Im Interview Désirée Nick
Désirée Nick ist Entertainerin, Schauspielerin, Sängerin und Autorin, die durch die Direktheit ihrer Sprüche als provokante Kabarettistin in der deutschen Medienlandschaft nicht mehr weg zu denken ist.
Deine Titel im Leben und auf der Bühne reichen von: Diva, Dame der Gesellschaft, Dschungelkönigin, Superstar, Legende, ein Mädchen aus dem Volke, Zirkusprinzessin und Traumfrau. Wie würdest du dich selbst beschreiben?
Ich bin eine Mischung aus alledem und damit die vielseitigste Künstlerin Deutschlands, die mühelos den Spagat zwischen Trash und Hochkultur beherrscht. Ich vermische das alles zu etwas Eigenem und Neuem. Und vor allem bin ich ein Original und habe noch nie jemanden kopiert - dafür versuchen andere jedoch, mich nachzumachen, allerdings bleibt es beim kläglichen Abklatsch.
Du hast ein gutes Händchen bei deiner Rollen-Auswahl, zwei Mal hast du dir Diven ausgesucht, denen Hollywood ein filmisches Denkmal gesetzt hat. „Florence Forster Jenkins“ spielte Meryl Streep, bei „Bette & Joan“ waren es Joan Crawford und Bette Davis. Wenn Hollywood dein Leben verfilmt, wer sollte dich spielen?
Früher wäre es Helen Mirren gewesen, sie ist aber jetzt 15 Jahre älter als ich. Die guten Rollen habe ich alle selbst entdeckt und bin damit hausieren gegangen bei den Theatern, angeboten wurden sie mir nicht.
Nach „Florence Forster Jenkins“ verkörperst du erneut eine Sängerin, die nicht singen kann: „Blandine Ebinger“, nach welchen Kriterien hast du dir diese Rollen ausgesucht?
Diese Figuren liegen mir halt. Es ist eine Spezialbegabung dieser Sprechgesang des Chansons, Lotte Lenya hat auch eher gegurrt und gekrächzt, als gesungen und gerade durch ihre exzentrische Ausdruckskraft waren diese Ikonen große Künstlerinnen. Sie waren eine Marke mit Profil, unverwechselbar und eine große Inspiration. Sie hatten Charakter und haben was Neues geschaffen, damit kann ich mich identifizieren. Es waren zwar keine Operndiven, aber man kann auch nicht sagen, dass sie nicht singen konnten.
Wir könnten uns auch gut vorstellen, dich in den Rollen einer Valeska Gert, Helen Vita, Ursula Herking, Hanne Wieder oder einer Edith Hancke auf der Bühne zu sehen? Gibt es überhaupt noch eine Traumrolle für dich?
Aber natürlich, die wenigsten Rollen habe ich doch gespielt … Allen voran wäre meine Traumrolle „Hello Dolly“, das liegt mir auch, ebenso wie „Gypsy“. Auch Stephen Sondheim hat viel geschrieben, was mir liegt. Im Theater würde ich gerne „Süßer Vogel Jugend“ spielen und tolle Zwei-Personenstücke; also Beziehungsdramen. Im Grunde kann ich alles spielen, aber es wird seltenst nach Qualifikation besetzt, sondern nach zahllosen anderen Zufällen entschieden.
Blandine Ebinger wurde 94 Jahre alt. Du hast dich auf der Bühne mit „The Joy of aging and how to avoid it“ und in deinem Buch „Gibt es ein Leben nach 50“ mit dem Alter beschäftigt. Hast du selbst Angst vor dem Altsein?
Nein, ich werde ja immer besser und schöner. 60 ist heute wie 40 und für Diven kommen die besten Rollen erst ab einem gewissen Alter. Meine Idole waren alle erst ab 70 auf dem Zenit!
Wärst du in der heutigen Zeit gerne noch einmal Teenager/Twen?
Nein, nicht so gerne, außer mit viel Geld. Aber dieses Rattenrennen mit dem Posing nach immer demselben Schema auf den sozialen Netzwerken hätte mir gar nicht gefallen. In einer Welt voll von Kardashians, die alle ihre getunten Gesichter promoten, dann aber krumme Beine und einen fetten Arsch haben, also ein völlig falsche Bild kreieren, wäre ich immer lieber die „Diana“ gewesen. Sie hatte Klasse, Stil, Eleganz, Noblesse, das war ein Vorbild für mich. Die Welt krankt an einem massiven Qualitätsverlust.
Frau Wollersheim lässt sich Rippen rausnehmen, um gut auszusehen. Wird der Jugend- und Schönheitswahn heutzutage übertrieben?
Das hat doch mit Schönheit nichts zu tun. Im Gegenteil, es sieht abnorm und verunstaltet aus. Weil sie jedoch untalentiert ist, ist es das Einzige, womit die glaubt, aus dem Rahmen fallen zu können und im Panoptikum Las Vegas auftreten zu dürfen.
Wie hältst du dich und deinen Körper in so guter Topform?
