Zwangsouting in Jordanien Massive Einschüchterungsversuche von Schwulen und Lesben
Mit perfiden Mitteln geht in den letzten Wochen verstärkt offenbar die jordanische Geheimpolizei gegen Homosexuelle vor und schreckt auch vor einem Zwangs-Outing vor den Familien nicht mehr zurück. Zudem wurden jetzt zwei der größten LGBTI*-Organisationen im Land gezwungen, zu schließen. Die Lage im Land für Homosexuelle scheint sich schrittweise weiter zu verschlechtern.
Zwangs-Outing vor religiösen Familien
Mehrere Menschenrechtsgruppen berichten darüber, dass Aktivisten entführt, schikaniert und überwacht wurden und dass ihre Homosexualität vor allem vor religiös konservativen Familien geoutet wurde. Das Ganze sei Teil einer gezielten Angriffsstrategie gegenüber Schwulen und Lesben, ausgeführt von der jordanischen General Intelligence Directorate (GID).
Gegenüber dem britischen Guardian erklärte der Leiter einer geheimen LGBTI*-Gruppe im Land, dass es immer wieder auch zu illegalen Verhaftungen und brutalen Verhören kommen würde. Die Einschüchterungen erfolgen, obwohl Jordanien eines der wenigen Länder des Nahen Ostens ist, in dem gleichgeschlechtliche Beziehungen entkriminalisiert wurden. Allerdings gibt es bis heute weder einen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung noch eine gleichgeschlechtliche Ehe.
Mordaufrufe von hohen Geistlichen
Dass sich die Lage anscheinend weiter verschlechtert, bestätigten jetzt auch Mitarbeiter von Rainbow Street, einer Organisation, die gefährdeten Personen im Nahen Osten und in Nordafrika Schutz und Unterstützung bei Asylanträgen bietet. In Jordanien mussten sie zuletzt auf Druck der Geheimpolizei ihre Arbeit ganz einstellen.
Immer wieder wurden Mitarbeiter in Autos gezerrt, anschließend wurde mit strafrechtlichen Konsequenzen, öffentlichen Outings und auch mit Gewalt gedroht. Mehrfach soll es auch zu durchgehenden Überwachungsaktionen von Menschenrechtsaktivisten gekommen sein. Viele homosexuelle Mitarbeiter sind inzwischen ins Ausland geflüchtet, fürchten aber, dass ihre Familien nun weiteren Repressalien seitens der Sicherheitsdienste ausgesetzt sein könnten.
Das hat auch anderweitig immer drastischere Auswirkungen. Im Fernsehen darf inzwischen nicht mehr von Homosexualität gesprochen werden – möchte man Schwule und Lesben benennen, soll die Bezeichnung „sexuelle Abweichung“ verwendet werden. Der libanesische Geistliche und Chef der iranfreundlichen militanten Hisbollah rief dann kürzlich direkt dazu auf, Homosexuelle zu töten.
Nie erkannt, wie brutal das System wirklich ist
Rasha Younes von Human Rights Watch (HRW), erklärte, dass die jordanischen Behörden zwar bereits seit 2015 hart gegen Homosexuelle vorgingen, zuletzt aber ihre Angriffe noch einmal radikalisiert hätten: „Je mehr Sichtbarkeit die LGBT-Bewegung erlangt hat, desto intensiver wurde das Vorgehen gegen die Gemeinschaft. LGBT-Personen, die sich geoutet haben, berichteten, dass sie ihren Arbeitsplatz verloren haben, Gewalt in der Familie, einschließlich körperlicher Misshandlung, erlitten haben, in ihrem Leben bedroht wurden... und aus dem Land geflohen sind, weil ihnen Verfolgung drohte.“ Dabei räumt Younes auch eine gewisse Naivität in den eigenen Reihen ein: „Wir haben nie erkannt, wie stark, groß und brutal das System ist. Egal, was du tust, wenn sie dich holen wollen, werden sie es tun.“
Hass innerhalb von Familien
Warum Jordanien so massiv mobil gegen Homosexuelle macht, kann indes nur spekuliert werden. Menschenrechtsaktivisten befürchten, dass auf dem Rücken von Homosexuellen ein genereller Abbau von Bürgerrechten und Freiheiten das Ziel sein könnte. „Die Aufwiegelung und Bewaffnung der Gesellschaft gegen homosexuelle Menschen ist ihre Taktik. Die Regierung würde dich nicht umbringen oder ins Gefängnis stecken, weil du schwul bist. Aber sie lassen deine Familie dich töten“, so einer der Mitarbeiter von Rainbow Street gegenüber dem Guardian.