Der Wahnsinn der Welt Ist Isolation der richtige Weg? Nein! Warum das so ist, zeigt die Komödie Winterhuder Fährhaus mit "Spiel gewinnt" in Hamburg
In Hamburg feiert heute ein besonderes Theaterstück Premiere – mit dabei Désirée Nick. Erzählt wird die Geschichte eines schwulen IT-Spezialisten, der dank Smart Home gar nicht mehr nach draußen will, um so dem Wahnsinn der Welt zu entfliehen. Kommt dir das bekannt vor? Spätestens dann solltest Du dir „Spiel gewinnt“ nicht entgehen lassen. SCHWULISSIMO traf Regisseur Gerd Lukas Storzer zum Gespräch.
Gerd Lukas, was hat dich an dem Stück von Karsten Laske gereizt?
Karsten hatte mit seinem Stück den zweiten Autorenwettbewerb der Komödien Berlin und Hamburg gewonnen und damit quasi eine Garantie für die Uraufführung des Stückes. „Spiel gewinnt“ ist auf herrlich beiläufige Weise queer, ohne das Schwulsein der Hauptfigur zum Thema oder gar zum Problem zu machen. Ich war von Anfang an fasziniert von Karstens Sprachwitz, seinem Können, Figuren zu überzeichnen und sie trotzdem zutiefst menschlich rüberkommen zu lassen. Außerdem wartet das Stück mit einem Schluss auf, der alle Mittel des Boulevardtheaters radikal ignoriert und ein echter Knalleffekt ist.
Schwule Zuschauer dürfen sich insbesondere auf Désirée Nick freuen, zwischen ihr und der Gay-Community besteht ja seit Jahren eine besondere Verbindung. Wie war es für Dich als schwuler Regisseur mit „der Nick“ zusammenzuarbeiten? Zicken-Terror oder Harmonie pur?
Tatsächlich Letzteres. Ich stand mit Désirée schon zusammen im Berliner Schlossparktheater auf der Bühne und wusste daher, dass sie Profi durch und durch und absolut teamfähig ist. Das kultvierte Image und das wahre Leben sind dann halt doch zwei Paar Stiefel. Außerdem haben wir einen ähnlichen Humor und lachen sehr viel auf den Proben. Es ist rundum ein großes Vergnügen, mit ihr zu arbeiten.
In der Komödie lebt der IT-Spezialist Felix in seinem „Super Smart Home“, jenseits der Realität außerhalb. Das ist auch in der Community allgegenwärtig, bedenkt man, dass viele schwule Jungs nur noch online daten. Brauchen wir wie im Theaterstück auch jemanden, der uns von den Bildschirmen wegzerrt?
Als verheirateter Mann, der seinen „Göttergatten“ auf einer App kennengelernt hat, bin ich wohl der Letzte, der über Dating-Plattformen herziehen sollte. Und manchmal denke ich: Hätte es entsprechende Tools schon gegeben, als ich als Teenie in der Provinz mein Coming-Out hatte, wäre mein Start ins schwule Leben vielleicht etwas aufregender und leichter gewesen. Viel schwieriger finde ich die sozialen Bubbles und, dass sich jede*r eine eigene, völlig faktenfreie Realität zurechtsurfen kann. Das hat viel mit dem globalen Horror zu tun, den wir gerade erleben müssen. Da könnte eine beste Freundin, die einen vom Bildschirm wegzerrt und ins wahre Leben zwingt, tatsächlich Gold wert sein. In unserem Stück jedenfalls bewirkt sie wahre Wunder!

Blicken wir uns aktuell um in dieser Welt, zwischen Rechtsruck, LGBTIQ+-Rollback und Trump in den USA, kann man durchaus Sympathien für die selbstgewählte Isolation von Eremit Felix im Stück entwickeln. Warum ist das trotzdem der falsche Weg?
Es ist bei allem Verständnis natürlich der falsche Weg. Es war immer die Sichtbarkeit, die uns Fortschritte gebracht hat. Wenn Du eine queere Person kennst oder bestenfalls mit ihr befreundet bist, wird es viel schwieriger, gegen sie zu polemisieren oder ihr Rechte zu verweigern. Wenn Du als queere Person aber in einem Dorf voller Nazis lebst und dort aus welchen Gründen auch immer nicht weg kannst, verstehe ich den Rückzug ins Private nur zu gut. Ich bewundere die Leute, die auf den Mini-CSDs in der Ostprovinz um ihre Unversehrtheit fürchten müssen und sich trotzdem mutig den Gaffern und Hatern entgegenstellen. Wenn wir alle so mutig wären, wäre schon viel gewonnen.
Inzwischen gibt es KI-gesteuerte intelligente Kühlschränke, die uns erklären, was wir besser nicht essen sollen und wann die Milch schlecht wird. Auf der anderen Seite können mittels Dating-Apps wie von dir angesprochen auch queere Menschen auf dem Land besser miteinander kommunizieren. Welche digitalen Helferlein findest Du sinnvoll und wo beginnt es Dich zu gruseln?
Die Apps wie gesagt find ich absolut okay. Und ja, auch meinem Roboter-Staubsauger guck´ ich gerne zu. Großes Thema in unserer Branche ist aber natürlich die KI und die Folgen für unsere Jobs. Theater wird immer live sein, aber Kolleg*innen, die viel drehen oder synchronisieren, sind gerade extrem verunsichert und in Alarmstimmung. Und es gruselt mich natürlich, wenn ich einen Amok laufenden Wahnsinnigen wie Elon Musk sehe und mir vorstelle, wie viel digitale Macht in den Händen von einigen wenigen, unberechenbaren Menschen liegt, die in der Lage sind, ganze politische Systeme nach ihrem Geschmack umzugestalten. In den digitalen Anfängen waren es vor allem die Chancen, die meine Einstellung zum Thema dominierten, jetzt sieht man aber leider: Die schlimmsten Befürchtungen werden gerade wahr.
Gerd Lukas, vielen Dank für das Gespräch.
SPIEL GEWINNT
Uraufführung von Karsten Laske
Regie: Gerd Lukas Storzer
Mit Désirée Nick, Hubertus Brandt und Katrin Filzen
28. Februar bis 6. April 2025