Vizechef zahlt Bußgeld "Christliche Mitte": Urteil wegen queerfeindlicher Hetze
Ein Gerichtsurteil sorgt für Aufmerksamkeit: Das Amtsgericht Weinheim hat den bekannten Abtreibungsgegner und Vizechef der "Christlichen Mitte", Klaus Günter Annen, zu einer Geldstrafe wegen queerfeindlicher Hetze und Volksverhetzung verurteilt. Anlass war ein auf seiner Website und in Flyern verbreiteter Text, der Homosexuellen massives Fehlverhalten und moralische Minderwertigkeit unterstellte. Wörtlich hieß es zum Beispiel darin: "Homos haben mehr als sechs Millionen Aids-Tote zu verantworten, die sie ihrer widernatürlichen Lustbefriedigung geopfert haben". Die Richterinnen und Richter entschieden, dass diese Aussagen die Grenze zur strafbaren Hetze überschreiten. Die "Christliche Mitte" ist ein christlich-fundamentalistischer Verein, der nach seinem Selbstverständnis christliche Werte vertritt, sein Vizechef Annen unterhält Verbindungen zu evangelikalen und rechtsextremen Kreisen.
Historisch ist der Umgang der Justiz mit queerfeindlichen Äußerungen in Deutschland ambivalent. Während in den 2010er Jahren noch oft auf das Recht der freien Meinungsäußerung verwiesen wurde, ist seit einigen Jahren ein Umdenken zu beobachten. Die bewusste Diffamierung von Minderheiten wird verstärkt als Straftat bewertet, auch vor dem Hintergrund zunehmender Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans* und intersexuelle Menschen. Laut offiziellen Kriminalstatistiken des Bundesinnenministeriums wurden im Jahr 2023 mehr queerfeindliche Straftaten verzeichnet als je zuvor, mit einem deutlichen Anstieg um über 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Internationale Entwicklungen, wie etwa die Verschärfung von Anti-LGBTIQ+-Gesetzen in Osteuropa und eine europaweite Welle queerfeindlicher Kampagnen, unterstreichen die Bedeutung klarer Urteile gegen Hassrede.
Forderung nach Konsequenzen
In der Urteilsbegründung betonte der Vorsitzende Richter das gesellschaftliche Gefährdungspotenzial solcher Texte: Sie schüfen den „geistigen Nährboden für Übergriffe“. Die Staatsanwältin erklärte, es handle sich nicht mehr um legitime Meinungsäußerung, sondern um grenzüberschreitende Diffamierung.
„Wenn Gerichte solche Hassäußerungen nicht mehr tolerieren, gibt das der Queer-Community Rückhalt und sendet ein wichtiges Signal an die Gesellschaft“, so der Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, laut Medienberichten.
Konsequenzen für Demokratie und Zusammenleben
Das Urteil gegen Klaus Günter Annen markiert einen Paradigmenwechsel im gesellschaftlichen Umgang mit queerfeindlichen Kampagnen. Es zeigt, dass Diffamierung und Hetze auch in Deutschland nicht mehr unbedingt ohne Folgen bleiben. Für die Zukunft bleibt offen, ob das Urteil rechtlich bestätigt wird – Annen kündigte bereits Berufung an. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie nachhaltig Gerichte und Behörden Queerfeindlichkeit künftig ahnden werden und wie dies zur Sicherheit und Akzeptanz queerer Menschen beiträgt.