Im Interview Y’akoto
Geboren in Hamburg, aufgewachsen in Afrika – Das ist Y’akoto. Schwulissimo sprach mit der deutsch-ghanaischen Sängerin anlässlich der Veröffentlichung ihres dritten Albums "Mermaid Blues".
Du bist eine wunderschöne Frau, wie dürfen wir dich anreden?
Einfach mit Y'akoto. Eigentlich heiße ich Jennifer Yaa Akoto.
Du bist seit deinem 13. Lebensjahr musikalisch unterwegs. Mit 18 hast du eine Ausbildung als Tanzpädagogin und nebenbei Auftritte mit Bands gemacht. Von wem stammt deine Musikalität und seit wann war dir klar, dass Musik dein Leben bestimmt?
Die Liebe zur Musik oder die natürliche Herangehensweise daran, darüber habe ich mir nie wirklich einen Kopf gemacht. ☺ An diesen einen Punkt, wo ich bemerkt habe, dass es läuft, kann ich mich gar nicht erinnern. Ich glaube, das war, als ich die erste Tour 2012 mit „Baby Blues“ gemacht habe und das Konzert im Hamburger "Kampnagel" ausverkauft war. Da habe ich gedacht, dass es jetzt ernst wird.
„Babyblues“ erschien 2012, das Album „Moody Blues“ folgte 2014; jetzt am 31. März erscheint “Mermaid Blues“. Alle 3 Alben beinhalten den Namen BLUES, aber es ist kein Blues im eigentlichem Sinn …
Ich verwende das Wort Blues, weil ich eigentlich Blues, als den Ursprung aller Musik sehe und es als Homage betrachte. Jede Musik, die wir heute hören, stammt vom Blues ab. Die Titel davor bezeichnen eigentlich die Lebensabschnitte, in denen ich mich gerade befand. Jetzt ist es der Lebensabschnitt der Meerjungfrau.
Warum im aktuellen Album die Meerjungrau?
Ich brauche als Künstlerin immer ein Über-Thema und da wollte ich mich einmal mit der Mythologie der Meerjungfrau beschäftigen, weil mich das als Kind schon fasziniert hat. Die Geschichte der Figur, die halb Fisch und halb Frau ist, bewegt sich in zwei Universen und taucht in Ägypten ebenso wie in Griechenland und Westafrika auf. Das fasziniert mich. Sie polarisiert, sie ist stark, angstfrei und sie kann sowohl auf der Erde als auch im Wasser leben. Eine Meerjungfrau beherrscht sozusagen beide Königreiche.
Wie würdest du deine Musik selbst beschreiben?
Ich finde ganz cool, was die Rolling Stones in dieser Netflix-Doku gesagt haben, nämlich dass es ohne Muddy Waters und Chuck Berry auch keine Rolling Stones gegeben hätte. Was mich als Schwarzkünstlerin so motiviert hat, bzw. die Fragen, die aufgetaucht sind: Haben wir jetzt so viele verschiedene Musikgenres? Und bekennen wir uns eigentlich immer zu unseren Wurzeln? Der Blues wurde ja von Sklaven auf den Plantagen gesungen. Aber nicht nur, um Geschichten zu erzählen, sondern in erster Linie, um miteinander zu kommunizieren. Um Fluchtwege weiterzuleiten. Das hat sich dann mit dem Folk vermischt; darüber könnte ich schon alleine ein ganzes Interview machen. ☺ Der Ursprung, auch von dem, was ich verkörpere, ist nicht etwas, was ich neu erfunden habe. Wir erfinden das Rad nicht neu, nur weil wir uns 5000 verschiedene Musikgenres ausdenken, sondern weil wir immer zu dem zurückkehren, was uns Menschen bewegt, wonach wir suchen und was uns antreibt. Musik muss von jedem, der sie hört, subjektiv beschrieben und bewertet werden.
Deiner Biografie nach zu urteilen sprichst du mehrere Sprachen, warum singst nur in englisch?
