Direkt zum Inhalt
Zwangsouting in Jordanien

Zwangsouting in Jordanien Massive Einschüchterungsversuche von Schwulen und Lesben

ms - 18.08.2023 - 13:00 Uhr
Loading audio player...

Mit perfiden Mitteln geht in den letzten Wochen verstärkt offenbar die jordanische Geheimpolizei gegen Homosexuelle vor und schreckt auch vor einem Zwangs-Outing vor den Familien nicht mehr zurück. Zudem wurden jetzt zwei der größten LGBTI*-Organisationen im Land gezwungen, zu schließen. Die Lage im Land für Homosexuelle scheint sich schrittweise weiter zu verschlechtern.

Zwangs-Outing vor religiösen Familien

Mehrere Menschenrechtsgruppen berichten darüber, dass Aktivisten entführt, schikaniert und überwacht wurden und dass ihre Homosexualität vor allem vor religiös konservativen Familien geoutet wurde. Das Ganze sei Teil einer gezielten Angriffsstrategie gegenüber Schwulen und Lesben, ausgeführt von der jordanischen General Intelligence Directorate (GID).

Gegenüber dem britischen Guardian erklärte der Leiter einer geheimen LGBTI*-Gruppe im Land, dass es immer wieder auch zu illegalen Verhaftungen und brutalen Verhören kommen würde. Die Einschüchterungen erfolgen, obwohl Jordanien eines der wenigen Länder des Nahen Ostens ist, in dem gleichgeschlechtliche Beziehungen entkriminalisiert wurden. Allerdings gibt es bis heute weder einen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung noch eine gleichgeschlechtliche Ehe.  

Mordaufrufe von hohen Geistlichen

Dass sich die Lage anscheinend weiter verschlechtert, bestätigten jetzt auch Mitarbeiter von Rainbow Street, einer Organisation, die gefährdeten Personen im Nahen Osten und in Nordafrika Schutz und Unterstützung bei Asylanträgen bietet. In Jordanien mussten sie zuletzt auf Druck der Geheimpolizei ihre Arbeit ganz einstellen.

Immer wieder wurden Mitarbeiter in Autos gezerrt, anschließend wurde mit strafrechtlichen Konsequenzen, öffentlichen Outings und auch mit Gewalt gedroht. Mehrfach soll es auch zu durchgehenden Überwachungsaktionen von Menschenrechtsaktivisten gekommen sein. Viele homosexuelle Mitarbeiter sind inzwischen ins Ausland geflüchtet, fürchten aber, dass ihre Familien nun weiteren Repressalien seitens der Sicherheitsdienste ausgesetzt sein könnten.

Das hat auch anderweitig immer drastischere Auswirkungen. Im Fernsehen darf inzwischen nicht mehr von Homosexualität gesprochen werden – möchte man Schwule und Lesben benennen, soll die Bezeichnung „sexuelle Abweichung“ verwendet werden. Der libanesische Geistliche und Chef der iranfreundlichen militanten Hisbollah rief dann kürzlich direkt dazu auf, Homosexuelle zu töten.

Nie erkannt, wie brutal das System wirklich ist

Rasha Younes von Human Rights Watch (HRW), erklärte, dass die jordanischen Behörden zwar bereits seit 2015 hart gegen Homosexuelle vorgingen, zuletzt aber ihre Angriffe noch einmal radikalisiert hätten: „Je mehr Sichtbarkeit die LGBT-Bewegung erlangt hat, desto intensiver wurde das Vorgehen gegen die Gemeinschaft. LGBT-Personen, die sich geoutet haben, berichteten, dass sie ihren Arbeitsplatz verloren haben, Gewalt in der Familie, einschließlich körperlicher Misshandlung, erlitten haben, in ihrem Leben bedroht wurden... und aus dem Land geflohen sind, weil ihnen Verfolgung drohte.“ Dabei räumt Younes auch eine gewisse Naivität in den eigenen Reihen ein: „Wir haben nie erkannt, wie stark, groß und brutal das System ist. Egal, was du tust, wenn sie dich holen wollen, werden sie es tun.“

Hass innerhalb von Familien

Warum Jordanien so massiv mobil gegen Homosexuelle macht, kann indes nur spekuliert werden. Menschenrechtsaktivisten befürchten, dass auf dem Rücken von Homosexuellen ein genereller Abbau von Bürgerrechten und Freiheiten das Ziel sein könnte. „Die Aufwiegelung und Bewaffnung der Gesellschaft gegen homosexuelle Menschen ist ihre Taktik. Die Regierung würde dich nicht umbringen oder ins Gefängnis stecken, weil du schwul bist. Aber sie lassen deine Familie dich töten“, so einer der Mitarbeiter von Rainbow Street gegenüber dem Guardian.

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Nach Hakenkreuz-Skandal

AfD scheitert erneut

Der parteilose Daniel Born durfte nach dem Hakenkreuz-Eklat vor vier Monaten erneut über die Wahl von AfD-Vertreterinnen und -Vertretern abstimmen.
Rückschritt für Paare

Bruch mit Gleichbehandlungsregel

Der Gesetzesentwurf von Claudio Borghi, die Hinterbliebenenrente in zivilen Lebensgemeinschaften abzuschaffen, sorgt in Italien für große Debatten.
Kostenabwägung in der Medizin

Debatte zu Versorgungsethik

Die Frage, ob sehr alte Menschen weiterhin kostspielige Medikamente erhalten sollten, führte zu breitem Protest aus Kreisen des Patientenschutzes.
Trotz Fahndung unauffindbar

Debatte um Selbstbestimmungsgesetz

Nach zweieinhalb Monaten Fahndung bleibt Marla Svenja Liebich, die zuvor als Sven Liebich wegen Volksverhetzung verurteilt worden war, verschwunden.
Menschenrechtslage in Malawi

UN überprüft Schwulen-Verbot

Malawi in Ostafrika muss sich vor den Vereinten Nationen jetzt für die Schwulen-Verbote verantworten, die bis heute Haftstrafen von 14 Jahren vorsehen
Homo-Ehe in den USA

Der Kampf ist nicht vorbei

Der US-Supreme Court stärkte die Homo-Ehe in dieser Woche, doch christliche Hardliner betonten jetzt: Der Kampf ist noch lange nicht vorbei.
Flucht nach Argentinien

Genug von Putins Hass auf LGBTIQ+

Mehrere tausend homosexuelle und queere Russen sind 2025 nach Argentinien emigriert – ein Leben in ihrer Heimat scheint immer mehr unmöglich zu sein.