Leserumfrage Das liegt wohl in der Familie . . .
Ich habe mich als Kind oft gefragt, warum ich zu meinem Vater keine Vater-Sohn-Beziehung aufbauen konnte. Mein Patenonkel war für mich mehr Respektperson, Vorbild und Vaterfigur. Ich hatte zu ihm so gute Connection, dass ich oft sauer war, dass er nicht mein Vater war. Mit 12 Jahren habe ich meinen ersten Freund mit nach Hause gebracht und meiner Mutter gesagt, dass ich schwul bin. Da hat sie mir meine wahre Geschichte erzählt: Mein Vater, ihr Mann war in Wirklichkeit mein Stiefvater. Mein Patenonkel jedoch, der immer ihr bester, schwul-geouteter Freund war, war mein wirklicher Vater. Beide hatten sich nach einer Party mal eine nette Nacht gemacht, in der ich entstand. Damals lebten schwule Männer in Venezuela noch gefährlich. Ich selbst bin 3x wegen schwulenfeindlicher Angriffe im Krankenhaus gelandet. Darum durfte meine Mutter, die verstarb, als ich 15 war, nie zugeben, dass mein Erzeuger schwul ist.
Diese Offenbarung damals war der glücklichste Moment meines Lebens. Mit meinem Vater verstehe ich mich riesig; er ist mein bester Freund, besucht mich zwei Mal im Jahr und wir haben keine Geheimnisse. Er ist Architekturprofessor, liebt wie ich Kunst und Musik und lebt in einer festen Beziehung. Er (57) ist mit einem jüngeren Mann (29) zusammen, der mein jüngerer Bruder sein könnte. Ich bin seit acht Jahren mit dem bekannten DJ Ronny verpartnert: uns trennen 15 Jahre.
Das Gay-Life in Venezuela hat sich seit 2000 positiv verändert. Allerdings ist das Leben generell schwierig: Ich schicke meinem Vater oft Sachen, die man dort nicht bekommt oder die so teuer sind, dass man sie sich nicht leisten kann. Venezulaner, die keine Angehörigen oder Freunde im Ausland haben, werden sich nie bestimmte Dinge kaufen können. Ich lebe seit über 10 Jahren in Deutschland und bin glücklich, meinen wahren Vater kennen gelernt zu haben. Zum Stiefvater habe ich keinerlei Kontakt mehr.
David, stammt aus Venezuela, lebt seit 10 Jahren in Köln
Offen schwul lebe ich, seit meinem 21. Lebensjahr; gewusst habe ich das aber schon immer. Richtig verknallt war ich in einen Bundeswehrkameraden; meinen ersten Freund hatte ich dann mit 20. Ich habe mir vorher nie Gedanken darüber gemacht, ob Mädchen interessant sein könnten, obwohl ich aus gesellschaftlichen Zwängen heraus eine Freundin bis zu meiner „Umsch(w)ulung“ hatte. Das war wohl bei meinem Vater ähnlich: Er heiratete meine Mutter 1960 - wegen der Gesellschaft – die Beiden trennten sich dann, als ich 8 wurde. Meine Mutter, die es vielleicht vermutete, aber es nie wahrhaben wollte, hat dann einen Mann geheiratet, der ihr das geben konnte, was sie vorher ein wenig vermisste.
Spontan aufgesucht habe ich meinen Vater erst 18 Jahre später, als ich zufällig in seiner Nähe in Düsseldorf zu tun hatte. Auf die Frage, wer die Dame auf dem Klingelschild sei, antwortete er verschmitzt, dass er mit einem Mann zusammen sei. Ich antwortete darauf: „Also wie bei mir, ich habe auch einen Freund.“ Dieser spontane Besuch war für uns beide sehr wichtig, denn er hat uns sofort zusammengebracht. Es war für mich ein wichtiger Schritt, den ich nie bereut habe. Danach habe ich mit meinem biologischer Vater, der zu meinem väterlichen Freund wurde, viel unternommen: Wir sind zu zweit einmal im Jahr zusammen auf Deutschlandreise gegangen. haben Tage in Paris verbracht und uns regelmäßig besucht; auch zu Viert. Natürlich sind wir auch in der schwulen Szene gewesen, wo man immer ungläubig „Ja, Ja!“ sagte, wenn er mich als seinen Sohn vorstellte; alle mich aber für seinen Freund hielten. Ende der 90. wurde meinem Vater die Szene zu offen und oberflächlich; er kannte sie ja noch aus den geheimnisvollen Zeiten, in der man mehr zusammen hielt. Als mein Vater 2012 starb, war er mit seinem 17 Jahre jüngeren Freund über 30 Jahre zusammen. Bei mir und meinem Freund sind es gerade mal 10 Jahre.
