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Hans Walter & Herbert
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Hans Walter & Herbert Heute sind Beziehungen kurzlebiger

vvg - 07.08.2023 - 17:00 Uhr

Vor 20 Jahren wurde die Verpartnerung, als erste Möglichkeit einer beglaubigten Lebenspartnerschaft zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern möglich. Kölns erstes männliches Paar und eines der ersten in Deutschland heiratete unter riesigem Medienrummel: Hans Walter (HW) & Herbert (H) Sie sind seit über fünf Jahrzehnten rund um die Uhr zusammen. Wir haben sie besucht und die Beiden haben uns über ihr aufregendes Leben erzählt. Besonders der Monat August spielt bei den Immernoch-Verliebten eine große Rolle.

Ihr seid bekannt wie ein siamesisches Paar: Seit Ewigkeiten zusammen. Wann habt ihr euch kennen gelernt?

HW: Wir wussten beide schon im Alter von 12 Jahren, dass wir schwul sind. Kennen gelernt haben wir uns am 28. August 1969; als ich 18 und Herbert 14 Jahre alt war. Wir waren beide liiert, als wir uns in einer schwulen Disco begegneten; Herbert forderte mich zum Tanzen auf und es funkte direkt zwischen uns. Wir haben uns dann von unseren Partnern getrennt und seitdem sind wir zusammen; mittlerweile seit 54 Jahren.

H: Ich war vorher mit einer richtigen Schwuchtel zusammen, suchte aber einen richtigen Mann. Als ich Hans Walter sah, war es um mich geschehen.

Ihr wart noch minderjährig und es gab den §175, der Intimitäten zwischen Männern bis 21 untersagte – wie war das mit dem Sex?

HW: Den hatten wir im Auto von meinem Schwager und meistens mit Vorliebe im Freien. Bei unserem zweiten Mal klopfte die Polizei ans Autofenster und forderte uns zum Anziehen auf. Sie inspizierten den Wagen, der damals sehr ausgefallen und „in“ war. Unser Sex wurde nicht angesprochen, lediglich mein Schwager musste eine Reparatur vornehmen lassen und diese später nachweisen.

Das würde heute sicherlich nicht so glimpflich ablaufen. Wie war das mit dem Outing?

HW: Da gab es weder bei den Eltern, den Freunden oder den Nachbarn irgendwelche negative Äußerungen. Im Gegenteil: Meine Oma hat damals sogar dafür gesorgt, dass ich zu meinem ersten Sex mit einem Mann kam, der doppelt so alt war wie ich und von dem ich lernen konnte. Und mein Vater hat Herbert von Anfang an wie seinen eigenen Sohn geliebt.

Obwohl es Liebe auf den Ersten Blick war, habt ihr trotzdem schon sehr früh mit Dreiern angefangen, ?

H: Aber erst nach 1 ½ Jahren. Wenn ich jemanden sah, der mir gefiel, habe ich Hans Walter gefragt, wie er den findet. Wurde er für gut befunden, war die Sache geritzt. Wenn es einem von uns beiden nicht passte, war das dann auch kein Thema mehr. Es konnte nur ein Dritter sein, der uns beiden zusagte. Wenn Sex, dann nur zusammen.

HW: Uns war schon am zweiten Tag klar: Wir bleiben für immer zusammen. Uns konnte nichts trennen. Und ich war überzeugt, das funktioniert.

Wie oft habt ihr euch gesehen?

HW: Ich war damals beim Bund, also hatten wir nur die Wochenenden für uns. Nach meiner Bundeswehrzeit habe ich meinen sicheren Job mit gutem Gehalt gekündigt, um in der Firma zu arbeiten, in der Herbert beschäftigt war. Wir wollten einfach zusammen sein. Vor 50 Jahren haben wir unsere erste Wohnung bezogen und nach einem Jahr sind wir umgezogen, in die Wohnung, in der wir auch heute noch wohnen. Nachdem unsere Firma umzog und wir nicht mit mitziehen wollten, haben wir uns 1984 selbständig gemacht und in der Gartengestaltung gearbeitet. Wir betreuen noch heute einen unserer ersten Kunden.

Und hattet sogar noch ein zweites Standbein...

H: Wir wollten vorbeugen; falls wir im Alter nicht mehr in Gärten arbeiten könnten: So haben wir 16 Jahre lang einen Sex-Shop geführt; den wir aber vor einigen Jahren abgegeben haben.

Gibt es von euch auch einen Erotikfilm?

HW: Nein, keinen Film, aber es existieren schon einige Nacktaufnahmen von uns.

1999 wart ihr urplötzlich das Paar des Jahres, wie kam es dazu?   

HW: Wir standen am CSD-Samstag mit zehntausend feiernden Menschen vor der großen Kölner Bühne, die damals am Mühlenbach stand. Hella von Sinnen suchte in den Menschenmassen nach Paaren, die schon lange in einer Beziehung lebten. Es gab natürlich etliche Paare, männliche wie auch weibliche. Hella holte verschiedene Paare auf die Bühne und das Publikum suchte per Applaus die Siegerpaare aus. Und siehe da, wir bekamen den lautesten Zuspruch.

