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Taliban ermordet schwulen Studenten
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Mord an schwulem Studenten „Die Taliban werden nicht aufhören, bis sie alle schwulen Menschen in Afghanistan ausgerottet haben!“

ms - 19.10.2022 - 14:00 Uhr

Ein grausamer Mord schockt in diesen Tagen die Community – die Taliban in Afghanistan ermordeten einen schwulen Medizinstudenten und schickten ein Video von der Tat anschließend an seine Familie. Zeitweise kursierte das grausame Bildmaterial auch online. Bei dem Opfer handelt es sich um den 22-jährigen Hamed Sabouri, der bereits im August dieses Jahres von den Taliban an einem Kontrollpunkt kontrolliert und daraufhin sofort verschleppt worden war. Gegenüber dem Guardian berichten seine Familie sowie sein Freund, dass Sabouri drei Tage lang immer wieder gefoltert wurde, bevor die Taliban ihn schlussendlich mit einem Schuss in den Hinterkopf töteten.

Besonders grausam ist dabei nicht nur die Tat selbst, sondern auch die Tatsache, dass die Taliban sich jetzt mit dem Mord an dem 22-Jährigen auf mehreren digitalen Kanälen brüsten. Nachdem das Video inzwischen immer wieder in Umlauf gebracht worden ist, flüchtete die Familie des Opfers aus Angst vor weiteren Angriffen aus Afghanistan. Sabouris Bruder Haseeb erklärte gegenüber dem Guardian: "Wir sind wegen der Drohungen und der Ermordung von Hamed aus Afghanistan geflohen. Wir sind geflohen, weil die Taliban jeden Tag zu uns nach Hause kamen, um uns zu schikanieren und zu bedrohen.“ Sabouris Partner Bahar versteckt sich aktuell noch im Land und versucht allerdings, dieses zu verlassen: "Wir waren wie jedes andere verliebte Paar auf der Welt, aber die Taliban behandeln uns wie Kriminelle. Sie haben die Liebe meines Lebens getötet, und ich weiß nicht, wie ich ohne ihn weiterleben soll. Ich habe wieder Drohungen von den Taliban erhalten und bin jetzt auf der Flucht. Ich habe viele Freunde aus der LGBTI*-Community hier in Afghanistan, die ebenfalls entführt und gefoltert wurden. Ich wurde im August 2021 und erneut im Mai und Juni dieses Jahres von den Taliban verhaftet und vergewaltigt, geschlagen und mit Elektroschocks gefoltert."

Wie dramatisch die Situation für Homosexuelle in Afghanistan ist, belegen auch mehrere Berichte von Amnesty International, Human Rights Watch oder auch OutRight Action International. Noch vor der gewaltsamen Rückeroberung des Landes im August 2021 durch das LGBTI*-feindliche Regime versprach ein Taliban-Richter bereits, die Gottesgesetze der Scharia in Afghanistan wieder einzuführen, und erklärte gegenüber der BILD-Zeitung, dass Homosexuelle mit Steinigung oder mit dem Sturz einer Mauer bestraft würden. Der schwule Blogger und LGBTI*-Aktivist  Elham Sawiz schrieb dazu: „Die meisten Opfer sind afghanische LGBT, aber uns wird nicht die geringste Aufmerksamkeit geschenkt, wir sind Menschen und haben das Recht zu leben. Hamed Sabouri wurde getötet, aber er ist nicht das einzige Opfer in der Community, wir haben Tausende von Hamed Sabouris geopfert, wir leben in einem gefährlichen Land!“

Trauer über den Mord an Hamed Sabouri

Nemat Sadat, Gründer der LGBTI*-Rechtsgruppe Roshaniya, erklärte zudem: "Die größte Angst, die jeder LGBTI*-Mensch in Afghanistan im Moment hat, ist, dass er der nächste Hamed Sabouri wird! Der Tod von Hamed Sabouri ist ein weiterer Beweis dafür, dass die Taliban nicht aufhören werden, bis sie alle schwulen Menschen in Afghanistan ausgerottet haben. Seine Hinrichtung erfolgte vorsätzlich und außerhalb jedes rechtlichen Rahmens. Ich verstehe nicht, wie Menschen mit gutem Gewissen auf der ganzen Welt untätig bleiben können, während die Taliban weiterhin mit völliger Missachtung des menschlichen Lebens regieren." Sadat erklärte weiter, dass die Morde auch darauf zurückzuführen sind, dass westliche Regierungen wie auch Deutschland es bis heute versäumt hätten, LGBTI*-Flüchtlingen aus Afghanistan zu helfen. Erst nach über einem Jahr Druck seitens mehrerer LGBTI*-Verbände hatte Außenministerin Annalena Baerbock diese Woche erklärt, jetzt auch LGBTI*-Flüchtlinge aus dem Land aufnehmen zu wollen. Sadat abschließend gegenüber dem britischen Guardian: "Die Nachricht von Hameds brutalem Tod erschüttert unsere Gemeinschaft weiterhin, aber wir werden nicht zulassen, dass Hameds Leben umsonst war. Wir werden weiterhin für die Rechte von LGBTI*-Afghanen kämpfen, damit sie der Hinrichtung entgehen und ein langes und glückliches Leben in einem freien Land führen können."

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