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Diskriminierung an deutschen Schulen

Diskriminierung an deutschen Schulen „Leider ist es für viele Schüler lediglich Glück, auf engagierte Lehrkräfte zu treffen.“

ms - 08.06.2022 - 10:00 Uhr
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Eine neue Umfrage des NDR kommt zu einem traurigen Ergebnis: An deutschen Schulen werde nach wie vor viel zu wenig für die Akzeptanz queerer Schüler und gegen Mobbing und Ausgrenzung von LGBTI*-Jugendlichen getan. Der NDR befragte sowohl die 16 Landesschülervertretungen in Deutschland wie auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Das bedrückende Fazit: „Queerfeindlichkeit, Homophobie, Transphobie und Diskriminierung sind in der Schule leider immer noch Alltag”, so Julius van der Burg von der Landesschülervertretung NRW.

Dabei zeige sich auch, dass das Thema LGBTI* gerade in den unteren Klassenstufen noch stark tabuisiert wird und ein Coming Out beinahe immer negative Konsequenzen und Auswirkungen auf die betroffene Person habe. Von einem Wandel hin zu einer liberalen Gesellschaft, wovon immer wieder mit Bezug auf die allgemeine Gesinnung gesprochen wird, scheint in den deutschen Schulen bisher wenig angekommen zu sein. Nebst den direkten Angriffen unter den Schülern selbst, gäbe es laut der GEW noch ein weiteres Problem: Auch von Seiten der Lehrkräfte und der Schulleitung werde oftmals noch zu wenig getan, damit sich LGBTI*-Schüler angstfrei in der Schule bewegen können.

Der dritte Aspekt bezieht sich dann auf den Unterricht selbst, noch immer wird das Thema LGBTI* auch im Unterricht nicht thematisiert, selbst im Sexualkunde-Unterricht würde abseits der Heterosexualität in vielen Fällen noch immer Schweigen herrschen: „An den Schulen liegt immer noch der Fokus auf gegengeschlechtlicher heterosexueller Liebe, oftmals gebunden an traditionelle Rollenklischees“, sagt Janina Glaeser aus dem GEW-Hauptvorstand. Das mag in manchen Fällen an Vorurteilen gegenüber Homosexualität und Queerness liegen, oftmals fehle es aber auch einfach an Wissen und Verständnis bei vielen Lehrkräften, so viele Länderschülervertretungen unisono. „Leider ist es für viele Schülerinnen und Schüler lediglich Glück, auf engagierte Lehrkräfte zu treffen, die diese Themen ansprechen und sich für Vielfalt an ihrer Schule einsetzen”, so die Sprecherin des bayerischen Landesschülerrats Fabia Klein. Der Vorsitzende des Landesschülerrats Sachsen-Anhalt, Moritz Eichelmann, fordert deswegen auch „dringend Workshops, Fortbildungen und weitere Aufklärungskampagnen für die Lehrerschaft”. Auch hier zeigt sich zudem die finanzielle Misere vieler Schulen in Deutschland; nebst veralteten Lehrplänen machen Schülern auch Schulbücher zu schaffen, die teilweise Jahre oder einige Jahrzehnte alt sind und nicht mehr dem heutigen Wissensstand entsprechen.

Die Kritik an der aktuellen Situation scheint bei der Kultusministerkonferenz (KMK) eher auf taube Ohren zu stoßen. Ein Sprecher erklärte gegenüber dem NDR, dass man für konkrete Anregungen dankbar sein, aber dies seien Bewertungen zur Praxis in den Schulen, auf die die KMK nur schwer reagieren könne, denn Schulen seien die Angelegenheit der einzelnen Bundesländer. Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, hatte zuletzt bei einem Fachgespräch im März betont, dass der geplante Nationale Aktionsplan auch Verbesserungen für LGBTI* an den Schulen bringen solle. Wie dramatisch die Situation bis heute ist, bestätigt auch die landesweite Beratungsstelle für queere Jugendliche, der Coming-Out-Day-Verein. Dabei verweist das Beraterteam auf mehrere Studien der letzten Jahre, die immer wieder klar belegen, dass Lesben und Schwule zwischen 12 und 25 Jahren ein vier- bis siebenmal höheres Suizidrisiko haben und erklärt überdies: „Je geringer die Akzeptanz und soziale Einbindung, desto größer der Selbstzweifel und desto tiefgreifender möglicherweise die Krise. Insgesamt sind es die lang andauernden Belastungsfaktoren, die das Lebensgefühl der suizidgefährdeten jungen Menschen bestimmen.“

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