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Unrechtsstaat Russland

Unrechtsstaat Russland Willkür gegen Journalisten, Unterdrückung von jedweden Protesten

ms - 24.11.2022 - 10:00 Uhr
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Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International belegt nun in ihrem neuesten Bericht mit dem Titel "Russia: 'You will be arrested anyway': Reprisals against Monitors and Media Workers Reporting from Protests" über die immer schlimmer werdenden Umstände für Demonstranten, Aktivisten und Journalisten in Russland. Dabei zeichnet sich ein umfassendes System schwerer Repressalien ab, um jedweden öffentlichen Protest im Land sofort zu unterdrücken.

Im Fokus dabei in besonderem Maße ist gerade auch die LGBTI*-Community, die mit der erwarteten Verschärfung des “Anti-Homosexuellen-Propaganda“-Gesetzes noch in diesem Jahr gänzlich mundtot gemacht werden soll; sobald das Gesetz die letzten Instanzen genommen hat – ein rein formeller Akt – ist jede Berichterstattung und jedes Gespräch über LGBTI* verboten. Laut Amnesty International legt Russland dabei ein besonderes Augenmerk auf Journalisten und die Medien.

Repressalien werden immer radikaler

Bereits seit Beginn des Ukraine-Krieges haben laut der Organisation die Restriktionen massiv zugenommen, mit der Gesetzesverschärfung werden noch mehr Einschnitte erwartet – der aktuelle Bericht dokumentiert dabei bereits jetzt Dutzende von Fällen, in denen Journalisten und Menschenrechtsbeobachter bei öffentlichen Protesten in Russland rechtswidrig in ihrer Arbeit behindert wurden.

Die gegen sie ergriffenen Maßnahmen reichen von Gewaltanwendung über willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen bis hin zu hohen Geldstrafen. "Wir können sehen, dass die russischen Behörden nicht nur alles daransetzen, jeden noch so friedlichen Protest zu unterbinden und hart zu bestrafen. Sie versuchen außerdem zu verhindern, dass solche Proteste überhaupt öffentlich bekannt werden", so Natalia Prilutskaya, Russland-Expertin bei Amnesty International. 

Proteste sind unmöglich geworden

Die russischen Behörden sollen dabei seit Beginn der Präsidentschaft von Wladimir Putin im Jahr 2000 das Recht auf friedlichen Protest nach und nach immer weiter eingeschränkt haben, bis Protest heutzutage gänzlich unmöglich geworden ist. Amnesty International hat dokumentiert, wie trotzdem im Februar 2022 zehntausende Menschen auf die Straße gingen, um gegen den Einmarsch in die Ukraine zu protestieren – obwohl ihnen hohe Geld- und Haftstrafen drohten. Auch hier ging die Polizei mit brutaler Gewalt gegen Medienschaffende und Menschenrechtsbeobachter vor, die unabhängig über die Proteste berichten wollten. Auch jedwede Demonstrationen oder auch nur der öffentliche Einsatz für LGBTI*-Menschen werden so immer strikter unterbunden.

Zuletzt drohte Putin höchstselbst schwulen Russen an, dass es für sie nur noch zwei Optionen gäbe: Entweder kämen sie ins Gefängnis oder sie absolvierten “freiwillig“ ihren Dienst als Soldat im Ukraine-Krieg. „Der Kreml verhindert, dass die Öffentlichkeit überhaupt von Protesten erfährt, außerdem behindert er die Beobachtung solcher Entwicklungen. So versucht er, jede öffentliche Kritik zu unterdrücken. In den vergangenen Jahren haben die russischen Behörden ein Rechtssystem geschaffen, das die Meinungsfreiheit massiv einschränkt und die Gefahren für Beobachter, Journalisten und andere Medienschaffende, die über öffentliche Versammlungen berichten, erheblich erhöht", so Prilutskaya weiter.

Willkür gegenüber Journalisten

Für Journalisten kann es so inzwischen bereits gefährlich sein, LGBTI*-Russen nur über ihre Lebenssituation vor Ort zu befragen. Generell müssen Reporter permanent deutlich sichtbare Kennzeichen an ihrer Kleidung tragen, die sie als "Vertreter der Massenmedien" ausweisen. Immer wieder folgen dabei oft willkürliche Festnahmen, wobei die russischen Behörden laut Amnesty International inzwischen auch nicht mehr vor direkter Gewalt zurückschrecken: „In vielen Fällen wurden die Festnahmen mittels übermäßiger und unrechtmäßiger Gewalt durchgeführt, was Folter und anderen Misshandlungen gleichkommen könnte. Neben den strengen gesetzlichen Einschränkungen der Medienfreiheit durch den Staat geht die Polizei zunehmend willkürlich vor, um Journalisten und andere Medienschaffende daran zu hindern, die Öffentlichkeit über die Proteste zu informieren", so Prilutskaya weiter.

Dutzende Festnahmen jeden Monat

Mehr als ein Dutzend Fälle von Inhaftierungen von Journalisten und Bloggern werden inzwischen beinahe jeden Monat publik, die Gründe für die Festnahmen reichen von “Werbung“ für Homosexualität über "Verbreitung falscher Informationen über die russischen Streitkräfte" bis hin zu "Verunglimpfung" der russischen Soldaten oder des Präsidenten. Ausführlich legt der Bericht die gesammelten Fälle soweit möglich dar. Ein Problem der Entwicklung ist dabei auch, dass immer mehr Journalisten das Land verlassen, Amnesty International spricht von mehreren hundert Reportern. Dazu wurden unabhängige Medienunternehmen wie der Fernsehsender TV Rain, die Zeitung Novaya Gazeta oder auch der Radiosender Echo Moskwy gezwungen, ganz zu schließen. Die neuen Medien- und Anti-LGBTI*-Gesetze zeigen also bereits jetzt Wirkung und es steht zu befürchten, dass es bald niemanden mehr in Russland gibt, der für die Menschenrechte reintritt, sachlich vor Ort berichtet oder sich für Minderheiten wie die LGBTI*-Community einsetzt. 

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