hatte. Da fanden wir uns plötzlich in einem riesigen Medienspektakel wieder, was wir so nicht gewollt hätten. Es war trotzdem toll und wir haben uns gegenseitig unterstützt und vorangebracht.

HaPe gab dir auch einen zweiten guten Ratschlag?                               
HaPe Kerkeling ist mein langjährigster bester Freund und er riet mir in einer Trauer-Phase aus meiner Lethargie mit ehrenamtlicher Arbeit herauszukommen. Er gab mir den Rat, bei der AIDS-Hilfe in Hamburg anzufragen; so bin ich für drei Jahre zu „Leuchtfeuer“ und der Arbeit im Hospiz gekommen. AIDS war zu der Zeit ein absolutes Todesurteil. Es war für mich Lebenshilfe pur, um mich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Ich habe gelernt ein Licht zu sein, für Menschen, deren Weg in die Dunkelheit führt. Heute mache ich viel Werbung für das Ehrenamt. Es ist nicht wichtig, dafür Applaus zu bekommen, sondern mit einer ehrenamtlichen Arbeit wichtige Botschaften zu senden.

Zum Beispiel wie „Kann denn Liebe Sünde sein"?
Das ist ein gemeinsam gesungenes Lied von HaPe und mir. Die Idee entstand bei unseren Spaziergängen und unserem Singen, etwas Gemeinsames zu machen. Es ist ein so tolles Lied mit einer Botschaft im Titel und einem sinnvollen Text. Das passt gut zum Thema HIV und AIDS – und wir stehen ja kurz vor dem Welt-Aids-Tag.

Ein weiterer guter Freund war Dicki.
Dirk Bach und ich haben uns sehr verbunden gefühlt und ich hätte gern mehr Zeit gehabt, um daraus eine Freundschaft wachsen zu lassen. In der Serie „Lukas“ haben wir in zwei Folgen zusammengedreht und natürlich bleibt sein Projekt „CoverMe“ unvergessen, bei der ich von Anfang an dabei war. Schön war auch die Zeit im Dschungel, obwohl wir da auf verschiedenen Seiten der Sendung spielten. Dirk war ein großartiger Mann.
 

Isabel Varell // © jessica su youn hucken

Du hast eine besondere Beziehung zu schwulen Männern, oder?
Für mich sind Freundschaften mit schwulen Männern immer ein Lebenselixier gewesen. Ich würde fast sagen: Sie sind mir sogar wichtiger als heterosexuelle Männer. Das Schöne und Tolle mit einem schwulen Mann befreundet zu sein, bedeutet, mit einem Mann befreundet zu sein, der nichts Sexuelles von dir will. Ein schwuler Mann bleibt ein Mann und ist keine Schwuppe! Schwule Männer haben eine Affinität zu Frauen, weil auch sie da echte Freundschaften finden und nicht begehrt werden.

Wann ist - für dich - ein Mann ein Mann?
Ganz bestimmt nicht durch die Penisgröße. Das denken die Männer vielleicht von sich; Männer sind ja komische Wesen. Ich frage zurück: Wann ist ein Mensch ein Mensch? Wenn er Gefühle zeigen kann und wahrhaftig ist. 

Du bist gerade auf Tour      
Ja, gestern hat meine Tour „Die guten alten Zeiten sind jetzt!“ begonnen. Das ist ein wenig „Best of “ aus bisherigen Programmen kombiniert mit ganz Neuem. Es gibt noch keine Kategorie, in die ich das einordnen könnte: Etwas Lesung mit Liedern, dazu kommen meine Gedanken zum Sein und zur Gegenwart. Ich habe keine Lust in Zeiten zu leben, die ich rückblickend erst zu den „goldenen“ erkläre. Ich lebe heute in meinen besten Zeiten.

Du singst unter anderem: „Ich wollte nie erwachsen sein!"
Ich liebe dieses Lied und mein erstes Buch beschreibt ja vor allem das Kind in mir, welches ich mir unbedingt erhalten möchte. Dazu suche ich, was mich als Kind ausgemacht hat, und was man mir inzwischen wegen gesellschaftlicher Normen aberzogen und wegoperiert hat. Nur so erkenne ich, wer ich heute bin.

Andre Frauen beschäftigen sich mehr mit „Bauch Beine Po“.
Mir tun die heutigen jungen Frauen leid, die unter diesem Schönheits-Druck stehen. Alle meinen, weil viele diesen großen Busen haben, muss jede Frau das haben. Ich kenne einige Frauen, die diesen Schritt inzwischen bereuen und sich die Implantate wieder entfernen lassen. Ich versuche zu vermitteln, dass man sich so annimmt, wie man ist, dass man die Angst verliert, älter zu werden, dass man den Mut hat, individuell zu sein und nicht wie alle, das gleiche „Schönheitsideal“ anstrebt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Botox auch im Gehirn irgendetwas verändert und nicht nur die Nerven und Muskulatur lähmt. Ich mache da nicht mit.

Aber Marathons machst du mit?
Ich bin mehrfach Marathon gelaufen: In Köln, Berlin, Wien, Hamburg, Amsterdam, New York und Venedig. Es ist ein unglaubliches Glücksgefühl, wenn du 42,195 Kilometer hinter dir hast und dich über die Ziellinie schleppst. Du hast etwas Unbeschreibliches geschafft und weißt, du kannst alles schaffen, was du dir vornimmst. Heute laufe ich immer noch, allerdings kürzere Strecken.

Und du liebst die „Freiheit“                                                                      
Ich liebe es zu Reisen. Ich habe mir extra ein größeres Auto gekauft, da ich nicht Campen möchte, aber trotz unabhängig sein will. Ich fahre kreuz und quer ins Blaue, z.B. durch Frankreich.

Wovor hast du Angst?
Ängste haben mich immer durchs Leben getragen, obwohl ich immer behaupte, ich habe vor nichts Angst. Das Schöne jetzt beim Älterwerden ist, dass sich die Ängste reduziert haben. Ich habe nur noch ein wenig Flugangst und ein bisschen Höhenangst je nach Tagesform. Aber ich habe keine Angst mehr auf der Bühne zu stehen; lediglich noch Lampenfieber vor Auftritten. Was mich allerdings sehr besorgt, ist die weltweite gesellschaftliche Entwicklung.

Wie siehst du dich in der Zukunft?
Ich werde noch eine geile Zeit vor mir haben. Und ich habe beschlossen eine „Coole Oma“ zu werden.

Eine Coole, die immer lacht! Vielen Dank, dass du Zeit für uns hattest.

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