Da hilft mir natürlich die Bühne und ich bin mit guten Proportionen gesegnet, habe einen langen Hals und gute Beine, das verändert sich nie. Egal wie man aussieht, wenn die Proportionen nicht stimmen, kann man Schönheit nicht suggerieren; das hat nämlich mit Grazie zu tun und nicht mit dick angeklebten Dauerwimpern.
Wovor hast du Angst?
Vorm Finanzamt, weil die brutal sind, unfair, ungerecht und nicht differenzieren. Ich passe da in keine Schublade und dafür werde ich doppelt bestraft.
Macht dir die Politik Angst – würdest du selbst in die Politik gehen und was würde du verändern?
Ich wäre eine gute Politikerin geworden und finde auch schade, dass ich mit meinen Fähigkeiten nicht mehr bewegen kann. Vor allem wäre ich eine sehr gute internationale Diplomatin geworden, weil ich so total undeutsch bin und die unterschiedlichsten Menschen zueinander führen kann. Richtig aufgehoben wäre ich ad hoc in der Berliner Kulturpolitik, aber da werden Positionen prinzipiell nur von Amateuren besetzt.
Du bist 2009 in die Show: „Die Promi-Singles – Traumfrau sucht Mann“ gegangen, um einen Mann kennen zu lernen. Hast du den Eindruck, Männer haben großen Respekt vor dir?
Kommt auf den Background an. In meinem Alter sind tolle Männer vergeben oder schleppen Altlasten mit sich herum. Mit einer Künstlerin zusammen zu sein, ist auch etwas, was die meisten Männer überfordert. Sie haben von meinem Leben nicht die geringste Ahnung. Für „Touch & Go“ bin ich nicht zu haben, das interessiert mich nicht.
Hättest du gerne eine eigene Sendung - wenn ja, wie müsste diese aussehen?
Darüber habe ich vor 20 Jahren fabuliert und ich wiederhole mich nicht. Es gibt jede Menge Formate, die auf mich passen würden, zumal wir ja kein eigenes TV in Deutschland haben, sondern allesamt britischen Formaten nachäffen. Der britische Humor liegt mir 100%, somit gibt es viele Konzepte, die mir total entsprechen; aber welche Frau von Format hat im deutschen TV schon eine eigene Show?
Du bist immer tough und voller Power – gibt es auch eine sensible Seite – kannst du weinen?
Ich habe doch sogar auch im TV bei „Big Brother“ viel geweint. Eigentlich nur, weil es so langweilig war und man dort über Kleinkram nachdenkt, mit dem man sich sonst gar nicht aufhält. Es gibt 1000 Gründe zu heulen, aber mein Job ist der Frohsinn und was mich wirklich bewegt, trage ich nicht nach außen.
Was bringt dich auf die Palme – und wie kannst du danach am besten wieder runterkommen?
Unmenschliche Verwaltungsangelegenheiten in der Dienstleistungswüste Deutschland und im kleineren Kreis: Verlogenheit. Auch schlechte Schauspieler und schlechte Regisseure, denen aber großer Spielraum gegeben wird und die sich überall einnisten wie die Zecken. Viele arbeiten ja auch inzwischen zu Dumpingpreisen und dann ist eben Qualität das letzte, was eine Rolle spielt.
Du hast als junges Mädchen professionell Ballett getanzt - Ballett ist eine stumme Kunstform, wann ist dir klar bewusst geworden, dass du auch mit spitzer Zunge Pirouetten drehen kannst?
Ballett ist leider sehr aus dem Fokus der Öffentlichkeit geraten, keiner promoted Ballett so, wie es der klassische Tanz verdient hätte. Es ist die edelste Kunstform überhaupt, aber nur ein illustrer kleiner Kreis folgt dieser Kunst. Es ist schön, dass ich sowohl den stummen Gestus beherrsche, als auch im Schauspiel zuhause bin - ich kenne keine andere Ballett-Tänzerin, die diesen weiten Weg gegangen ist.
Hat man noch Freunde, wenn man - selbst auf künstlerisch hohem Niveau – seine Mitmenschen kritisiert?
Ich habe mehr Freunde als genug und wer nie kritisiert, dessen Lob bedeutet auch nichts, weil sich alles relativiert. Was bedeutet Freundschaft noch, wenn man jedermanns Liebling und Freund ist? Gar nichts!
Nach deinen Ballettjahren hast du katholische Theologie unterrichtet, sollte man nicht laut Gebot „Seinen Nächsten lieben, wie sich selbst“? Gehst du mit dir selber auch so hart ins Gericht?
Und vor allem besagt die Bibel, das man den Nächsten auf gar keinen Fall mehr lieben soll, als sich selbst! WIE Dich selbst, nicht MEHR als Dich selbst. Selbstaufgabe fordert nicht einmal unser Christentum.
