Trauma bei LGBTI*-Jugendlichen Ist eine posttraumatische Belastungsstörung bei vielen jungen Homosexuellen Alltag?
Eine neue These rund um LGBTI*-Jugendliche sorgt in diesen Tagen in den USA für reichlich Gesprächsstoff – der Sachbuchautor und Therapeut Chris Tompkins erklärt in seinem neuen Buch „Raising LGBTQ Allies: A Parent's Guide to Changing the Messages from the Playground“: Das Aufwachsen in einer heteronormativen Welt reiche aus, um bei LGBTI*Jugendlichen ein tiefsitzendes Trauma zu verursachen. Die Minderjährigen leiden dabei unter einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Was ist ein Trauma ein Trauma?
Tompkins führt dabei aus, dass wir unseren Begriff eines Traumas erweitern müssen, denn neben den großen Problemfällen wie Vergewaltigung, Mord, tragischen Unglücken oder einem Todesfall führten auch alltägliche Mikroaggression wie Queerphobie und Mobbing zu Scham und damit zu einem Trauma. Die Folge laut dem Buchautor: Gerade viele junge schwule Männer flüchten sich aufgrund der Erfahrungen von Scham in den Drogen- und Alkoholmissbrauch.
Dabei hält Tompkins weiter fest: „Jeder von uns entwickelt sich als Kind körperlich, geistig, seelisch, spirituell und persönlich auf der Grundlage seiner einzigartigen Hintergründe und Erfahrungen. Mit anderen Worten: das, was Experten als Identitätsbildung bezeichnen. Für Minderheiten und Randgruppen wie LGBTI*-Jugendliche ist die Entwicklung in der Kindheit mit sogenannten Entwicklungshindernissen verbunden – Dinge in der Welt, die die gesunde Identitätsbildung eines Kindes erschweren können.“ Die vier Hauptaspekte seien dabei: Minderheiten-Stress, Homonegativität, Anomie – also ein Gefühl der Normlosigkeit, des Mangels an sozialer Kontrolle und des Gefühls der Entfremdung – sowie verinnerlichte Queerphobie.
„Auch wenn kleine Traumata wie Mobbing, Heteronormativität und Queerphobie weniger bedrohlich oder bedeutsamer erscheinen als große Traumata, sind die Symptome, die LGBTI*-Jugendliche erleben, oft die gleichen wie die einer posttraumatischen Belastungsstörung, einschließlich Hypervigilanz, abgestumpftem Bewusstsein, Konzentrationsschwäche, depressiver Stimmung, Sorgen oder Panik, Krankheit und körperlichen Schmerzen.“
Hohes Risiko für Suchterkrankungen und Suizid
Tompkins stützt seine These auch auf Daten der Adverse Childhood Experiences (ACE)-Studie, demnach die Wahrscheinlichkeit, dass homo- und bisexuelle Jugendliche Drogen konsumieren, um 90 Prozent höher liegt als bei heterosexuellen Gleichaltrigen. Das Risiko von Alkoholismus, Drogenmissbrauch, Depressionen und Selbstmordversuchen sei insgesamt bei jungen Homosexuellen um das Vier- bis Zwölffache angestiegen, insbesondere, wenn jene Jugendlichen in ihrer Kindheit emotionalem, körperlichem oder sexuellem Missbrauch und häuslichen Störungen ausgesetzt waren.
Ajit Pai, der Vorsitzende der Federal Communications Commission’s (FCC), ergänzt: „Es gibt eine Selbstmord-Epidemie in diesem Land, und sie betrifft unverhältnismäßig stark gefährdete Bevölkerungsgruppen, einschließlich unserer Veteranen und LGBTI*-Jugendlichen.“
Eine neue Generation ohne Traumata
Tompkins rät sowohl Fachkräften in der Jugendarbeit wie auch Eltern, sich drei Punkte zu vergegenwärtigen: Das eigene Bewusstsein für persönliche Vorurteile, eine verinnerlichte Queerphobie inklusive einem negativen Selbstbild und einem mangelndem Selbstwertgefühl sowie der Tatsache, dass sich die familiäre, kulturelle oder kommunale Ablehnung für LGBTI*-Jugendliche nicht von der Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen unterscheidet.
„Letztlich ist jeder von uns dafür verantwortlich, alle Kinder mit Würde zu behandeln, wenn wir dazu beitragen wollen, eine widerstandsfähige neue Generation ohne Traumata heranzuziehen. Die Überzeugungen, die wir über LGBTI*-Jugendliche haben, wirken sich darauf aus, wie sie sich selbst sehen. Als Eltern, Lehrer und Betreuer können wir das Selbstwertgefühl junger Menschen proaktiv stärken, indem wir ihre Identität bekräftigen.“
Hier gibt es Hilfe
Die Berichterstattung über Suizid ist ein überaus sensibles Thema. Wir möchten es in KEINSTER Weise glorifizieren oder romantisieren. Viele Menschen, die durch Suizid sterben, leiden an einer psychischen Erkrankung. Wenn es dir nicht gut geht oder du daran denkst, dir das Leben zu nehmen, versuche mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen du dich melden kannst. Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.
Mit Beratung steht dir auch der Coming Out Day Verein via Messenger oder E-Mail unter www.coming-out-day.de zur Seite. Weiterhin gibt es von der Telefonseelsorge das Angebot eines Hilfe-Chats. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung. Die Anmeldung erfolgt – ebenfalls anonym und kostenlos – auf der Webseite. Informationen findest du unter: www.telefonseelsorge.de