Direkt zum Inhalt
Was genau ist Diskriminierung?
Rubrik

Was genau ist Diskriminierung? Künftig soll eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ als Nachweis für eine Diskriminierung ausreichen, wünscht sich Ferda Ataman.

ms - 18.07.2023 - 14:30 Uhr

Die bis heute umstrittene Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, hat heute Mittag ein Grundlagenpapier zur Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vorgelegt. Ein Kernaspekt darin ist, dass künftig keine eindeutigen Belege für eine Diskriminierung mehr benötigt werden sollen. Wörtlich schreibt Ataman: „Das Erfordernis, eine Benachteiligung und Indizien nachzuweisen, sollte auf die Glaubhaftmachung herabgesenkt werden, das heißt dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt.”

Staatsangehörigkeit als Diskriminierungsmerkmal

Zudem wünscht sich Ataman, dass die Staatsangehörigkeit einer Person sowie der „soziale Status“ als neue Diskriminierungsmerkmale in das Gesetz aufgenommen werden. Bisher sieht das AGG Handlungsbedarf vor, wenn es zu einer Benachteiligung „aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ kommt.

Der Anwendungsbereich sollte aus Sicht von Ataman zudem auf staatliches Handeln des Bundes ausgeweitet werden, denn auch bei Bundespolizei oder Jobcenter beispielsweise sei das Thema nicht weniger relevant, wenn es um Diskriminierung gehe.

Diskriminierungs-Klagen ohne Betroffene

Des Weiteren wünscht sich Ataman, dass die Frist, um Ansprüche im Falle einer erlittenen Diskriminierung geltend zu machen, von derzeit zwei Monaten auf ein Jahr verlängert werden soll. Dabei sollen nach Wunsch Atamans künftig nicht nur Betroffene direkt klagen können, sondern Antidiskriminierungsverbände ebenso die Möglichkeit haben, in Fällen von „struktureller Diskriminierung“ Klage einzureichen, selbst wenn es keinen individuell betroffenen Menschen gibt.

Mitarbeiter brauchen „Diversity-Kompetenz“

Ebenso im Blick hat Ataman den öffentlichen Dienst des Bundes und fordert hier ein neues „Gebot zur Förderung der Wertschätzung von Vielfalt und Verhinderung und Beseitigung jeder Form von Diskriminierung”. Öffentliche Stellen des Bundes sollten außerdem die Möglichkeit erhalten, eine „Diversity-Kompetenz“ als Qualifikationsanforderung bei der Beurteilung von Eignung und fachlicher Leistung von Mitarbeitern mit einzubeziehen.

Ein weiteres Anliegen von Ataman ist es, die bisherige sogenannte Kirchenklausel aus dem AGG zu entfernen – die Richtlinie erlaubt kirchlichen Arbeitgebern bisher aufgrund der Religion, Mitarbeiter zu diskriminieren und beispielsweise Homosexuelle auszuschließen – das Reformvorhaben der deutsche katholischen Bischöfe hatte hier bereits Handlungsbedarf erkannt. Ebenso gestrichen werden sollen spezielle Anforderungen, wenn es um das Alter von Beschäftigten geht.  

Neue Verbote als Chance sehen

Die Vorschläge von Ataman wurden heute an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) übergeben – sein Ministerium ist maßgeblich für die geplante Reform des AGGs zuständig, wie es im Koalitionsvertrag der Ampel festgehalten worden war. SPD, Grüne und FDP erklärten darin, sie wollten „Schutzlücken schließen, den Rechtsschutz verbessern und den Anwendungsbereich ausweiten.” Trotz zahlreicher neuer angedachter Verbote wünscht sich Ataman abschließend, dass das AGG nicht als „Verbotsgesetz“ sondern als „Chancengesetz” gesehen werde.

Auch Interessant

Sparkurs Berlin

Diversität besonders betroffen?

Berlin muss sparen - überproportional betroffen seien nun aber von den Einsparungen Diversitäts-Projekte, kritisieren Berliner Kulturanbieter.
Eklat beim Klimagipfel

Keine Frauenrechte wegen Homophobie

Eklat beim Klimagipfel: Der Vatikan verbündete sich offenbar mit homophoben Staaten, damit homosexuelle Frauen nicht geschützt werden.
Differenzen bei der Akzeptanz

Schweizer und die LGBTI*-Community

Mehr Zuspruch für Homo- und Bisexuelle, eher Ablehnung bei Trans- und nicht-binären Menschen - so die Ergebnisse einer neue Befragung der Schweizer.
Augen zu bei US-Hassverbrechen

Warum werden Theaterstücke zensiert?

Zensur an US-Schulen: Immer öfter wird offenbar versucht, das Theaterstück über den Mord an dem schwulen Studenten Matthew Shepard zu verhindern.
E-Zigaretten bei LGB

Trend bei Schwulen und Bisexuellen

Homo- und Bisexuelle in den USA greifen überdurchschnittlich oft zur E-Zigarette, warnen jetzt US-Experten. Die Frage ist, warum?
Rotstift bei Lambda Berlin

Queere Organisation schlägt Alarm

Das Jugendnetzwerk Lambda in Berlin schlägt Alarm: Die geplanten Kürzungen der Stadt bedrohen demnach die Existenz des Vereins für LGBTI*-Jugendliche.
Skandalfall P. Diddy

Neue Vergewaltigungsvorwürfe

Der Skandal um US-Rapper P.Diddy weitet sich aus, immer mehr Männer und Frauen berichten von äußerst brutalen Vergewaltigungen.