2004 hast du das Dschungelcamp als Königin verlassen, zehn Jahre später warst du Kandidatin in der 3. Big Brother Staffel; David Odonkor, dein Mitbewohner aus dem Promi-Haus, tanzt gerade bei „Dance, Dance, Dance“. Hat man dich dazu oder zu „Let`s Dance“ noch nicht eingeladen?
Bei „Let‘s Dance“ arbeiten nur Kandidaten, die nicht im „Dschungelcamp“ waren; dort wäre mein Platz in der Jury! Denn es ist ein Format für Amateure, die mit einem Profi-Tänzer_In ein Paar bilden. Aber woher soll ich wissen, warum man mich da nie gefragt hat? Wahrscheinlich bin ich nicht dabei, weil ich keine Sprachstörung habe. Der Einzige, der da ordentlich deutsch sprechen kann, ist Herr Llambi und der weiß, dass ich Ballettprofi bin; also hat er Angst vor mir.
Ein Solo von dir hieß „Hängetitten de Luxe“ – Eine Frau ist heute erst Frau, wenn sie den Playboy schmückt. Würdest du dich, wie viele deiner Kolleginnen, nackt fotografieren lassen?
Früher wäre das ein Skandal gewesen in meinem Alter auf dem Playboy zu sein, aber das sind wirklich alles Jobs für Leute, die nichts anderes können. Nacktheit ist doch heute normal, in den Clubs in Berlin laufen alle fast nackt rum und ich finde das gut so, weil es nämlich gar keinen interessiert, ob jemand etwas anhat oder nicht.
Der Name „Schwulissimo“ sagt ja schon einiges über uns aus: Wie ist dein Kontakt zur schwul-lesbischen Szene?
Nun ja, ich bin ein Produkt derselben und habe dort seit Jahrzehnten eine stabile Community. Was wäre die Welt ohne all die Vielfalt der LGBT-Varianten? Diese sind genauso facettenreich wie das Musiktheater. Ansonsten bestünde die Welt aus schlechten Haarschnitten, wenig Musik und Null Haute Couture. Die Schwulen haben nun einmal mehr Humor, als all die anderen und eine ausgeprägte, künstlerische Ader; das kommt mir sehr entgegen.
Hat nie ein „kesser Vater“ versucht, dich anzugraben? Hattest du selbst jemals homoerotische Erlebnisse?
Immer wieder stellen mir Mädels nach und ich finde einige Lesben sowohl attraktiv als auch bewundernswert. Sie gehen eben nicht den bequemen Weg, leben eine Alternative, passen sich nicht unreflektiert an, obwohl sie natürlich die Kunstszene nicht annähernd so befruchtet haben, wie die schwulen Männer. Vom Frohsinn der Tunten sollten sich die Lesben mal was abschneiden. Niemals aber könnte eine Frau für mich das ersetzen, was ein Mann ins Leben bringt, ich will ja nicht zweimal dasselbe im Leben haben, quasi mein Duplikat, sondern eine Ergänzung und den Kontrast zu mir.
Unsere Monatsumfrage beschäftigte sich zuletzt mit Trans-Menschen. Wie denkst du darüber?
Ich bin froh, dass wir heute eine Vielzahl sexueller Orientierungen kennen: demisexual, Dragking, Fag, pansexual, heteronormativ, pro maskulin, non binary. Die Zeiten sind vorbei, wo man nur drei sexuelle Orientierungen kannte: „Hetero, Homo und Volksmusikkünstler“. Ich würde nie jemanden wegen seiner sexuellen Orientierung verachten und kann allen nur viel Glück wünschen, auf dem langen Weg, der vor ihnen liegt.
Du hast mal gesagt, „Ich liebe es, auf der Bühne die Sau rauszulassen …“ Was hast du für Tabus?
Keiner hat je etwas über meine Familie von mir gehört, gelesen und jeder weiß, dass ich meine Verwandtschaft strikt aus den Medien raushalte. Aus gutem Grund. Ich bin keine der Prominenten, die ihren Bauch und ihre Kinder und deren Persönlichkeitsrechte verkaufen. Damit kann man ja auch Karriere machen. Siehe die Geissens.
Wie siehst du deine Zukunft und welches werden deine nächsten Highlights sein?
Erstmal bin ich damit beschäftigt, meine wunderbare Show über Blandine Ebinger in alle deutschen Haushalte zu tragen. Blandine war eine Künstlerin der Goldenen 20er, die ohne mein Engagement in Vergessenheit geraten würde und für die Friedrich Holländer alle seine Werke schrieb. Niemand kann Blandine so verkörpern wie ich. So wie sie damals die Seele von Berlin war, bin ich genau das jetzt. Ich freue mich auch darauf, dass ich bei Carmen Nebel in der Weihnachtsshow zu Gast sein werde und in Berlin in der Komödie am Kurfürstendamm wieder mein tolles Weihnachtsprogramm „I feel betta with Lametta“ aufführen werden. Deswegen spiele ich am 23., 25. und 26. Dezember und feiere das Fest mit meinem Publikum!
Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Désirée Nick im Oktober 2017 geführt.