Was genau ist Diskriminierung? Künftig soll eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ als Nachweis für eine Diskriminierung ausreichen, wünscht sich Ferda Ataman.
Die bis heute umstrittene Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, hat heute Mittag ein Grundlagenpapier zur Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vorgelegt. Ein Kernaspekt darin ist, dass künftig keine eindeutigen Belege für eine Diskriminierung mehr benötigt werden sollen. Wörtlich schreibt Ataman: „Das Erfordernis, eine Benachteiligung und Indizien nachzuweisen, sollte auf die Glaubhaftmachung herabgesenkt werden, das heißt dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt.”
Staatsangehörigkeit als Diskriminierungsmerkmal
Zudem wünscht sich Ataman, dass die Staatsangehörigkeit einer Person sowie der „soziale Status“ als neue Diskriminierungsmerkmale in das Gesetz aufgenommen werden. Bisher sieht das AGG Handlungsbedarf vor, wenn es zu einer Benachteiligung „aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ kommt.
Der Anwendungsbereich sollte aus Sicht von Ataman zudem auf staatliches Handeln des Bundes ausgeweitet werden, denn auch bei Bundespolizei oder Jobcenter beispielsweise sei das Thema nicht weniger relevant, wenn es um Diskriminierung gehe.
Diskriminierungs-Klagen ohne Betroffene
Des Weiteren wünscht sich Ataman, dass die Frist, um Ansprüche im Falle einer erlittenen Diskriminierung geltend zu machen, von derzeit zwei Monaten auf ein Jahr verlängert werden soll. Dabei sollen nach Wunsch Atamans künftig nicht nur Betroffene direkt klagen können, sondern Antidiskriminierungsverbände ebenso die Möglichkeit haben, in Fällen von „struktureller Diskriminierung“ Klage einzureichen, selbst wenn es keinen individuell betroffenen Menschen gibt.
Mitarbeiter brauchen „Diversity-Kompetenz“
Ebenso im Blick hat Ataman den öffentlichen Dienst des Bundes und fordert hier ein neues „Gebot zur Förderung der Wertschätzung von Vielfalt und Verhinderung und Beseitigung jeder Form von Diskriminierung”. Öffentliche Stellen des Bundes sollten außerdem die Möglichkeit erhalten, eine „Diversity-Kompetenz“ als Qualifikationsanforderung bei der Beurteilung von Eignung und fachlicher Leistung von Mitarbeitern mit einzubeziehen.
Ein weiteres Anliegen von Ataman ist es, die bisherige sogenannte Kirchenklausel aus dem AGG zu entfernen – die Richtlinie erlaubt kirchlichen Arbeitgebern bisher aufgrund der Religion, Mitarbeiter zu diskriminieren und beispielsweise Homosexuelle auszuschließen – das Reformvorhaben der deutsche katholischen Bischöfe hatte hier bereits Handlungsbedarf erkannt. Ebenso gestrichen werden sollen spezielle Anforderungen, wenn es um das Alter von Beschäftigten geht.
Neue Verbote als Chance sehen
Die Vorschläge von Ataman wurden heute an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) übergeben – sein Ministerium ist maßgeblich für die geplante Reform des AGGs zuständig, wie es im Koalitionsvertrag der Ampel festgehalten worden war. SPD, Grüne und FDP erklärten darin, sie wollten „Schutzlücken schließen, den Rechtsschutz verbessern und den Anwendungsbereich ausweiten.” Trotz zahlreicher neuer angedachter Verbote wünscht sich Ataman abschließend, dass das AGG nicht als „Verbotsgesetz“ sondern als „Chancengesetz” gesehen werde.