PrEP-Notlage Hersteller wollen schnell Nachschub liefern – Apotheker sehen das noch kritisch
Die Versorgungsnotlage bei der HIV-Prophylaxe PrEP („Prä-Expositions-Prophylaxe“) ist nach wie vor dramatisch, in ganz Deutschland gibt es seit Dezember letzten Jahres massive Lücken. Erstmals hat sich jetzt auch das Bundesgesundheitsministerium zu Wort gemeldet und offiziell den Versorgungsmangel bestätigt. Das Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat daraufhin nun angekündigt, dass zwei Pharmafirmen zeitnah Nachschub bereitstellen könnten – die Hoffnung ist groß, dass sich die Situation in den nächsten Wochen entspannen könnte.
HIV-Experten haben dabei immer wieder in den letzten Wochen auf die Notlage hingewiesen, weil das Medikament nicht „nur“ als Prophylaxe einer HIV-Infektion eingenommen wird, sondern auch als Therapiemöglichkeit für Menschen mit HIV Anwendung findet, bei der sonst andere Therapieformen nicht mehr greifen.
Wann entspannt sich die Notlage wirklich?
Wann sich die Versorgungslage allerdings tatsächlich konkret wieder normalisiert haben könnte, ist indes noch unklar. „Sehr kurzfristig“ wollen demnach Ratiopharm und Heumann größere Mengen ihrer Emtricitabin/Tenofovir-haltigen Arzneimittel bereitstellen. Das BfArM hofft auf eine „deutliche Stabilisierung der Versorgungslage in wenigen Tagen.“
Die Einschätzung von einigen Fachleuten ist indes eine andere – der Kölner Apotheker Dirk Vongehr, Inhaber einer auf HIV spezialisierten Apotheke, erklärte: „Die bislang angekündigten Mengen sind weit davon entfernt, für die nächsten drei Monate zu halten.“ Zudem hat das Pharmaunternehmen Heumann als Liefertermin auch auf Rückfrage immer noch März angegeben. Das Versprechen einer kurzfristigen Entspannung wird daher vielerorts in Deutschland noch skeptisch und zurückhaltend aufgenommen.
Das Bundesgesundheitsministerium hatte diesbezüglich bestätigt: „Aktuell bieten 20 pharmazeutische Unternehmen die genannte Arzneimittelkombination in Deutschland an, davon allerdings nur vier Unternehmen mit größeren Warenmengen. Bei drei Anbietern mit einem Marktanteil von zusammen 70 Prozent sind Lieferengpässe gemeldet.“ Gründe für die Engpässe seien laut der Hersteller Probleme und Verzögerungen bei der Herstellung sowie eine erhöhte Nachfrage.
Finanzierung teilweise noch unklar
Unklar ist überdies auch noch die Frage der Finanzierung, eine eindeutige Zusage des Verbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) fehlt noch mit Blick auf Medikamenten-Importe aus dem Ausland. Ob und wie viele PrEP-Tabletten jetzt als erster Nachschub allerdings tatsächlich aus dem Ausland kommen werden, ist ebenso noch nicht klar. HIV-Experten forderten bereits den GKV-Spitzenverband auf, die Kostenübernahme für alle verfügbaren Präparate klar zuzusichern.
Langfristiger Schaden befürchtet
Ärzte sowie Apotheker hatten sich in den letzten Wochen auch deswegen besorgt gezeigt, weil die zu lange nicht ausreichend beachtete Notlage nicht nur zu aktuellen Engpässen bei der Versorgung der Patienten führt, sondern auch einer langfristigen HIV-Prävention zuwiderlaufen könnte und damit auch das Vertrauen vieler Verbraucher minimiert werden könnte – am Ende könnte es so zu einem erneuten Anstieg bei den HIV-Neuinfektionen in Deutschland kommen.
Aktuell nutzen rund 40.000 Menschen in der Bundesrepublik die PrEP, beinahe ausnahmslos sind dies schwule und bisexuelle Männer. Vor der Krise bestand eines der Ziele darin, das Medikament auch für sexpositive heterosexuelle Menschen attraktiver zu machen, um so die Zahl der Neu-Infektionen weiter absenken zu können. Noch immer herrscht in Teilen der deutschen Bevölkerung der Irrglaube vor, die PrEP sei ein Medikament nur für homosexuelle Männer.