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Urteil im Fall Malte C.

Urteil im Fall Malte C. Angeklagter Nuradi A. zeigte „echte Reue“

ms - 22.03.2023 - 12:10 Uhr
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Fünf Jahre Gefängnis und eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt – so lautet das Urteil gegen den 21-jährigen Tschetschenen Nuradi A. (links im Bild mit Verteidiger Siegmund Benecken), der im August 2022 den 25-jährigen Trans-Mann Malte C. mit mehreren Faustschlägen lebensgefährlich verletzte, sodass der junge Mann aus Marl (Nordrhein-Westfalen) zu Boden ging und mit dem Hinterkopf auf den Asphalt aufschlug. Sechs Tage später war er nach Angaben des Gerichtsmediziners in Folge eines Schädel-Hirn-Traumas und einer anschließenden Sepsis an den schweren Verletzungen im Krankenhaus gestorben. Der Fachmann erkannte einen „mittelbaren Zusammenhang“ zwischen den Verletzungen, entstanden durch den Angriff, und dem Tod des Opfers.  

Echte Reue schlägt sich im Urteil nieder

Malte C. wollte am Rande des CSDs in Münster einen Streit schlichten, nachdem Nuradi A. mehrere lesbische Frauen beleidigt und beschimpft hatte. Als Nuradi A. erkannte, dass es sich bei dem oberkörperfreien Malte um einen Trans-Menschen handelte, schlug der Tschetschene nach einem kurzen Wortgefecht zu. Bereits beim ersten Prozesstag gab Nuradi A. die Tat grundsätzlich zu, weswegen sich der Prozess vor dem Landgericht Münster um einen Monat verkürzt hatte. Die Staatsanwaltschaft war davon überzeugt, dass das vollumfängliche Geständnis „von echter Reue getragen“ gewesen ist. Eine Sachverständige hatte vor den Schlussplädoyers seitens der Rechtsanwälte und der Staatsanwaltschaft empfohlen, dass der Angeklagte nach Jugendstrafrecht verurteilt werden sollte – dem schlossen sich die Staatsanwaltschaft sowie schließlich auch die Richter in ihrer Urteilsbegründung an. Die Entscheidung war maßgeblich für die Höhe des Strafmaßes, demnach Nuradi A. ansonsten eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren erwartet hätte.

Malte C. hatte Pläne für seine Zukunft

Die Frage nach der Homosexualität des Angeklagten

Eine wesentliche Frage im Prozess war jene, ob Nuradi A. aufgrund einer unterdrückten Homosexualität heraus gehandelt habe – neben dem eigentlichen Prozess bezüglich der Körperverletzung mit Todesfolge hat Nuradi A. auch  gegen eine mögliche Abschiebung in seine Heimat Tschetschenien geklagt, eine Republik der Russischen Föderation. Bis heute werden in Tschetschenien schwule Männer verfolgt, gefoltert und ermordet. Nuradi A. hatte erklärt, er sei von der Homophobie seiner Familie und seiner Heimat geprägt worden. Bereits mit 14 Jahren habe er gewusst, homosexuell zu sein und habe seine Sexualität stets vor allen verstecken müssen. Er selbst habe versucht, seine Gefühle zu verdrängen, dieser innere Kampf habe nach Angaben der hinzugezogenen Psychologin auch dazu beigetragen, dass Nuradi A. zumeist leicht reizbar war und offenbar auch immer wieder zu Alkohol und Cannabis gegriffen habe. Nuradi A. habe so auch deswegen brutal zugeschlagen, um nach außen hin zu demonstrieren, dass er nicht schwul sei.

So hatte er der Expertin zudem erklärt, dass die Tat in Wirklichkeit „nicht einmal ansatzweise Ausdruck einer feindseligen Haltung gegenüber Homosexuellen“ gewesen sei, da er selbst schwul ist. Einen gesicherten Beleg für seine Homosexualität fand sich während des Prozesses allerdings nicht; auf dem Handy des Angeklagten waren nur heterosexuelle Pornoseiten gefunden worden und auch seine Freunde hatten laut Eigenaussage nichts von der vermeintlichen Homosexualität ihres Freundes gewusst. Die Staatsanwaltschaft hatte sich dieser Einschätzung allerdings vollumfänglich angeschlossen und erklärte überdies, dass sie bei Nuradi A. keine homophobe, trans- oder queer-feindliche Grundeinstellung erkennen konnte. Ferner ging die Anklage klar davon aus, dass der junge Mann tatsächlich schwul ist.

