Lilo Wanders wird 70 Hamburgs Travestie-Star startet noch einmal durch!
Lilo Wanders wird 70 Jahre jung – am kommenden Montag (22.September) feiert der berühmte deutsche Travestie-Star seinen runden Geburtstag. Zum Jubiläum hat der Entertainer, der mit richtigem Namen Ernie Reinhardt heißt, nun auch über Einsamkeit und Depressionen gesprochen.
Wanders, eine „alternde Diva“?
Der 1955 in Celle geborene Schauspieler begann seine Karriere in Hamburg, mit 18 Jahren brach er sein Studium ab und wurde Mitglied in einem Schwulenchor und einem schwulen Theaterverein. Nach und nach machte er sich mit Soloprogrammen in der Hansestadt vor allem innerhalb der schwulen Community sowie in der alternativen Theaterszene einen Namen, bevor er 1988 Mitbegründer des Schmidt Theaters auf der Reeperbahn wurde. Hier entstand kurz darauf auch seine schillernde Kunstfigur Lilo Wanders, einstmals angelegt als „bissige, alternde Theaterdiva.“
Deutschlandweit bekannt wurde Reinhardt alias Wanders durch die Auftritte in der NDR-Sendung „Schmidt Mitternachtsshow“. Danach folgte zehn Jahre lang bis 2004 die Moderation als Sex-Expertin der Vox-Sendung „Wa(h)re Liebe“, mit der Lilo Wanders zur Ikone der queeren Community wurde. Berühmt bis heute ihr Leitspruch: „Öffnet die Herzen – herzt die Öffnungen“. Heute sagt Reinhardt dazu gegenüber der Deutschen Presse Agentur: „Ich wollte das nicht mit der Keule machen. Man braucht Empathie und Humor für so ein Unterleibs-Magazin. Ich hatte immer den gesunden Abstand eines Leichenwäschers.“ Es folgten zahlreiche weitere Theaterauftritte, Gala-Abende und Rollen in Kino- und Fernsehfilmen. Zudem war „die Wanders“ gern gesehener Gast in „Blond am Freitag“ (ZDF). Als Mitglied der Olivia-Jones-Familie führt Wanders außerdem seit 2012 Interessierte auch über die Reeperbahn.
Engagement für die Community
Privat lebt der schwule Reinhardt in offener Ehe mit seiner Frau Brigitte in Hamburg sowie auf einem Bauernhof im Umland, gemeinsam haben sie drei Kinder. Drei Mal habe er eine tiefer Verbundenheit zu einem Mann erlebt, danach aber auch immer viel Herzschmerz. Sein Engagement für die Community ist bis heute ungebrochen, immer wieder setzte er sich lautstark für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und queeren Menschen ein und kämpfte bereits in den 1970er Jahren gegen den schwulen Verbotsparagrafen 175.
Darüber hinaus ist er Initiator, Vorstand und Mitbegründer der „Come Out! Stiftung“, die seit 2022 queere Jugendliche unterstützt. Gegenüber SCHWULISSIMO erklärte Wanders: „Ich glaube, zur Ablehnung anderer Menschengruppen führen oft eigene Unsicherheiten oder auch mangelnde Bildung. Alles, was irgendwie auffällt, weil es nicht der Standard ist, wird als Störung oder Bedrohung wahrgenommen. Dabei ist es doch gerade das Besondere jedes einzelnen Menschen, was unser Leben so spannend macht.“ 2023 wurde der Künstler für sein Lebenswerk mit dem Jürgen-von-Manger-Preis ausgezeichnet.
Viel vor mit 70 Jahren
Jetzt zum runden Geburtstag geht Reinhardt mit seiner neuen Autobiografie „Waren Sie nicht mal Lilo Wanders?“ auf Lesereise im Norden, dazu gibt´s viele Medientermine, ein neues Bühnensolo in nächster Zeit und eine große Gala: „Das hätte ich auch mal nicht gedacht, dass mein Leben noch mal so an Fahrt aufnimmt“, so Reinhardt gegenüber der dpa. Der Focus lobt die Autobiografie als hochsensibel, gerade angesichts Reinhardts Vergangenheit, die durch Armut, emotionale Vernachlässigung seitens der Eltern und mehrere Todesfälle überschattet ist.
Dazu kam das eigene Coming-Out als schwuler Junge in der Provinz: „Ich habe irgendwann entdeckt, wenn ich jemand anderes bin, kann ich ´ich´ sein. Deshalb der Wunsch, zur Bühne zu gehen.“ Eitel Sonnenschein war sein Leben fortan trotzdem nicht durchwegs: „Und ich weiß auch, was Depression und grundlegende Einsamkeit heißt, immer wieder. Aber dann tritt das mir anerzogene Pflichtgefühl hinzu – das Dem-nicht-nachgeben-dürfen.“ Ein Suizidversuch mit 18 Jahren bezeichnet er heute als Tiefpunkt jener Zeit.
Viel Liebe und mehr
Heute erfährt Wanders viel Liebe – auch von Hamburgs Senator für Kultur und Medien, Carsten Brosda (SPD): „Mit viel warmherzigem Humor zeigt Lilo Wanders uns immer wieder, wie wundervoll eine bunte, vielfältige Gesellschaft ist, in der alle leben und lieben können, wie sie wollen.“
Und wie sieht es mit 70 Jahren in puncto Sex und „herzt die Öffnungen“ bei Reinhardt alias Lilo Wanders aus? „Sex kann sein wie ein Besuch im Imbiss – schnell den Hunger gestillt und danach vergessen. Mein Bestreben ist das nicht, aber natürlich habe ich Verständnis dafür – wenn alle Beteiligten es wollen. Aber wenn man einmal das andere erfahren hat, also das zelebrierte Dinner, dann ist einem auch klar, dass das eine Stufe darüber ist.“ Happy Birthday!