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Schwächelt die FDP aufgrund unkritischer LGBTI*-Politik?

FDP stürzt in Wählergunst ab „Wer die Feinde einer offenen Gesellschaft wählt, ist nicht mehr liberal.“

ms - 19.07.2022 - 10:00 Uhr
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Die derzeit negativen Bewertungen der FDP in den digitalen Medien der letzten Wochen spiegeln sich nun auch in einer neuen Umfrage des Politikbarometers der Forschungsgruppe Wahlen wieder – keine andere Regierungspartei hat so massiv an Zustimmung innerhalb der Bevölkerung verloren. Glaubt man den digitalen Statements vieler FDP-Wähler und Mitglieder online, könnte das auch mit Entscheidungen der Partei zusammenhängen, die sie als Koalitionspartner im Bereich LGBTI* mitgetragen hat.

Zu den Fakten: Seit Januar sank die Zustimmung der Partei von 0,9 Pluspunkten auf den Wert von -0,2 in der Skala. Auch die Werte der SPD (von 1,3 auf 0,5 Punkten) sowie der Regierung insgesamt (von 1,2 auf 0,4 Punkten) sanken, einzig die Grünen konnten nach einem Zick-Zack-Kurs bei der Stimmungslage der Deutschen ihren Wert von anfangs 0,6 halten (auf jetzt 0,7 Punkten). Für Statista bewertet der Politikfachmann Johannes Bebermeier die aktuelle Lage so: „Der Koalitionsvertrag ist spätestens mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine zu einem Dokument geworden, das die Ampel eher spaltet als eint. Er ist für eine alte Welt geschrieben worden, eine Welt vor der Zeitenwende." Zwar bleibe die FDP in manchen Aspekten ihrer Stammwählerschaft treu, beispielsweise bei der Frage um ein generelles Geschwindigkeitslimit auf deutschen Autobahnen, in anderen Aspekten gerade im Bereich LGBTI* agiere die Partei dabei oftmals an ihren Kerninteressen vorbei.

Dabei werden zwei Aspekte immer wieder hitzig diskutiert – das eine ist das neue Selbstbestimmungsgesetz, das in seiner jetzigen Form aus Sicht der Kritiker nicht in das Weltbild der FDP passen würde. Zuletzt sorgte dann aber vor allem die Causa Ferda Ataman für Aufsehen innerhalb der Partei. Die neue Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes steht durch ihre besondere Definition von Rassismus nach wie vor in der Kritik (SCHWULISSIMO berichtete), auch zahlreiche FDP-Abgeordnete hatten vor der Wahl von Ataman im Bundestag die Personalie des Koalitionspartners Bündnis 90 / Die Grünen scharf kritisiert. Über 40 Abgeordnete der Ampel-Koalition hatten schlussendlich bei der Wahl im Deutschen Bundestag Ataman nicht ihre Stimme gegeben, darunter vermutlich auch viele FDP-Politiker. Einer der derzeit schärfsten Kritiker der Liberalen ist der Menschenrechtler und schwule Ex-Moslem Ali Utlu, der 2020 noch massiv die Werbetrommel für die Partei gerührt hatte und auch in einem Welt-Artikel erklärte, warum er einst in die FDP eingetreten sei.

Kurz nach der Wahl von Ataman trat Utlu aus der Partei wieder aus und kritisiert die FDP scharf dafür, dass sie gerade im Bereich LGBTI* anscheinend unkritisch der Politik der Grünen folgen würde. Utlu dazu: „Ich trete aus, weil ich liberal bin und rassistische Identitätspolitik nicht mittragen kann. Wer die Feinde einer offenen Gesellschaft wählt, ist nicht mehr liberal. Stellt euch vor, ihr seid eine liberale Partei und wählt jemanden als Antidiskriminierungsbeauftragten, der Menschen nach Hautfarben einteilt und ihre Wertigkeit daraus liest. Herkunft, Hautfarbe oder Ethnie sind KEIN Ersatz für Leistung, Fähigkeit und Ausbildung.“ Auch anderweitig geht der ehemals prominente FDP-Befürworter hart ins Gericht und attestiert den Liberalen, dass sie unkritisch mit Gesetzvorhaben wie dem neuen Selbstbestimmungsgesetz umgehen würden. Diese Bewegung hält Utlu für falsch: „Homosexuelle und Transsexuelle waren so akzeptiert wie noch nie in unserer Gesellschaft. Dann kamen die ganzen queeren Gender Leute und der Hass ist wieder aktuell, weil die Menschen den ganzen Schwachsinn einfach nicht mehr verstehen. Das ist nicht mehr meine Community. Schwule, Lesben und Bisexuelle sollten schleunigst sich distanzieren und wieder eigene Prides organisieren und sich von allem rechts von LGB distanzieren.“ In ersten Statements hatten FDP-Mitglieder den Austritt von Utlu bedauert.

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