Schwere der Tat als ehemaliger Boxsportler

Deutlich wurde während dem Prozess durchaus, dass Nuradi A. viele Probleme in den vergangenen Jahren durchlebt hatte. Von 2015 bis 2018 war der junge Tschetschene auch Mitglied in einem Boxclub und konnte den Großteil der Kämpfe gewinnen, sodass er schlussendlich sogar Deutscher Junioren-Meister im Boxen geworden war. Der Leiter des Boxclubs beschrieb ihn als sportlich vorbildlich und berichtete zudem auch von seiner großen Angst, nach Russland abgeschoben zu werden. Da Nuradi A. keinen deutschen Pass hat, durfte er schlussendlich nicht um den Europameistertitel kämpfen, das habe ihn nach Aussage des Boxclubchefs stark demotiviert, weswegen er schlussendlich nicht mehr zum Unterricht gekommen war. Allerdings versicherte der Fachmann auch, dass Nuradi A. sehr wohl bewusst gewesen sein musste, was ein Faustschlag ohne Boxhandschuh anrichten kann – diese Einschätzung teilte auch die Staatsanwaltschaft; eine alkoholbedingte Enthemmung dürfe nicht als mildernde Umstände herangezogen werden, da Nuradi A. wusste, dass er unter Alkohol- und Drogenkonsum zu Gewalt neige.

Das Urteil – gerecht oder nicht?

Der mediale Blick auf Nuradi A. war vom ersten Prozesstag an ein äußert gespaltener, ebenso differenziert dürften viele jetzt auf das Urteil blicken. Für die einen mag die Strafe noch zu milde sein, für die anderen zu hart. Die Presse war zum Schutz von Nuradi A. nur kurzzeitig zugelassen gewesen, gerade auch dann, wenn es um heikle Themen wie die Frage nach der unterdrückten Homosexualität des jungen Mannes gegangen war. Trotzdem fielen die Bewertungen sehr unterschiedlich aus. Einerseits war der junge Tschetschene als nervös und schüchtern beschrieben worden, andererseits wurde er direkt als „CSD-Killer“ tituliert, der sich „feige“ hinter einer Mappe versteckt und anschließend „überheblich“ seine Freunde angelächelt habe. Die Wahrhaft und damit auch die Einschätzung des Urteils muss wohl jeder für sich selbst festlegen.

Bundesverdienstkreuz für Malte C.?

Auch international erregte der grausame Fall viel Aufmerksamkeit und führte erneut zu den Debatten um Gewalt gegenüber LGBTI*-Menschen. Das Anti-Gewaltprojekt Maneo forderte in Zusammenarbeit mit der LGBTI*-Aktivistengruppe All-Out, dass Malte C. postum das Bundesverdienstkreuz verliehen werden sollte: „Zivilcourage ist selten in Deutschland. Zu oft schauen Menschen weg, wenn LSBTIQ+ oder Personen aufgrund anderer gruppenspezifischer Merkmale wie Herkunft oder Religion beleidigt werden oder ihnen Gewalt angetan wird. Malte C. zahlte für seinen zivilcouragierten Einsatz mit seinem Leben. Wir wollen ihn und seinen Mut nie vergessen, denn sein Handeln ist Vorbild für uns alle. Die posthume Ehrung wäre ein wichtiges Zeichen für Zivilcourage und gegen die Diskriminierung und gegen Anfeindungen von LSBTIQ+ in Deutschland. Mit Maltes Ehrung sollen Menschen ermutigt werden, gegen Hass und Gewalt gegen LSBTIQ+, insgesamt auch gegen vorurteilsmotivieren Hass einzuschreiten.“ In der Regel wird das Bundesverdienstkreuz allerdings nicht posthum verlieren, zudem müssen die geehrten Personen mindestens 40 Jahre alt sein.

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