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Queerpolitik in Hamburg
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Linke Queerpolitik in Hamburg Hamburg könnte bei LGBTIQ+-Projekten besser sein, kritisiert Dr. Carola Ensslen

ms - 28.02.2025 - 14:00 Uhr

Die Linksfraktion kämpft dafür, auch bei der kommenden Bürgerschaft in Hamburg möglichst stark vertreten zu sein. 2020 erreichte die Partei 9,1 Prozent der Stimmen, in den jüngsten Umfragen von Februar (Infratest dimap) kam die Partei auf gut sieben Prozent. Für die Linkfraktion ist klar: Im Bereich LGBTIQ+ könnte vieles besser laufen. SCHWULISSIMO fragte nach bei Dr. Carola Ensslen. 

Hasskriminalität gegenüber queeren Menschen ist in Hamburg ein besonders großes Problem. Sie sagen: Die rot-grüne Bürgerschaft nimmt das Thema nicht ernst. Wo sehen Sie die Fehler?

Erst einmal: Die oft rechtsextreme Hasskriminalität steht am Ende eine Spirale der Diskursverschiebung hin zu mehr tolerierter Queerfeindlichkeit in Gesellschaft und Politik. Das oberste Gebot ist, dass es erst gar nicht dazu kommt. Wenn es aber zu einem Angriff gekommen ist, ist die Hürde für LSBT*IQ+ Menschen, eine Anzeige zu erstatten, aufgrund der Geschichte staatlicher Kriminalisierung queerer Lebensweisen nach wie vor hoch. Dementsprechend hoch ist auch die Dunkelziffer. In Hamburg gibt es die Ansprechpersonen der Polizei. Das ist eine wichtige Anlaufstelle. Bei der Staatsanwaltschaft gibt es aber weder eine Spezialabteilung für Hasskriminalität gegen LSBT*IQ+ noch eine persönliche Erreichbarkeit. Bei queerfeindlichen Übergriffen müssen alle Anlaufstellen so niederschwellig wie möglich ausgestaltet und Ängste vor Diskriminierung abgebaut werden.

Eines Ihrer politischen Ziele ist es, dass niemand abgeschoben wird und legale Wege nach Europa, Deutschland und Hamburg für Schutz suchende Menschen geschaffen werden. Ein Thema, das insbesondere auch queere Flüchtlinge betrifft. Andererseits sehen das auch einige in der Community kritisch und tendieren inzwischen zu einer anderen Migrationspolitik. Ihre Einschätzung?

Hier gilt für alle gleichermaßen, dass die aufgeheizte Debatte über Migration verständlicherweise Ängste schürt. Es entsteht ein verzerrtes Bild der realen Gefahren für die Sicherheit. Die Gefahr, ermordet zu werden, ist in Deutschland konstant sehr niedrig und lag 2023 bei 0,8 Fällen pro 100.000 Einwohner*innen. Oft handelt es sich um häusliche Gewalt. Antimuslimische Narrative von Friedrich Merz und Co., wie das der ´kleinen Paschas´, wirken. Das führt auch zu einer Überschätzung des Anteils von Muslim*innen an der Bevölkerung, der nur etwa bei 6,7% liegt. Auch die Debatte über Queerfeindlichkeit von Muslim*innen wird wenig sachlich geführt. Bemerkenswert daran ist, dass ausgerechnet Konservative an dieser Stelle ihr Herz für LSBT*IQ+ Menschen entdecken. Auch wenn Muslim*innen in der Regel nicht aus offenen Gesellschaften kommen, ist Queerfeindlichkeit genauso wenig ein spezifisch islamisches Problem wie es ein deutsches oder christliches Problem ist. Dennoch gibt es sie. Das bekommen queere Geflüchtete in Sammelunterkünften zu spüren. Sie brauchen deshalb eine geschützte Unterbringung, wie sie in der Sierichstraße vorgesehen war. Dass der Senat hier eingeknickt ist, habe ich scharf kritisiert. 

Polarisiert haben im letzten Jahr auch die Demos von Islamisten in Hamburg. Sie sind Fachsprecherin für Migration und Integration. Wie lässt sich einerseits gegen mögliche Gefahren in diesem Bereich angehen, ohne andererseits vielleicht Rechtspopulisten in die Hände zu spielen?

Genau hier zeigt sich der Unterschied zwischen Muslim*innen und Islamist*innen. Letztere sind eine Gefahr für queere Menschen. Dagegen muss entschlossen angegangen werden. Wir als Linke haben schon lange auf die gefährliche islamistische Szene in Hamburg hingewiesen. Mit einem Bürgerschaftsantrag haben wir gefordert, dass die Bildungsarbeit zu Islamismus in pädagogischen Einrichtungen verstärkt werden muss, dass in den Stadtteilen, in denen Islamist*innen besonders aktiv sind, die Aufklärungsarbeit intensiviert wird, und dass in den Sozialen Medien islamistische Inhalte nicht unwidersprochen stehengelassen werden dürfen. Rechtspopulist*innen wollen dagegen islamistische Umtriebe instrumentalisieren, um gegen Muslim*innen und sogar Migrant*innen schlechthin zu hetzen. Queerfeindliche Angriffe stammen aber vor allem aus dem rechten Spektrum.

Die Hamburger Linksfraktion setzt einen Schwerpunkt bei der Wohnungsfrage. Die Rede ist von Mietwucher, die Forderung: Bezahlbaren Wohnraum schaffen. Ein wichtiges Thema auch für die Community.

Wohnen ist ein Grund- und Menschenrecht für alle Menschen. LSBT*IQ+ sind von Wohnungsnot nicht nur finanziell, sondern auch aufgrund von Diskriminierungen besonders betroffen. Sogar das spezifische Risiko für Wohnungs- und gar Obdachlosigkeit ist erhöht, etwa weil ein Coming-Out zu familiärem oder sozialem Ausschluss führt. Hamburg braucht spezielle Beratungsstellen für queere Wohnungsuchende wie QUEERHOME* in Berlin. 

Was machen SPD und Grüne aus Ihrer Sicht in Hamburg falsch beziehungsweise was könnte mit Blick auf LGBTIQ+ besser laufen?

Was mir in der Queerpolitik fehlt, sind stärkere Mitspracherechte der queeren Communitys. Bei der Fortschreibung des Aktionsplans für Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt gab es einen Beteiligungsprozess. Dabei wurde aber keine Transparenz darüber hergestellt, warum bestimmte Vorschläge einfließen und andere nicht. Das nimmt aus meiner Sicht die Belange der queeren Communitys nicht ernst und muss sich ändern. Kritisch sehe ich auch die mangelnde Verbindlichkeit des Aktionsplans. Es fehlt an Festlegungen, was wann wie umgesetzt wird. Entscheidend ist am Ende oft das Geld. Der Plan ist nicht finanziell abgesichert. Es wird also in einem gewissen Maß Aktion vorgegaukelt, die es am Ende gar nicht gibt. 

Vielen Dank für das Gespräch. 

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