Verstoß gegen die Redefreiheit Oberstes Gericht lehnt Floridas Antrag auf Durchsetzung des Anti-Drag-Show-Gesetzes ab
Dieses Jahr verabschiedete Florida ein Gesetz, das es Minderjährigen verbietet, sexuell expliziten Live-Shows für Erwachsene beizuwohnen. Obwohl Drag-Shows im Gesetzestext nicht explizit erwähnt sind, ist doch allen klar, worum es dabei geht. Nachdem ein Bezirksgericht die Durchsetzung des Gesetzes verboten hatte, richtete Florida ein Gesuch an den Obersten Gerichtshof. Dieses wurde nun abgelehnt.
Florida gegen LGBTI*-Rechte
Im Mai unterzeichnete Floridas Governor Ron DeSantis, der sich bei der nächsten Wahlperiode als Präsidentschaftskandidat der repulikanischen Partei aufstellen lassen will, das Gesetz zum Schutz von Kindern (Protection of Children Act, SB 1438) als Teil des umstrittenen LGBTI*-feindlichen Gesetzespakets, das weithin als „Don’t Say Gay“ bezeichnet wird. Die auch als „Anti-Drag-Gesetz“ bezeichnete Bestimmung will Kinder vor „sexuell expliziten Aufführungen an allen Veranstaltungsorten“ schützen. Wer wissentlich zulässt, dass Minderjährige solche Shows sehen, riskiert nicht nur Bußgelder, sondern auch einen Entzug der Ausschanklizenz oder gar der Betriebserlaubnis.
Geschützt werden sollen Minderjährige hier vor „jeder Show, Ausstellung oder sonstigen Darbietung, die … Nacktheit, sexuelles Verhalten, sexuelle Erregung, bestimmte sexuelle Handlungen, …unzüchtiges Verhalten oder die unzüchtige Entblößung von Genitalien oder Brustprothesen oder -imitaten darstellt oder simuliert“. Also alles Dinge, die auch auf familienfreundliche Drag-Performances und Pride-Events zutreffen könnten.
Von Gerichten blockiert
Das Restaurant Hamburger Mary’s in Orlando, das „familienfreundliche Drag-Shows“ veranstaltet, klagte gegen das Gesetz. Die Vertretung des Restaurants argumentierte damit, dass die Aufführungen „Minderjährigen nicht schaden, aber wahrscheinlich trotzdem gegen das Gesetz verstoßen, da es zu weit gefasst und zu unbestimmt ist“. Ein Bezirksgericht blockierte daraufhin die Durchsetzung des Gesetzes – nicht nur gegen Hamburger Mary’s, sondern im ganzen Staat. Grundlage der Entscheidung war der erste Verfassungszusatz. Dieser besagt, dass der Kongress kein Gesetz zulassen darf, das die Religions-, Presse-, Versammlungs- oder Redefreiheit beschränkt. Das Bezirksgericht erklärte, dass das Gesetz zu vage formuliert sei und Schlüsselbegriffe wie „unzüchtiges Verhalten“ nicht definiere.
Florida legte Berufung beim Bundesberufungsgerichtshof in Atlanta ein, weil der Staat nicht glaubt, dass ein Bezirksgericht die Macht hat, die Durchsetzung eines Gesetzes aufgrund einer einzelnen Klage im ganzen Staat auszusetzen. Die Entscheidung steht noch aus.
Vor dem Obersten Gericht
Florida stellte daraufhin einen Dringlichkeitsantrag an den Obersten Gerichtshof. Der Staat wollte, dass die Beschränkung bis zur Verkündung des Urteils des Berufungsgerichts lediglich für Hamburger Mary’s gilt und das Gesetz im restlichen Staat vollstreckt werden darf. Das wies der Oberste Gerichtshof am Donnerstag zurück. Sechs von neun Richtenden – darunter drei Konservative – stimmten gegen den Antrag. Dafür waren lediglich Samuel Alito, Neil Gorsuch und Clarence Thomas.
Der konservative Oberste Richter Brett Kavanaugh erklärte seine Entscheidung gegen Floridas Gesuch damit, dass diese eng gefasste Frage keine sei, mit dem sich das Gericht normalerweise befassen würde. „Dieser Fall ist daher ein unzulängliches Mittel, um die allgemeine Frage zu erörtern, ob ein Bezirksgericht einer Regierung untersagen kann, ein Gesetz gegen nicht am Rechtsstreit beteiligte Personen durchzusetzen.“ Die ebenfalls konservative Amy Coney Barrett, die Donald Trump noch kurz vor Ende seiner Präsidentschaft zur Obersten Richterin ernannte, schloss sich seiner Meinung großteils an.
Hintergrund zur Klage
Hamburger Mary’s ist ein LGBTI*-freundliches Burger-Restaurant mit Drag-Thema, dessen Wurzeln in San Fransisco liegen. Seit 1972 gibt es mehr als ein duzend Filialen überall in den USA. Die Niederlassung in Orlando besteht seit 2008. Das Restaurant bietet verschiedene Themen-Veranstaltungen und Drag-Brunches an. Mike Carpenter und John Paonessa, die Orlandos Hamburger Mary’s gemeinsam führen, sahen sich durch die Einführung des Gesetzes gezwungen, die sonntäglichen Drag-Performances abzusagen. Die daraus resultierenden Absagen und fehlende Nachfrage resultierten laut der Klage in zwanzig Prozent weniger Reservierungen.
Auf Facebook schrieb das Restaurant: „Dieser Gesetzentwurf hat nichts mit Kindern zu tun und alles mit der fortwährenden Unterdrückung der LGBTI*-Community. Immer, wenn unsere Gesetzgeber eine Gruppe dämonisieren wollen, sagen sie, dass die Gruppe hinter den Kindern her ist. In diesem Fall wird die falsche Behauptung aufgestellt, dass Drag-Queens die Kinder anwerben und rekrutieren – ohne, dass es eine faktische Grundlage oder eine Geschichte gibt, die diese Anschuldigungen auch nur annähernd stützt!“