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Simon Stäblein (links) und Torsten Schlosser // © vvg

Im Interview Simon Stäblein & Torsten Schlosser

vvg - 03.07.2019 - 07:00 Uhr

Simon Stäblein ist ein Stand-Up-Comedian und der aktuelle Moderator von NightWash. Torsten Schlosser ist ebenso Komiker und Moderator, sowie Spielleiter des bekannten Atelier Theaters. Beide Künstler leben in Köln und sind aktuell mit einem der renomiertesten Preise der Comedy-Szene, dem Stuttgarter Besen geehrt worden.

Herzlichen Glückwunsch, ihr seid mit dem „Stuttgarter Besen“ ausgezeichnet worden, heißt das, ihr seid böse, alte Hexen?
T: Na, das „alt“ habe ich ja mal überhört. Nein, der Stuttgarter Besen ist ein sehr renomierter Preis, ähnlich wie der Prix Pantheon in Bonn. Ich habe den „hölzernen“ bekommen und finde, der sieht gar nicht schlecht aus.

S: Ich bin ganz ohne Erwartungen hingefahren und habe mich dann sehr gefreut, als mir der Besen in Gold überreicht wurde. Und als armer Künstler freut es mich besonders, weil er sogar mit einem Preisgeld dotiert ist.


Die Auszeichnung ist nicht eure einzige Gemeinsamkeit…
T: Wir tragen heute beide ein schwarzes T-Shirt, sehen beide unheimlich gut aus, sind beide noch weit unter „30“ und wir sind beide homosexuell.

S: Stimmt, da wurden zwei schwule Kölner Comedians in Stuttgart ausgezeichnet.


Simon, du bist in Heustreu geboren, wo bitte liegt das, in Bethlehem?
S: Das liegt im äußersten Norden von Bayern, ca. 10 km vor Oberstreu. Ein sehr ländlicher Ort mit 1.200 Einwohnern und ebenso vielen Schweinen.

T: Da ist mein Leverkusen ja schon als Anti-Kopfschmerz-Zentrale ein wesentlich prominenterer Geburtsort.


Simon hat zunächst BWL studiert und als Diplom-Kaufmann gearbeitet, gab es bei dir Torsten auch ein Berufsleben vor der Comedy-Zeit?
S: Ich habe den Job nie angetreten. Ich wollte studieren und unbedingt nach Köln; das war dann mein Eintritt ins Stadtleben. Und da Köln Medien- und Schwulenhauptstadt war, konnte ich hier so leben, wie ich wollte und machen, worauf ich Bock hatte: Ich besuchte die Schauspielschule, arbeitete beim Radio und Fernsehen und fing parallel mit der Stand-up-Comedy an.

T: Ich bin auf die linke Rheinseite gezogen, weil die einfach attraktiver ist. Erlernt habe ich den Beruf des Grafikers und den auch 13 Jahre in einer Agentur ausgeübt. Irgendwann brachte mich das intellektuell und mental nicht weiter. Da bin ich auf die Bühne gegangen, was ich vorher nur aus Spaß gemacht hatte.

Wart ihr als Kinder schon Klassenclowns?
T: Ich fand mich schon immer witzig, es hat nur etwas länger gedauert, bis die anderen das gemerkt haben.

S: Ich war immer so ein Entertainment-Biest, ich habe die Aufmerksamkeit über meine große Klappe gewonnen. Und das klappt noch besser mit Witz. Da haben sich beim Reden die Gene meiner Mutter durchgesetzt.


Welches Bewusstsein war zuerst da: „Ich bin Comedian" oder „Ich bin schwul"?
S: Der Schritt vom witzigen Typ bis hin zum Berufswunsch erfolgt später. Der frühere „So-ist-es-Beschluss“ ausgelöst durch die schwulen Tendenzen fangen in der Pubertät an. Wir kennen doch alle diesen Prozess der Verdrängung.

T: Ich sehe das auch so. Aber die Tatsache, dass man Comedian und schwul ist, liegt oft zusammen. Sieht man sich z.B. eine CSD-Parade an, entdeckt man dabei eine Menge Comedians.

S: Sehr viele Schwule sind in der Medienbranche und darunter sind überdurchschnittlich viele Entertainer und Rampensäue.


Wie war euer 1. Mal?
S: Sowohl mit einem Mädchen als auch mit einem Jungen war es beide Male furchtbar. Mit 15 mit einem Mädchen machte man es nur, weil es alle Jungen machten; mit 19 dann mit einem Mann. Beide Male waren nicht der Bringer. Es war eher das Emotionale, als das Sexuelle, was einen danach wurmte. Danach ging es bergauf und entwickelte sich positiv.

T: Ich hatte außer Petting nie Sex mit Mädchen, und das auch nur aus Grund der Erwartungshaltung des Mädchens. Ich wollte das nie. Mit 19 hatte ich meinen ersten Freund und danach auch meinen ersten Sex; genau in dieser Reihenfolge.


Gab es Probleme beim Outing?
T: Ich habe zwei ältere Schwestern, das waren die ersten Personen, die ich damit konfrontiert habe. Die Reaktionen waren super.

S: Witzig, auch ich habe zwei ältere Schwestern, das waren auch bei mir die ersten, denen ich mich anvertraut habe. Das Outing bei den Eltern kam erst vier Jahre später.


In euren Solos geht es auch um schwule Themen, gab es da auch negative Reaktionen?
T: Ich mache die Erfahrung, dass das Publikum, je nachdem wo man auftritt, schon unterschiedlich reagiert. In den Großstädten ist das kein Thema, die Leute in den kleineren Orten brauchen schon etwas länger, um damit warm zu werden. ich schocke ja auch ganz gerne und oute mich. Die Leute spüren, dass ich ihnen den Ball einer Reaktion zuwerfe und wie sie damit umgehen und reagieren, ist schon unterschiedlich.

