Happy Birthday Pulverfass Cabaret
Das Pulverfass Cabaret, auf der sündigen Meile Hamburgs, ist Europas bekanntestes Travestie-Cabaret und feiert in diesem Jahr unter der Leitung von Direktor Heinz-Diego Leers, sein 45-jähriges Bestehen. Zum 45. Geburtstag gibt es natürlich ein spezielles Jubiläums-Programm. Heinz-Diego Leers und die Stars der Travestie laden zu einer neuen und einzigartigen Show ein. Schwulissimo sagt: Happy Birthday und wünscht natürlich nur das Beste für die nächsten Jahre! Bei der Gelegenheit haben wir uns den Direktor Heinz-Diego Leers höchstpersönlich geschnappt und mit ihm über die letzten 45 Jahre geplaudert.
Was hat Sie vor 45 Jahren dazu bewegt, eine solche Show auf die Beine zu stellen?
Meinem Vater gehörte auf St. Georg das Grundstück vom alten Pulverfass im Pulverteich. Da war der Pachtvertrag ausgelaufen. Zeitgleich war meine Ehe kaputt. Meine Frau hatte damals erfahren, dass ich Sex mit Männern habe und bisexuell bin. Da hat sie mich vor die Wahl gestellt: Entweder, oder. Das konnte ich nicht und unsere Beziehung fand damit ihr Ende. Ich hatte früher zwei SPAR Supermärkte, die haben wir dann verkauft, weil die Ehe kaputt war und alleine wollte ich das nicht weiter machen. Mein Vater hatte mir das Objekt des Pulverfasses angeboten. Ich habe mich dafür entschieden und wollte dort eine Disco für Schwule eröffnen. Der Direktor vom Chez Nous in Berlin war so freundlich und hat mir Travestiekünstler zur Eröffnung geliehen und zusätzlich habe ich noch zwei tunesische Gogo-Boys organisiert. Die waren dann auf einer runden Bühne, die mit Seilen von der Decke runterkam. Als die Eröffnungstage endeten, fragte mich jemand, warum ich das nicht weiterhin mache und die Travestie beibehalte. Schwulenbars gab es damals sehr viele, aber solche Showeinlagen gab es nicht mehr seitdem die Barcelona Bar geschlossen hatte.
Mittlerweile kann man sagen, dass aus unserem Haus, fast jeder gute Travestiekünstler kommt. Olivia Jones beispielsweise hat bei uns damals den Travestie Nachwuchs Wettbewerb gewonnen.
Macht Sie das sehr stolz, dass die großen Travestiekünstler bei ihnen angefangen haben?
Ja, natürlich freut mich das. Aber manche leugnen es mit der Zeit auch, weil sie dann Theater spielen oder im Fernsehen auftreten. Ich verstehe nicht, warum sie nicht einfach sagen, dass sie aus dem Pulverfass kommen. Da kann man doch stolz drauf sein.
Wie hat sich die Show im Laufe der Jahre verändert?
Wenn ich ganz ehrlich sein soll, war die Show früher ein bisschen mehr Sex. Wir hatten mehr Striptease und halb nackt. Heute geht es eigentlich mehr in die Theater-Branche. Es ähnelt mehr einer Las Vegas Show oder denen in Paris.
Wie viel Anteil haben die Künstler selbst an ihrem Programm? Holen sie sich Ratschläge von Ihnen?
Das meiste machen die Künstler selbst. Wir haben ja im Januar immer diesen Nachwuchswettbewerb und wenn Leute da mitmachen wollen, dann lege ich ihnen immer schon nahe, was wir suchen. Wir brauchen mehr Komik, oder mehr Gesang etc.
Gab es in den 45 Jahren ein ganz persönliches Highlight für Sie?
Wenn ich ganz ehrlich bin, dann war das alles ein Highlight. Es bringt so viel Spaß für mich als Chef. Unsere Pulverfass-Clique ist eine große Familie geworden. Ich fühle mich so wohl, weil wir uns alle lieben. Jeder Tag hier ist für mich eine Freude. Was Besonderes ist es eigentlich nur, wenn viel Prominenz kommt. Wie damals James Last. Viele kommen auch heute noch, wie Mary Roos, Andrea Berg oder Udo Lindenberg.
Gibt es Anekdoten? Geschichten, die sie nie vergessen werden?
Ja, ich war ab und zu peinlich. Die ersten Jahre, habe ich im alten Pulverfass die Diskothek und die Ansagen gemacht. Dann musste ich die CDs für die Playbacknummern managen und dann habe ich auch mal die falsche Seite eingelegt. Heute läuft das mit dem Licht ja alles über Computer und damals noch mit Sicherungsschaltern. Dann haben die Artisten immer gesagt, sie möchten ihren freien Tag haben, wenn ich das Licht mache. Wenn ich gefragt habe warum, dann bekam ich die Antwort, dass ich von allen das schlechteste Licht mache. Ich hab die Schalter hoch gemacht und dann war gut, doch die Künstler wollten stimmungsvolles Licht, auch in verschiedenen Farben.
Wenn Sie die Zeit zurück drehen könnten, würden Sie alles nochmal genauso machen, oder etwas ändern?
Ich würde alles nochmal genauso machen. Ich war ja auch damals der erste, der neben den Shows auch das Essen angeboten hat. In Paris war das damals so üblich. In Hamburg hat das niemand gemacht.
Hätten Sie zu Beginn gedacht, dass das Pulverfass einmal so bekannt wird und auch einen internationalen Ruf hat?
Nein, überhaupt nicht. Aber da haben auch die ganzen Artisten mitgeholfen, die ich auch aus dem Ausland geholt habe. Zum Beispiel aus Brasilien oder Frankreich.
Hören Sie auch mal Kritik? Oder immer nur Lobeshymnen?
Es gibt durchaus auch mal Kritik. Da kam auch mal eine Frau und sagte, dass unsere Show furchtbar ist, aber das einzig Gute, wäre der Stripper gewesen. Die war nur geil auf den Jungen und der Rest hat sie einfach nicht interessiert. Es gibt auch Frauen, die das nicht so toll finden, wenn ihr Mann daneben begeistert schaut. „Jetzt guck doch nicht so“, heißt es dann. Aber das ist gar nichts gegen die Standing Ovation, die es hier jeden Abend gibt.
Kam Ihnen jemals der Gedanke aufzuhören?
Nein, gar nicht. Ich bin jetzt 74 Jahre alt, nun muss ich langsam mal daran denken. Nur muss man für so einen Laden ja auch erstmal einen Nachfolger finden. Ich bin alleinstehend und meine Tochter hat ihren eigenen Erfolg, die möchte das nicht machen.
Haben Sie das mit der Travestie selbst einmal ausprobiert?
Nur einmal beim Fasching habe ich mich mal als Frau verkleidet und jemand hat mich geschminkt. Aber nur einmal, sonst nie wieder.