PS: Leider durfte ich meiner Mutter davon nie erzählen, weil die das nicht verstanden hätte.
Michael Z., Köln
Bei uns in der Familie war es mein Onkel, der Bruder meines Vaters, der ebenfalls schwul ist. Von ihm wusste ich das schon immer. Damit bin ich quasi groß geworden. Von mir selbst wusste ich das so in etwa seit meinem 16. Lebensjahr. Mein Vater war bei meinem Outing zuerst sprachlos, schob aber aus Sorge um mich sofort die Ermahnung hinterher, dass ich immer auf die Verhütung achten sollte. Einmal fragte er, ob sein Bruder daran schuld wäre, weil ich immer viel Zeit bei ihm und seinem spanischen Freund (heute Mann) verbrachte. Ich hatte aber nur einen besseren Draht zu meinem Onkel, als zu meinem Vater. Er war immer ein Vorbild für mich: Er hatte Ausstrahlung, einen leichten, lockeren Umgang und ich konnte jederzeit mit meinen Problemen jeglicher Art zu ihm kommen. Er hatte auch als Einziger in der Familie studiert, was mich animierte, dies auch zu tun – was in der Familie für Unverständnis sorgte. Wir haben einen ähnlichen Lebensstil, wir lieben schöne Dinge, haben ähnliche Interessen und Gedanken und sind innerlich sehr verbunden. Als ich mich bei ihm outete, sagte er nur: „Das ahnte ich schon. Als ich dir das Lied „Häs`chen in der Grube“ vorgesungen habe, hast du geweint. Wenn das die Oma noch erfahren hätte, die hätte sich sehr gefreut!“ Beim Opa war die Reaktion anders; die Zeit war ja noch nicht so aufgeklärt wie heute und über Sex sprach man ja nicht. Bei mir reagierte er wesentlich lockerer, mein Onkel hatte schon bei seinem Vater durch sein Outing eine großartige Vorarbeit geleistet. Ob Homosexualität aber nun vererbbar ist? Keine Ahnung, ich weiß lediglich, dass sich bei mir und meinem Onkel vieles wiederholt hat: Wir haben beide nicht den Platz des Stammhalters ausgefüllt. Haben eine innere Verbindung, beide das bessere Verhältnis zur Mutter, nutzen unsere Begabung zum Studium und nabelten uns beide schon sehr früh vom elterlichen Haus ab.
Benjamin, zog gerade aus Mannheim nach Köln
Jason merkte seit seinem 15. Lebensjahr, das ihn Jungens mehr interessierten als Mädchen. Sein Onkel Jörg – Jörgs Frau und Jason Mutter sind Schwestern – wusste das auch schon in dem Alter, heiratete aber trotzdem und gründete mit ihr, zwei Söhnen und einer Tochter seine Familie. Offen schwul lebt er erst seit ca. 10 Jahren. Irgendwann gestand er seinem Neffen Jason, dass er schwul ist und auf Männer steht; worauf dieser erwiderte, dass er ebenso empfindet. „Wir waren sehr überrascht, aber diese „Gemeinsamkeit“ hat uns beide sehr verbunden und seitdem haben wir viel mehr Zeit miteinander verbracht. Jason konnte sich in allen Fragen offen an Jörg wenden und dieser konnte mit Information und Aufklärung zur Seite stehen. Zum Beispiel, dass man nie ungeschützten Sex macht. Und dass man beim Sex auch dann einen klaren Kopf behalten muss, wenn Alkohol im Spiel gewesen ist!“
Jasons Mutter reagierte zunächst sehr ablehnend auf das Outing ihres Sohnes und benutze dabei einige negative Worte. Als sie erfuhr dass Schwager Jörg ebenfalls schwul ist, sagte sie: „Er sei auf der falschen Autobahn. Er solle die richtige Ausfahrt nehmen, dann wäre er auch wieder hetero.“ Sie warf ihrem Schwager sogar vor, Jason wäre durch ihn homosexuell geworden; was Jörgs Frau erst auch annahm. „Das haben wir aber mit viel Gesprächen entkräften können; wir wussten das ja gar nicht voneinander. Inzwischen ist das Verhältnis besser geworden, obwohl immer noch viel Aufklärung geleistet werden muss.
Jörgs Frau hatte ihren Mann in der Nachbarschaft geoutet; mit dem Gedanken, ihm damit zu schaden. Das wurde dort allerdings positiv aufgenommen, sodass sie wohl zum Nachdenken kam. Letzten Juli stand dann zwar die endgültige Scheidung an; aber - Gott-sei-Dank - hat sich das anfänglich gespaltene Verhältnis zu ihr in eine recht gute Freundschaft gewandelt.
