„Dear Dicki“ Hella von Sinnen & Cornelia Scheel
Dirk „Dicki“ Bach war auf vielen Bühnen zuhause, war gesellschaftlich sehr engagiert und vielen Menschen ein guter Freund. Am 1. Oktober jährte sich sein Todestag zum zehnten Mal. Zu diesem Anlass erinnerten sich Freunde und Weggefährten in einem Brief an ihren Herzensmenschen, allen voran die Autorinnen des Buches.
Wir trafen Hella und Conny im Rahmen des Köln Comedy Festivals, wo sie aus ihrem Buch „Dear Dicki“ lasen.
Wie lange habt ihr für „Dear Dicki“ gebraucht, von der Idee bis zur Herausgabe?
Hella: Das waren tatsächlich genau ein Jahr und 2 Monate.
War das nicht ein sehr schwerer Weg, besonders für dich, Hella?
Hella: Ich sage wie es ist: Dieser Weg war sehr hart, hatte aber auch etwas Schönes. Dass so tolle Briefe von so vielen Menschen angekommen sind; und mir selbst hat das beim Schreiben wirklich Spaß gemacht. Jetzt wo das Buch fertig ist, finde ich die PR-Arbeit wirklich anstrengend. Ich habe angefangen, alles zu bedienen - auch die Yellow Press, aber die wollen ja nicht nur Buchreklame machen, sondern sie wollen den tiefen Schmerz aus mir herauskitzeln. Das war für mich brutal, denn ich hatte seit dem 1. Oktober 2012 bis September 2022 öffentlich nicht über den Verlust gesprochen, das bringt mich an meine Grenzen. Deswegen habe ich jetzt für mich entschieden, dass ihr von SCHWULISSIMO, weil ihr Freunde seid, heute mein letztes Interview zum Thema bekommt. Und die heutige Lesung im Rahmen des Comedy Festivals wird meine erste und letzte Buchpräsentation sein. Ich habe die Faxen dicki. Im Buch sind genügend berühmte Leute vertreten, die über Dirk sprechen und Reklame für dieses Buch machen können. Conny und ich haben Großes geleistet und ich finde, es ist ein tolles Buch. Punkt!
Im Buch haben Weggefährten von Dirk einen Brief an ihn geschrieben. Wie habt ihr diese ausgesucht?
Hella: Das kann ich schnell beantworten: Nach meinen Handykontakten. Nein anders: Pelle Pershing hat alles sondiert, was ihm in den Sinn kam, Conny hat gute Freunde wie z. B. Georg Uecker gefragt und ich bin strikt nach meinen MSM-Kontakten vorgegangen.
Conny: Es sind aber alles Menschen, die mit Dirk zu tun hatten, sei es auf der privaten oder beruflichen Ebene.
Gab es auch Absagen von Personen, die im Nachhinein gerne dabei gewesen wären?
Hella: Es gab sowohl einige Personen, die sich nach unserer Anfrage nicht mehr gemeldet haben, als auch einige, die man im Buch vermissen wird. Aber ich finde, so wie das Buch jetzt ist, ist es großartig.
Conny: Eine Person, die ich nicht namentlich nennen möchte, hat mir gesagt, dass sie dafür zu faul sei. Das war okay, dann weiß man, woran man ist.
Hella: Maria Happel, eine Person die Dirk und ich lieben, hatte Conny drei Mal versprochen zu schreiben. Als es zu spät war, meinte sie: „Dann schreibe ich etwas für die zweite Auflage!“ Es gibt ja Menschen, die richtig viel um die Backen haben: Micky Beisenherz, der Dschungel-Texte für Dicki schrieb und das Buch sehr lobend in seinem Podcast erwähnte, hat sich entschuldigt, er hatte es einfach vergessen.
Wie habt IHR Dirk kennen gelernt und wann war euch bewusst, dass ist ein Freund fürs Leben?
Hella: Das könnt ihr ganz klar in Connys und meinem Vorwort im Buch nachlesen.
Konnte man mit Dirk auch streiten; ihm überhaupt böse sein?
