Vorwurf des Pink-Washings Drei Monate Schweigen, bevor die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen halbherzig zum Pride-Verbot in Ungarn reagiert
Die Lage in Ungarn spitzt sich immer weiter zu – am Samstag soll der Budapest Pride unter Beteiligung zahlreicher EU-Politiker trotz des Verbots seitens der Polizei und der Regierung stattfinden. Bis jetzt schwieg die EU-Kommission zu dem Vorgang, nun meldete sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erstmals unverbindlich zu Wort. Queere Vereine werfen ihr Pink Washing vor.
Botschaft via Instagram
In einer Videobotschaft bei Instagram erklärte von der Leyen: „Unsere Union steht für Gleichheit und Nichtdiskriminierung. Dies sind unsere Grundwerte, die in unseren Verträgen verankert sind. Ich fordere die ungarischen Behörden auf, den Budapest Pride ohne Angst vor strafrechtlichen oder administrativen Sanktionen gegen die Organisatoren oder Teilnehmer stattfinden zu lassen.“ Die EU-Kommissionspräsidentin bezeichnete sich zudem als Verbündete der LGBTIQ+-Community.
Zuvor hatte der ungarische Justizminister Bence Tuzson die angekündigten EU-Abgeordneten gewarnt und gegenüber der Nachrichtenagentur AFP erklärt: „Der Pride ist eine gesetzlich verbotene Versammlung. Wer daran teilnimmt, begeht eine Straftat.“ Die Regierung hatte im Frühjahr CSD-Veranstaltungen mit dem Argument des Kinderschutzes landesweit verboten.
Harte Kritik von queeren Vereinen
Der internationale queere Verein Forbidden Colours übt zusammen mit weiteren Verbänden scharfe Kritik an von der Leyen, die drei Monate zu spät auf die Situation reagiert habe. „Ursula von der Leyen hätte den Budapest Pride legalisieren können. Sie hätte es sicher machen können. Sie hat es nicht getan. Und jetzt versucht sie, ihre Untätigkeit hinter einer massiven Pinkwashing-Operation zu verstecken“, so Direktor Rémy Bonny. Rechtliche Schritte gegen das Pride-Verbot hat weder die EU noch von der Leyen in die Wege geleitet.
Bonny betont zudem, von der Leyen sei keineswegs eine Verbündete der Community: „Weil ein Verbündeter sofort seine Stimme erhebt, wenn die Rechte von LGBTIQ+ angegriffen werden. Weil ein Verbündeter andere nicht zum Schweigen bringt, die helfen wollen. Ein Verbündeter nutzt seine Macht – vor allem, wenn er der Einzige ist, der das kann. Als Präsidentin der Europäischen Kommission ist Ursula von der Leyen die einzige Person in der EU, die befugt ist, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einzuleiten. Es ist ihre gesetzliche Pflicht zu handeln, wenn ein Mitgliedstaat die durch EU-Verträge geschützten Grundrechte verletzt. Sie hätte auch eine einstweilige Verfügung beim Europäischen Gerichtshof beantragen können, um das Gesetz auszusetzen und sicherzustellen, dass die Budapest Pride in diesem Jahr sicher und legal stattfinden kann. Sie weigerte sich jedoch, ihr Mandat zu erfüllen.“
Wut bei LGBTIQ+-Aktivisten
Bonny zeigte sich dabei auch wütend über das lange Schweigen der EU: „In den letzten drei Monaten haben wir Ursula von der Leyen nicht um symbolische Unterstützung gebeten. Wir haben sie gebeten, ihren Job zu machen. Und jetzt, wo der Schaden angerichtet ist, fühlen sich ihre Worte wie zu wenig, zu spät an. Wir brauchten einen Präsidenten, der sich für die EU-Bürger einsetzt und sich nicht bis zur letzten Minute versteckt!“ Jetzt gebe es keinen legalen Weg mehr, die Veranstaltung sicher durchzuführen. „Und wir erwarten nicht, dass Viktor Orbán der höflichen Bitte der Kommissionspräsidentin nachkommt, den Budapest Pride ohne Angst vor strafrechtlichen oder administrativen Sanktionen stattfinden zu lassen.“
Der LGBTIQ+-Rechtsexperte Vincent Reillon betonte zudem: „Von jemandem, der das Mandat, die Pflicht und die Macht hat zu handeln, erwarten wir Taten. Keine Videos. Keine Hashtags. Wir brauchen rechtliche Schritte. Vertragsdurchsetzung. Schutz. Bis dahin ist ihr Video keine Verbündetenwerbung. Es ist Pinkwashing. Und das werden wir nicht akzeptieren.“