Neues im Blumenstock-Fall Neue Ermittlungen im Fall Rafael Blumenstock: Queerfeindlicher Mord von 1990
Im November 1990 wurde Rafael Blumenstock Opfer eines grausamen Verbrechens am Münsterplatz. Über drei Jahrzehnte nach dem Mord rollt die Kriminalsendung „Aktenzeichen XY… ungelöst“ den ungelösten Fall erneut auf: Neue Hinweise und die Hoffnung auf späte Gerechtigkeit rücken den Fall ins öffentliche Bewusstsein.
Spurensuche nach drei Jahrzehnten
Am Abend des 4. November 1990 begab sich die damals 28-jährige trans* Frau Rafael Blumenstock auf einen Kneipenbummel durch Ulm. Sie trat dabei, zeitgenössischen Polizeiberichten zufolge, häufig mit anderen Männern in Kontakt und war des öfteren in Frauenkleidung unterwegs. Gegen Mitternacht endete der Abend für Blumenstock tragisch: Auf dem Münsterplatz geriet sie in einen Streit mit mindestens zwei, vermutlich drei Männern. Die Täter versetzten ihr 19 Messerstiche und trennten die Nase ab. Die Brutalität machte den Fall zu einem der grausamsten Gewaltdelikte der Stadtgeschichte.
Die Ermittlungsakten sprechen bei solchen Exzessen von einem sogenannten „Overkill“, ein Begriff aus der Kriminalistik, der eine außergewöhnliche und über das Tatmotiv hinausgehende Gewaltanwendung beschreibt. Dieser gewaltsame Element deutet auf besondere Brutalität hin, die oft mit Hass oder Abwertung des Opfers im Zusammenhang steht.
Queerfeindlichkeit als mögliches Tatmotiv
Der Mord an Rafael Blumenstock erhält im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Bedingungen der frühen 1990er Jahre besondere Brisanz. Zeitzeugen und Forschende verweisen darauf, dass queere Menschen damals noch weit häufiger Opfer systematischer Diskriminierung und Gewalt wurden. Laut Angaben der Polizei konnte sich Blumenstock mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht nicht identifizieren. Sie war als queere oder trans* Person sichtbar, ein Umstand, der in jener Zeit ein erhebliches Risiko darstellte.
Die Ermittlerinnen und Ermittler vermuten, dass die Täter aus einem queerenfeindlichen und möglicherweise rechtsgerichteten Umfeld stammen könnten. Diese Annahme ist insbesondere vor dem Hintergrund gewaltsamer Übergriffe gegen LGBTIQ+ -Personen in den 1990ern plausibel, als rechte Gewalt in Deutschland zunahm und queere Lebensweisen selten geschützt waren. Die Tat wurde bereits damals als mögliches Hassverbrechen eingestuft.
Heute erinnert eine Gedenkstele am Ulmer Münsterplatz an Blumenstock. Der bewegende Granitstein, vom inzwischen verstorbenen Vater gestaltet, setzt der Opferpersönlichkeit ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen.
Neue Hoffnung durch Cold Case-Formate
Seit 2020 widmet sich „Aktenzeichen XY… ungelöst: Cold Cases“ der Aufklärung alter, ungeklärter Mordfälle. Auch im Fall Blumenstock setzt die Ulmer Kriminalpolizei Hoffnung in die Öffentlichkeitsfahndung: Insbesondere eine Zeugin, die zum Tatzeitpunkt in einem Wohnmobil beim Tatort übernachtete, könnte neue Hinweise liefern. Bisher fehlt jedoch von den Tätern jede Spur; die Ermittlungen liefen lange ins Leere.
„Alle Hürden in den Ermittlungen nehmen wir noch einmal in Angriff. Die gesellschaftliche Aufarbeitung dieser Straftaten ist ein Auftrag“, so ein leitender Kriminalbeamter im ZDF-Magazin.
Dieser Ansatz reflektiert einen Wandel: Die Kriminalpolizei nimmt Hassverbrechen gegen queere Personen heute ernster und setzt gezielt auf das Erinnern und Aufarbeiten.
Die Wiederaufnahme des Falls schafft nicht nur für die Angehörigen von Rafael Blumenstock neue Hoffnung auf Gewissheit und Gerechtigkeit. Für die queere Community stellt der Fall ein Mahnmal dar: Hassmotivierte Gewalttaten sind keine bloßen Randereignisse, sondern betreffen die Sicherheit und Sichtbarkeit von Minderheiten direkt. Auch aktuelle Studien zeigen, dass immer noch ein beträchtlicher Anteil queerer Menschen in Deutschland Erfahrungen mit Anfeindungen und Angriffen machen muss.