Folter von Pride-Teilnehmern Massive Ausschreitungen zum Istanbul Pride
Die LGBTI*-Gruppe und Ausrichter des Istanbuler Pride, Onur Haftası, wollte mit dem Verlesen eines Statements am vergangenen Wochenende den Pride-Monat in Istanbul beginnen – die Demonstration feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Jubiläum. Bevor es allerdings zu den offiziellen Feierlichkeiten kommen konnte, wurden die Teilnehmer sowie Aktivisten von mehreren hundert Polizisten eingekreist und sollen daraufhin brutal attackiert worden sein. Mit dabei soll auch eine Spezialeinheit der Polizei, ausgestattet mit scharfer Munition und Wasserwerfern, gewesen sein, um den Beginn des Pride radikal und schnellstmöglich zu beenden. Elf LGBTI*-Aktivisten wurden festgenommen, wie Onur Haftası via Twitter schreibt und mit einem Video belegt. Die türkische Polizei soll die festgenommenen Mitglieder der LGBTI*-Organisation dabei brutal geschlagen und sogar anschließend “gefoltert“ haben. Explizit erklärten zwei trans-Aktivisten, dass die Polizei sie nach der Verhaftung im Polizeigewahrsam gefoltert und misshandelt habe. Die Gruppe Trans+Korteji veröffentlichte via Twitter Bilder, die die Übergriffe belegen sollen.
Über Twitter bekräftigten auch die Veranstalter des Istanbuler Pride dabei ihre Kampfbereitschaft: „Die Istanbuler LGBTI*-Pride-Woche ist 30 Jahre alt. Die Polizei hat LGBTI*-Menschen angegriffen und verhaftet, die sich in den Yeldegirmeni Straßen in Istanbul trafen, um den Pride-Monat zu feiern. Unser Queer-Stolz wird diese Polizeifolter besiegen! Der Countdown für den Istanbul Pride March hat gerade begonnen! Dieses Jahr werden wir Widerstand leisten! Gemeinsam sind wir stark, wir existieren weiter. Happy Pride!" Inzwischen hat die Polizei bekanntgegeben, alle Inhaftierten wieder freigelassen zu haben.
Die LGBTI*-Community in der Türkei sieht sich seit Jahren brutalen Angriffen von Seiten der Regierung und der Polizei ausgesetzt, teilweise werden Veranstaltungen immer wieder aus fadenscheinigen Gründen kurzfristig abgesetzt. Der offizielle Istanbul Pride soll dieses Jahr Ende Juni stattfinden, ob es dazu wirklich kommt, ist indes vollkommen offen. Bereits im letzten Jahr war die Demonstration kurzfristig wenige Stunden zuvor abgesagt worden, da sie gegen die “Moral“ verstoßen würde. Polizisten hatten Tränengas und Plastikgeschosse eingesetzt, um Teilnehmer zu vertreiben. Die wahren Hintergründe für die Angriffe auf die Community dürfte darin begründet sein, dass die LGBTI*-Bewegung die Jahre zuvor immer mehr an Fahrt aufgenommen hatte, beim letzten großen Pride im Jahr 2014 waren über 100.000 Besucher gekommen. Türkische LGBTI*-Organisationen wie Kaos GL erklärten, dass es in der Türkei inzwischen einen radikalen Wandel der Regierungspolitik gegenüber LGBTI*-Menschen gibt und der Staat der gesamten queeren Community “den Krieg erklärt“ hat.
Angeheizt wird die negative Stimmung zudem auch vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der die LGBTI*-Community immer wieder aufgrund ihres „westlichen Lebensstils“ diffamiert hat und – wie auch anderenorts in Ungarn oder Polen – stets betonte, mit seiner Politik nur Kinder und Jugendliche schützen zu wollen.