Hella: Wir haben uns nie gestritten und es gibt auch keinen im Buch, der darüber etwas aussagt. Dirk war unfassbar tolerant und sehr harmoniebedürftig. Es gab sicherlich inhaltlich Auseinandersetzungen, da er sehr hart im Kampf um Inhalte war. Also unnachgiebig, weil er sehr qualitätsbewusst und sehr intelligent war. Aber auf menschlicher Ebene kann ich mir keinen Streit mit ihm vorstellen.
Opern-Star-Regisseur Anthony Pilavachi schreibt: die USA hatte Charlie Chaplin, wir hatten Dirk Bach! Nur war Deutschland nicht bewusst, welchen Ausnahmekünstler wir hatten?
Hella: Das darf Anthony auch als Ire sagen. Er hat ja mit Dirk eine Inszenierung gemacht, wo Dirk großartige Facetten von sich zeigen konnte, zu denen Anthony ihn auch ermutigt hat. Ich weiß nicht, wen er meint mit nicht „bewusst“. Wenn er die Programm-Redaktionen meinte, vielleicht. Wenn er uns meint, liegt er daneben; weil ich mir immer bewusst war, was für ein Ausnahmekünstler Dirk war.
… und der Großteil der deutschen Bevölkerung interessiert sich auch nicht für Charlie Chaplin.
Dirk war u.a. „Lukas“, der „kleine Mönch“, „Urmel aus dem Eis“, „Puck im Sommernachtstraum“ und „Edgar“. Jede Figur war anders und doch unmittelbar mit Dirk verbunden. Was hatte er für eine Magie?
Hella: Ich finde, das hat Moritz Netenjakob hervorragend in seinem Brief formuliert und brillant auf den Punkt gebracht. Den Brief werde ich bei der Lesung auch vorlesen.
Dirk strahlte immer eine gewisse Ruhe aus. Hatte er auch „Lampenfieber“ und „Ängste“?
Hella: Dirk war von großem Lampenfieber gequält und ich bin der Meinung, dass das auch alle großen Schauspieler und Komiker verbindet. Dirk war extrem nervös und angespannt. Ohne diese Anspannung hätte er wahrscheinlich diese Energie auf der Bühne nicht gehabt.
Conny: Lampenfieber hat ja sehr viel mit Respekt vor dem Publikum zu tun. Dirk war ein Perfektionist und er wollte dem Publikum das Optimalste bieten; so hat er sich selbst unter Druck gesetzt.
Hella: Und Hildegard Knef hat mal erzählt, dass sie sich selbst drei Mal übergeben hat, bevor sie auf die Bühne ging. Lampenfieber gehört einfach dazu.
Dirk, dessen in den USA geschlossene Ehe in Deutschland nicht anerkannt wurde, spielte in „Verbotene Liebe“ einen Pfarrer, der zwei Männer traute. War da 7 Jahre bevor die Ehe für alle eingeführt wurde – nicht schon im Himmel die Hölle los?
Hella: Dirk hat schon immer Trash geliebt und keine trashige Tretmine umschifft. Er ist ja immer mittenrein gesprungen, sei es bei „Crazy Race 1 - 6“ oder beim „Dschungel“ – und er war ein hochintelligenter, politischer Aktivist, dem bewusst war, wenn er das da macht, hat er die breitmöglichste Streuung und erreicht mehr, als wenn er im Männermagazin für die gleichen Rechte plädiert.
Dirk bekam viele Preise: den „Max-Ophüls-Förderpreis“, den „Telestar“, 2 x den „Deutschen Comedypreis“, die „Goldene Kamera“, den Kleinkunstpreis „Barocke Sau vom Bodensee“. Wie wichtig waren ihm die?
Hella: Conny hat in ihrem Vorwort Billy Wilder zitiert: „Preise sind wie Hämorriden, irgendwann bekommt sie jedes A..loch!“ Ich gehe felsenfest davon aus, das Dirk den Moment der Übergabe chic fand, es aber mehr geliebt hat, mit Kollegen die Nacht durchzutrinken. Conny, erinnere dich doch an seine Wohnung. Wo waren die Preise denn? Die standen ja noch nicht mal auf dem Gästeklo. Von daher glaube ich nicht, dass ihm das jetzt besonders wichtig war.
