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Streit ums Grundgesetz

Streit ums Grundgesetz Diskussion um die Frage: Was genau ist per Definition eine „sexuelle Identität“?

ms - 24.07.2023 - 15:00 Uhr
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Beim CSD in Berlin am vergangenen Wochenende erklärte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU), er wolle sich für die Änderung des Grundgesetzes einsetzen, so wie das auch von der Ampel-Koalition geplant ist. In Absatz 3.3 des Grundgesetzes soll neben Aspekten wie Abstammung, Rasse, Glaube oder Sprache auch die „sexuelle Identität“ als besonderer Schutzaspekt eingeschrieben werden.

Unterstützt die Union die Grundgesetzänderung?

Damit dies gelingt, müssen zwei Drittel des Bundestags und des Bundesrats zustimmen – es bedarf nach aktuellem Stand 36 Stimmen der Union, vorausgesetzt alle Bundestagsabgeordneten von SPD, den Grünen, FDP und den Linken stimmen geschlossen im Bundestag dem Vorhaben ebenso zu. Im Bundesrat müssen mindestens drei unionsgeführte Landesregierung auch zustimmen. Bisher hat nur Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, erklärt, er votiere für die Grundgesetzänderung. Mit Berlin wären es jetzt zwei CDU-geführte Landesregierungen.

Uneinigkeit innerhalb der CDU

Wegner erklärte dazu wörtlich: „Meine feste Zusage für diesen Berliner Senat ist: Wir wollen den Artikel 3 des Grundgesetzes ändern. Da muss die sexuelle Identität mit rein. Das ist mein Versprechen. Wir werden das gemeinsam mit euch auch hinbekommen.“ Gerade diese Gemeinsamkeit darf bezweifelt werden, denn bereits innerhalb der CDU gibt es Widerstand.

So erklärte der CDU-Bundesvorsitzende Andreas Jung tags darauf gegenüber dem Tagesspiegel, dass der Artikel 3 („Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“) bereits heute schon mit Gleichheitssatz und Diskriminierungsverbot garantiere, dass es null Toleranz bei Diskriminierung gegenüber LGBTI*-Menschen gibt. Zu Bedenken gab Jung dabei weiter, dass man vor einem solchen rechtlichen Schritt alle Gründe dafür und dagegen sorgfältig abwägen müsse.

Was genau ist eine „Identität“?

Im Gegensatz zu anderen Ländern wie beispielsweise zuletzt die Niederlande Anfang dieses Jahres, will die Ampel-Regierung nicht die „sexuelle Orientierung“, sondern die „sexuelle Identität“ ins Grundgesetz eintragen lassen. Auf besonderen Widerstand stößt dabei vor allem seitens mehrerer Juristen und Verfassungsexperten der Begriff „Identität“ – es gibt bis heute keine juristisch klare Definition, was damit konkret gemeint sein soll. Gegenüber der Welt erklärte bereits vor einigen Jahren Klaus Gärditz, Professor für öffentliches Recht an der Bonner Friedrich-Wilhelms-Universität, dass durch den Begriff der „sexuellen Identität“ auch Pädophile einen Schutzstatus bekommen könnten.

Mögliche Rechte für Pädophile?

Dem schloss sich auch Georg Ehrmann von der Deutschen Kinderhilfe an: „Es ist kein gutes Signal, wenn die Verfassung mit einer Formulierung geändert wird, die es Pädokriminellen ermöglichen könnte, eigene Rechte einzufordern. Hier sollte auch im Interesse der Homosexuellenverbände jeder falsche Eindruck vermieden werden."

Der Berliner Verfassungsrechtler Professor Dr. Christian Pestalozza sagte zu dem Vorhaben im vergangenen Jahr noch: „Chancen auf eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag oder im Bundesrat hat das Vorhaben keine. Vergleichbare Vorstöße, die ,sexuelle Identität‘ in den Absatz 3 aufzunehmen, sind seit 1994 mehrfach, zuletzt 2021 im Bundesrat, gescheitert. Das wird auch diesmal so sein.“

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