S: Man sollte immer zu sich stehen und seinen Weg gehen, denn dann führt es einen auch an die richtigen Plätze. Ich habe mich lange nicht getraut, Stand-up zu machen, weil ich Angst vor Reaktionen hatte. So erging es mir auch mit dem Thema Homosexualität. Irgendwann habe ich mich entschieden, erst Stand-up und dann das Thema Schwulsein umzusetzen. Dieser Aufritt wurde im Radio gesendet und in Aachen von einem jungen Mann gehört, der mich daraufhin angeschrieben hat. Heute bin ich mit diesem Mann seit dem 11. 12. 2017 verheiratet. Also die Schritte und der Mut haben mich dahin geführt, wo ich heute bin: in eine erfolgreichen Künstlerkarriere und eine glückliche Ehe.

Torsten, bist du ebenfalls verheiratet?
T: Nein, ich bin aber in einer 4 ½ jährigen Partnerschaft. Ich darf ja nicht heiraten, da ich ein großer Kritiker der „Ehe für alle“ bin.

Helfen euch eure Partner, wenn ihr ein neues Stück erarbeitet?
S: Mein Mann ist ein Möchtegern-Comedian, der selber gerne ein Star wäre. Er hält sich für den lustigsten Menscher der Welt. Wenn ich ihn um Rat frage und er mir sagt, dass das nicht bühnentauglich ist, weiß ich, dass das auf der Bühne ankommt. Und wenn er etwas für lustig und gut befindet, ist das für mich ein Zeichen, dass ich das Streichen kann. (lacht)

T: Ich frage meinen Freund nicht, ob er etwas gut oder schlecht findet, denn wir haben grundsätzlich einen anderen Humorgeschmack. Aber er kann schon etwas damit anfangen, was ich mache. Und es ist schon vorgekommen, dass ich Sachen auf der Bühne gespielt habe, wo er mir aufgezeigt hat, dass ich dazu noch eine Zusatzerklärung geben muss, damit das besser verstanden wird. Er geht da mehr analytisch dran.


Habt ihr Kontakt zur Szene?
S: Das Feiern ist durch meinen Mann und meine abendliche Auftritte weniger geworden. Ich spiele beim schwulen Sportclub Janus Tennis, habe beim CTC-Promispiel mitgekickt und moderiere beim Kölner CSD zusammen mit Bettina Böttinger die WDR-Gala im Gloria. Bei queeren Charity`s mache ich immer gerne mit, wenn die Zeit es mir erlaubt.

T: Ich arbeite ja meistens auch abends; und Sport? Ich bin nicht der sportafine Typ.


Welche Themen sind bei euch Tabu?
T: Ich würde über alles reden, solange meine Sicht, die ich darauf habe, für mich und das Publikum interessant ist.

S: Es darf keine Tabu-Themen geben, was bei der gegenwärtigen political Corectness schwer ist. Man kann bald keine Witze mehr machen, über Immigranten, Frauen, Männer oder Randgruppen, damit keine Klage droht. Da müssen wir wieder entspannter werden. Solange man nicht gezielt mit einem Witz jemanden verletzten möchte, ist es im Sinne des Witzes. Es muss Satire-Freiheit geben. Ein Herr Böhmermann zeigt beispielhaft auf, welche Macht ein Witz haben kann, sogar Regierungen stürzen.


Eure Solos „Heul doch!“ und „Ich hab die Schnauze voll!" klingen aggressiv: Wollt ihr das Publikum aus der Reserve locken?
T: Ja, meine Art auf der Bühne ist ja eher ein bisschen cholerisch angehaucht. Ich finde es spannend, zu beobachten, wie Leute darauf reagieren. Ich mag es, nicht immer eine klare Aussage zu machen, sondern es den Leuten zu überlassen, wie sie das interpretieren und sich damit gedanklich auseinandersetzen.

S: Ich möchte nicht bewusst provozieren. Es geht mir vor allem um das Geheule auf hohem Niveau und über Probleme, über die andere Leute nur lächeln. Ich bin zwar ein Sympath auf der Bühne, aber ich kann auch böse sein und fiese Aussagen machen. Also „Heul doch!" entweder über deine Problemchen, oder weil es dir hier jetzt zu hart wird.


Wovon habt ihr die Schnauze voll – was ärgert euch?
S: Umweltverschmutzung! Mich ärgert, wenn Leute ihre Zigarettenkippen auf die Straße werfen. Wenn man unnötig Plastiktüten benutzt, sowie jede Art von Verschwendung. Mich ärgert, wenn demnächst mehr Plastiktüten als Fische im Meer schwimmen.

T: Ich bin nicht so leicht sauer zu kriegen. Mir geht es auf den Nerv, wenn sich Menschen zu ernst und zu wichtig nehmen und dadurch zu unentspannt sind. Und mir geht die Entwicklung, das jeder meint respektlos sein zu können, ziemlich auf die Nerven; besonders im Onlinebereich.


Wir wollen den Spieß rumdrehen? Könnt ihr eurem Gegenüber mal was Nettes sagen?
S: Ich finde es sehr lustig, was Torsten sagt. Er hat sehr gute Jokes, die mich sehr amüsieren. Und das sage ich nicht von vielen Comedians.

T: Ich habe große Hochachtung davor, wie du auf die Bühne gehst und die Leute sofort einfängst. Ich habe immer das Gefühl, nach knappen fünfzehn Sekunden hast du alle Sympathien. Das ist eine Kunst, die man nicht erlernen kann, die muss man haben. Und du hast die.

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