Conny: Wobei ich mich erinnere, dass ihm die „Sau vom Bodensee“ Spaß gemacht hat.
Hella: Ja, das war sein absolut liebster Preis, weil er Schweine sammelte. Die Sau stand zwischen 300 Plastikschweinen und war definitiv sein schönster Preis.
Sein letzter Preis, pink angesprüht von Sonja Zietlow, glänzt jetzt silbern auf seinem Grab ...
Hella: Ist er nicht mehr pink? Der war doch in einer Plexiglasbox!
Vielleicht hat die Sonne die Farbe ausgebrannt?
Hella: Das kann ein Grund sein. Ich habe eine Zeichnung in meiner Küche hängen, die ich vor lauter Sonneneinstrahlung kaum noch erkennen kann. Dann soll Frau Zietlow mit einer Lacksprühdose auf den Friedhof gehen und noch mal nachsprühen.
Conny: Mir gefällt das. Sonja hat seinen Preis auf dem allerletzten „Cover-Me-Konzert“ pink angesprüht, was ich toll fand, und jetzt hat die Sonne dafür gesorgt, dass der wahre Preis zum Leuchten kommt.
Mit den „Cover-Me-Konzerten“ und seinen Auftritten in Rateshows sammelte Dirk Geld und weihte mit Rita Süssmuth ein Hospiz für Aidskranke ein, das 2013 in Dirk-Bach-Haus unbenannt wurde. Jetzt soll ein Platz in Köln nach ihm benannt werden, was gerade zu großem Theater führt.
Hella: Ja, das ist ausgesprochen peinlich. Mitinitiator war Claus Vincon, der uns mitteilte, dass es im Stadtrat gegen die Stimmen von CDU und SPD beschlossen wurde. Jetzt wurde wieder verhindert und nun muss der gerichtliche Weg eingeschlagen werden. Was Politiker so anstellen, erleben wir ja jeden Tag, aber ich hoffe, dass die Vernunft siegt.
Conny: Auf den Platz vor dem Theater gehört der Name auch hin!
Dirks Herz hing an Köln, aber er war auch oft unterwegs; beruflich in den Nachbarländern und ganz besonders liebte er New York. Brauchte er Tapetenwechsel zum Ausgleich?
Conny: Nein, eher Inspiration. Er flog dahin, um sich die neuesten Musicals oder die aktuellen Comedy-Shows anzuschauen.
Hella: Um sich zu inspirieren und zu überlegen, wie er das jetzt in Deutschland realisieren und umsetzen konnte. Er hat ja auch dann im ZDF die erste Sitcom vor Publikum gemacht.
Seine Lust am aktiven Tun war groß: er war im Kino, im Fernsehen und im Theater zu sehen, schrieb das Buch „Vegetarisch Schlemmen“, besprach Hörbücher und liebte das Singen. Hat er gemerkt, dass seine Kerze an beiden Enden brannte?
Hella: Es gab genügend enge Freund, die ihm gesagt haben, er solle mal ein Päuschen machen. Aber das kam für ihn nicht in Frage. Er war ein Workaholic, aber ebenso ein Friend-aholic: Wenn er nicht produziert hat, kaufte er für sich und seine Freunde First-Class-Tickets, düste mit denen irgendwohin und hat sich ein geiles Leben gemacht. Es ist ja auch sehr erstaunlich, wenn man diverse Briefe im Buch liest, dass so viele Menschen das Gefühl haben, sie sind durch seinen Tod jetzt Witwe. Weil Dirk die große Liebe ihres Lebens war. Er hat offensichtlich die Kraft gehabt, jedem das Gefühl zu vermitteln, dass er / sie etwas ganz Besonderes ist.
Vielen Dank euch Beiden und wir freuen uns jetzt auf die Lesung „DEAR DICKI“.