Schwuler Präsident in Lettland Lettische Gay-Community hofft auf einen Wandel der Gesellschaft!
Lettland hat ab Juli einen neuen Präsidenten: 49 Jahre alt, liberal-konservativ und schwul. Im dritten Wahlgang konnte sich der bisherige Außenminister Edgars Rinkēvičs durchsetzen, nachdem zuvor keiner der insgesamt drei Bewerber die absolute Mehrheit der 100 Abgeordneten erreicht hatte. Rinkēvičs gilt als besonnener Mann, er ist seit bald 30 Jahren als Politiker tätig.
Knappe Mehrheit für schwulen Kandidaten
Damit dürfte eine befürchtete Staatskrise im Land abgewendet sein, nachdem es zuvor Streitigkeiten um die Präsidentschaftskandidaten geben hatte und bis zuletzt nicht klar war, ob es für eine Mehrheit für einen der Kandidaten reichen würde. Der noch amtierende Präsident Egils Levits hatte vor einigen Wochen erklärt, nicht mehr antreten zu wollen.
Mit einer knappen Mehrheit von 52 Stimmen wählten die Abgeordneten der Saeima, dem lettischen Parlament, schlussendlich dann Rinkēvičs ins Amt, der bereits seit 2011 Außenminister Lettlands ist. Der 49-Jährige gehört der liberal-konservativen Partei von Ministerpräsident Krišjānis Kariņš an, der Neuen Einheit, die im vergangenen Herbst erneut die Parlamentswahl gewonnen hatte. Kariņš neue Mitte-rechts-Regierung, bestehend aus drei Parteien, ist im Dezember 2022 angetreten und hält derzeit in der Saeima 54 der 100 Sitze.
Hoffnungsträger für die EU und die Gay-Community
Lettland ist dabei für ganz Europa auch strategisch ein wichtiger Partner, das Land mit rund 1,9 Millionen Einwohnern grenzt an Russland und Belarus und ist Mitglied der NATO sowie der Europäischen Union. Rinkēvičs gilt als großer Unterstützter der EU sowie auch der Ukraine und erklärte gestern: „Ich werde alles dafür tun, dass unser Land gedeiht, dass es sicher ist und dass unsere Gesellschaft stärker zusammenhält.“
Weit über die Landesgrenzen hinaus gilt er auch gerade in der Gay-Community als Vorbild, nachdem er sich 2014 als erster führender Politiker in Lettland sowie ganz Osteuropa via Twitter als schwul outete. Jahrelang hatte sich Rinkēvičs auch für eine eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle eingesetzt, die schließlich 2022 dank seines Engagements eingeführt wurde.
Wandel in der Gesellschaft erhofft
Homosexualität wurde 1992 in Lettland entkriminalisiert, ein Antidiskriminierungsgesetz dann aber erst als letztes Land in der EU 2006 eingeführt. In der lettischen Bevölkerung gibt es noch immer viele Vorbehalte gegenüber Schwulen und Lesben, nach Angaben einer Eurobarometer-Umfrage (2015) stimmten nur 42 Prozent der Letten für gleiche Rechte für Homosexuelle. Die gleichgeschlechtliche Ehe befürworten sogar nur 19 Prozent – zum Vergleich: Im EU-weiten Durchschnitt sprechen sich 61 Prozent der Europäer dafür aus. Die Gay-Community im Land, deren Mittelpunkt die Hauptstadt Riga ist, hofft jetzt, dass mit Rinkēvičs an der Staatsspitze ein schrittweises Umdenken in der Bevölkerung stattfinden könnte.