H: Selbst Guildo Horn, der anschließend die Bühne rockte, kam zu uns, um zu gratulieren. Als Männer-Paar des Jahres 1999 durften wir dann am darauffolgenden Tag - dem Parade-Sonntag - in einem offenen Mercedes-Benz Platz nehmen und wurden inmitten der Demonstration durch ein Millionenpublikum chauffiert, wo man uns zujubelte, fotografierte und beglückwünschte.

© vvg

Zwei Jahre später – am 1. August 2001 - wart ihr das erste Paar, das mit großer Medienpräsenz verpartnert wurde.

HW: Ich hatte gelesen, die Stadt Köln sucht Paare, die sich verpartnern lassen wollten. Ich hatte mich daraufhin gemeldet, aber eigentlich wollten wir uns nur beraten lassen, was uns eine Verpartnerung Positives bringt. Es rief uns eine Dame aus dem Büro an und lud uns zu einem persönlichen Gespräch. Das funktionierte so gut und die Chemie stimmte, dass der damalige Polizeipräsident Jürgen Roters - der spätere Oberbürgermeister der Stadt Köln - meinte: „Ich werde das Ding persönlich mit euch durchziehen!“ So kam der 1. August ...

H: ... aus dem plötzlich ein Medienrummel erster Klasse wurde: Film, Funk und Fernsehen sowie unzählige Fotografen filmten unser Ja-Wort. Wir waren total aufgeregt, aber unendlich glücklich. Selbst im Ausland wurden wir von deutschen Urlaubern daraufhin erkannt und auf diesen großen Tag angesprochen. Und eine Freundin hatte es sogar in Australien aus den Medien erfahren und sich bei uns gemeldet.

HW: Übrigens haben wir 17 Jahre nach unserer Verpartnerung am 1. August 2018 nach dem Beschluss der „Ehe für alle!“ noch einmal geheiratet. Ich wollte das unbedingt und hatte dafür wieder den 1. August ausgesucht.

Ihr wohnt und arbeitet zusammen, seid selbst im Urlaub unzertrennlich?

H: Wir waren achtmal in Thailand und machen jedes Jahr eine andere größere Rundreise: So waren wir in China, Myanmar (das heutige Birma), Laos und Kambodscha. Reisen ist uns wichtig.

Eine der Reisen brachte euch erneut in die Presse ...

HW: Das war in Venezuela, wo unsere ganze Reisegruppe überfallen, ausgeraubt und die Reiseleiter blutig geschlagen wurden. Die älteren Leute sind vor Angst nach Deutschland zurückgeflogen, aber da wir noch Geld in unserem Koffer hatten– der nicht mit auf der Rundreise war - haben wir gedacht, warum sollten wir auf unseren Urlaub verzichten. Wir hatten zwar auch bei dem Überfall Angst und wir mussten bestimmte Regeln zu unserer eigenen Sicherheit einhalten, aber wir blieben und fahren auch weiterhin in ferne Länder! Im Januar waren wir in der Dominikanischen Republik, im vorigen Jahr auf Jamaika und im Jahr davor auf Kuba. Ich freu mich jetzt schon auf die Malediven, die in diesem Jahr anstehen.

Wenn ihr die Vergangenheit und die Gegenwart vergleicht, was hat sich verändert?

H: Heute ist alles schnelllebig und die Beziehungen kurzlebig. Durch das Internet haben viele vergessen, dass man sich auch unterhalten und miteinander flirten kann. Wir haben jahrelang beim CSD Flagge und Sichtbarkeit gezeigt, heute gehen wir kaum noch aus. Wir brauchen das nicht. Wir sind nach wie vor glücklich und haben uns noch nie gestritten. Leider melden sich seit Hans Walter gesundheitlich angeschlagen ist, kaum noch Freunde.

Das hat vielleicht etwas mit Neid zu tun?

H: Möglich, viele unserer Freunde haben früher gelästert und böse Fremdgehgerüchte über uns in die Welt gesetzt, über die wir uns amüsiert haben, denn wir waren ja ständig zusammen. Aber missgünstige Menschen erfinden Geschichten. Allerdings sind viele unserer Freunde auch schon verstorben.

Und wie sieht die Zukunft aus?

H: Inzwischen sind wir 72 und 68 Jahre alt. Hans Walter hatte 2014 einen Schlaganfall und vor kurzem trat eine Lungenerkrankung auf. Laut seiner Ärzte haben die aber alles im Griff und die Prognose sagt, dass alles wieder gut wird. Wir sehen positiv in die Zukunft und werden auch wieder Urlaubsreisen machen können.

HW: Wir haben die beste Zeit in der schwulen Ära erlebt und glücklicherweise nie Diskriminierungen oder Hass erleben müssen. Wie man heute aus den Medien erfährt, wird die Homophobie und der Hass im Netz größer. Wir sind froh uns gefunden zu haben und wir leben zusammen wie wir uns das vor 54 Jahren vorgenommen haben: Glücklich und zufrieden - in guten wie in schlechten Tagen.

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