Scham vor der PrEP Scharfe Kritik an Vorurteilen gegenüber PrEP-Nutzern
Die britische Autorin und Forscherin Beth Ashley kritisierte jetzt mit scharfen Worten den schambehafteten Umgang mit der Präexpositionsprophylaxe (PrEP). Auch in Deutschland wird die Pille gegen eine Ansteckung mit HIV beinahe ausschließlich von schwulen Männern eingenommen, für viele heterosexuelle Menschen bleibt die PrEP eine „Schwulensache“.
Slutshaming in der Gay-Community
Die PrEP wurde bereits 2012 in Großbritannien und den USA eingeführt, vier Jahre später im Jahr 2016 folgte dann Europa. In Deutschland gibt es die PrEP seit 2019 auch auf Kassenrezept. „Man könnte meinen, dass der Diskurs über die PrEP überwiegend positiv ist. Ich meine, eine winzig kleine Pille kann im Alleingang die Übertragung von HIV verhindern. Das ist eine große Sache. Doch leider hat die Einführung des Medikaments eine neue Art von Slutshaming hervorgebracht“, so Ashley.
Ashley stützt ihre These dabei auf mehrere Studien der letzten Jahre. In der Forschungsarbeit „PrEP Whores and HIV Prevention: The Queer Communication of HIV Pre-Exposure Prophylaxis” war konkret die Rede von „PrEP-Nutten“, also PrEP-Nutzern, die in der Öffentlichkeit und auch in der Gay-Community oftmals abwertend und mit dem Duktus der Scham behaftet als „stets sexgeile Schlampen“ dargestellt werden.
Scham verhindert eine effektive HIV-Prophylaxe
Das Gay Men's Health Project veröffentlichte einen Bericht, der aufzeigte, dass rund 33 Prozent der schwulen Männer in Großbritannien, die das Medikament einnehmen, deswegen sogar bereits diskriminiert wurden. Ähnliche Studien gibt es aus den USA, die jüngste kam erst 2023 aus Frankreich: In der HIV-Präventionsstudie der Île-de-France erklärte jeder dritte homosexuelle Mann (33%), dass die PrEP-Einnahme zu einem negativen Image führe – vor allem jüngere Schwule reagierten darauf mit einem sinkenden Selbstwertgefühl bis hin zu Depressionen.
Das Problem: Das Stigma rund um das Slutshaming verhindert in vielen Fällen, dass sexuell aktive schwule Männer das Medikament überhaupt einnehmen – infolgedessen befürchten HIV-Experten einen Anstieg von HIV-Neuinfektionen. „Es ist wichtig zu verstehen, wie weit verbreitet diese negativen Ansichten über die PrEP sind und was hinter diesen Einstellungen stecken könnte“, so das französische Forscherteam. Verschlimmert wird die Lage dann immer wieder durch Lieferengpässe wie in Großbritannien, den USA, Australien, Neuseeland, Irland und Japan. Auch in Deutschland kam es zu Beginn dieses Jahres zu Versorgungsschwierigkeiten bei der PrEP.
Applaus für PrEP-Nutzer
Der Kritik von Forscherin Ashley stimmen auch Experten zu wie Ian Howley, Geschäftsführer der Health Equality and Rights Organisation (HERO): „Wir müssen wirklich aufhören, uns gegenseitig als Schlampen zu beschimpfen. Sich gegenseitig als faul, unverantwortlich oder promiskuitiv zu bezeichnen, trägt nicht dazu bei, die Ausbreitung von HIV zu verhindern. Es braucht nur eine einzige sexuelle Begegnung, um HIV und STIs weiterzugeben. Diejenigen, die die PrEP nehmen, handeln verantwortungsbewusst. Sie stoppen die Ausbreitung von HIV innerhalb der schwulen und bisexuellen Gemeinschaft. Wir sollten ihnen applaudieren und sie nicht beschämen.“ In Deutschland nutzen derzeit rund 40.000 Menschen in der Bundesrepublik die PrEP, beinahe ausnahmslos sind dies schwule und bisexuelle Männer.