Jason (21) & Jörg (51)
Ich habe schon mit 12/13 Jahren gewusst, dass ich schwul bin. Meine erste Erfahrung machte ich mit 12, da hat mich ein 17jähriger Türke im Türkeiurlaub angefummelt. Mit 15 habe ich meiner Mutter mitgeteilt, dass ich schwul bin. Ich habe ihr einen Brief geschrieben, weil es für einen Jugendlichen schwer ist, darüber zu sprechen. Sie wusste das allerdings schon vorher, denn sie fand eine kleine Box, in der ich als 13jähriger Bilder von nackten Männern aus der „Blitz-Illu“ aufbewahrte. Sie reagierte ganz easy „Wenn das so ist, dann ist das eben so!“ Ich selbst bin mit dem Wissen groß geworden, dass meine Mutter lesbisch ist; denn sie hatte eine 12-jährige und eine 13-jährige Beziehung zu Frauen. Sie hatte sich immer Kinder gewünscht. Von meinem Erzeuger, den ich nicht kenne, weiß ich nur, dass er Spanier ist. Negative Hänseleien in der Schule habe ich nie erlebt, im Gegenteil: meine Freunde fanden „zwei Mütter“ irgendwie Klasse.
Wir sind generell eine verrückte Familie: Meine Cousine - die Tochter von Mutters Schwester - ist ebenfalls lesbisch; mein Cousin übrigens auch schwul. Meine Cousine hat vor sechs Jahren ihre Frau kennen gelernt; die Beiden haben sich einen potentiellen Samenspender gesucht und haben seit ein paar Monaten ein Baby. Diese Form der Ei-Befruchtung als Möglichkeit zur Fortpflanzung war mir bisher nicht bekannt. Ich selbst hatte jahrelang auch einen Kinderwunsch, ich wollte aber deswegen nicht mit einer Frau ins Bett steigen. Last not least habe ich noch einen Onkel, der bisexuell ist; meiner Meinung nach aber mehr zu Männern tendiert, als zu Frauen. Was uns verbindet: wir sind alle große Familienmenschen. Wir wohnen zwar ca. 100 km auseinander, aber wir sehen uns mindestens einmal im Monat. Wir besuchen gemeinsam die unterschiedlichsten Veranstaltungen wie z.B. den CSD und haben viel Spaß dabei. Wir reden über alles, besprechen Probleme und haben keine Geheimnisse untereinander: Eine Familie muss einfach zusammenhalten.
Tommy aus NRW
Ich wusste schon als Kind, dass ich schwul bin. Als ich mich im Teenager-Alter outete, wollte meine Mutter die Krankheit beim Arzt mit Elektroschocks behandeln lassen. Das wurde zum Glück nicht gemacht, aber wie es auf dem Dorf ist – man hat sich ja früher in der Provinz eher versteckt – habe ich dann geheiratet. Als ich davon meiner Frau erzählt habe; meinte diese auch, das ginge vorbei. Ich habe zwar die Homosexualität nie an die große Glocke gehängt, aber mich auch nie versteckt. Menschen, die mich kennen und mir nahe stehen, wissen Bescheid. Negative Äußerungen habe ich nie erlebt, sondern ich wurde immer akzeptiert. Wir haben zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Als sich mein Sohn eines Tages outete – was ich vorher schon geahnt habe – schob meine Frau mir die Schuld zu, „das wären meine Gene“. Als sich später meine Tochter als lesbisch outete – womit meine Frau eigenartigerweise besser umgehen konnte– konterte ich mit dem Spruch „Das sind dann ja wohl deine Gene“. ? Dass beide Kinder homosexuell sind, ist witzig, war aber sicherlich reiner Zufall, denn eine genetische Vererbung kann bisher bei Homosexualität nicht nachgewiesen werden. Seit über zehn Jahren leben wir nun räumlich getrennt, sie kennt und akzeptiert meinen Freund. Das Beste, was mir passiert ist, sind meine Kinder. Dafür war es mir im Nachhinein auch wert, verheiratet zu sein. Heute haben wir alle miteinander ein ausgesprochen gutes Verhältnis.
Männern, die in ähnlicher Situation stehen, kann ich nur raten, offen zu sich zu stehen und sich nicht zu verstellen. Heute braucht man sich nicht mehr zu verstecken, die Gesellschaft hat sich weiterentwickelt, obwohl man auf dem Lande noch anders damit umgeht, wie in Städten. Auf dem Lande bleiben Mann und Frau in der Ehe zusammen, auch wenn die eigentlich keine mehr sind. Und meiner Nochfrau wünschte ich einen Mann an ihre Seite, das würde sicherlich allen helfen.
Gustav aus dem Harz