Weil es die Sprache ist, in der ich aufgewachsen bin. Meine Kindheit in Ghana fand nur in englisch statt: englischer Kindergarten, englische Schule, die ersten Bücher, die ich las und die ersten Texte, die ich schrieb. Auch die Kommunikation mit meinem Vater, der heute noch in Afrika lebt und zu dem ich einen sehr engen Kontakt habe – wir telefonieren jede Woche einmal miteinander – findet in englisch statt. Wenn ich Geschichten von früher erzähle, muss ich in der Sprache sprechen, mit der alles begonnen hat. Es ist sozusagen das, was man in Deutschland mit "Muttersprache" bezeichnet.
Für die beiden ersten Alben wurdest du für den ECHO nominiert; welche Erwartungen hast du für "Meermaid Blues"?
Einfach mit noch mehr Menschen in Kommunikation zu treten. Ich selber verkörpere mich, so wie ich bin. Ich bin aus so vielen verschiedenen Dingen gemacht und meine Auftritte kommen aus so vielen verschiedenen Quellen. Man kennt mich bisher im deutschsprachigen Raum, aber es gibt so viel mehr da draussen - ich möchte auch die Welt darüber hinaus erreichen.
Schreibst du deine Texte selbst und was inspiriert dich?
Ja, ich kann nur das singen und performen, was ich selbst schreibe. Was mich inspiriert, sind meistens die Dinge, über die man nicht spricht.
Du hattest beim 1. und 2. Album keine Angst mit „Tamba“ (Thema Kinder-Soldaten) und „Off the Boat“ (Flüchtlingsdrama im Mittelmeer) politische Themen aufzugreifen. Gibt es im dritten Album wieder ein politisches Statement?
Was ich definitiv sage, dass ich nicht nur über mich schreiben kann und will. Andere Themen inspirieren und fesseln mich ganauso wie mein eigenes Leben. Auf Mermaid-Blues gibt es immer wieder Textfragmente, die solche Themen ansprechen. Ich bin eine Frau, die in dieser Welt lebt und bestimmte Dinge wahrnimmt und verarbeitet. Für mich ist es menschlich, ich hoffe nicht nur für mich, dass man sich nicht nur um sich selbst dreht. Diese "ICH-ICH-ICH-Kultur" ist mir ein Graus.
Man vergleicht dich musikalisch mit Größen wie Billie Hollyday, Erikah Baduh, Nina Simone und Sadé. Ist das für dich eher ein Kompliment oder eine Belastung?
Ich finde, man muss immer credit geben. Ich habe das Rad nicht neu erfunden mit meiner Musik. Das Einzige was neu an mir ist, bin ich. Mich gibt es nur einmal. ☺ Aber das, was ich mache, wurde schon von vielen Frauen vor mir gemacht. Ich mache es nur eben auf meine Art. Alles andere ist wieder subjektive Wahrnehmung von anderen Menschen, die über mich schreiben.
Hast du darüber hinaus überhaupt musikalische Vorbilder?
Ja, Sadé ist durchaus eines meiner musikalischen Vorbilder. Ich sehe das ähnlich wie Quentin Tarentino, der ja auch immer seine Lieblingsgenres zitiert. So mache ich das auch mit der Musik. Das Lied „King of the Dark“ auf dem „Mermaid“- Album soll explizit eine Hommage an Sadé sein. Ich finde es wichtig, das Musiker zitiert werden und verrate, wo sie ihre Einflüsse her haben.
Du bist u.a. mit Max Mutzke und in den Vorprogrammen von Erykah Badu und Clueso aufgetreten. Gibt es noch SängerInnen/eine Sängerin mit denen du gerne eine Platte machen möchtest?
Da bin ich immer offen für. Eigentlich ist ja jedes Album immer eine Zusammenarbeit mit verschiedenen Leuten aus der Musikbranche. Es ist zwar mein Projekt, aber nur darum, weil ich mich dazu entscheide, mit diversen Menschen zusammen zu arbeiten. Als erstes muss da das Gefühl und der gegenseitige Respekt zueinander stimmen. Ich habe lange gebraucht, um die richtigen Produzenten zu finden, die eine Frau verstehen. Die fliegen einem ja nicht einfach zu. ☺ Es ist auch Glücksache, Leute zu finden, die deine Musik verstehen und gut umsetzen und sich nicht unbedingt dadurch selbst verwirklichen wollen.
Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Y´akoto im März 2017 geführt.