Revolution in Indien Historische Entscheidung pusht LGBTI*-Rechte
Es ist ein wahrlich historisches Urteil, das der Oberste Gerichtshof jetzt in Indien gefällt hat: Familien, die nicht dem traditionellen Familienbild entsprechen, dürfen vor dem indischen Gesetz nicht länger benachteiligt werden. Dabei schlossen die Richter ausdrücklich auch schwule, lesbische und queere Familienkonstellationen mit ein. Ähnliches gilt künftig auch für unverheiratete Partnerschaften mit Kindern. Kurzum lässt sich die Entscheidung so zusammenfassen: Familie ist dort, wo Kinder sind.
Die Entscheidung ist auch deswegen von so großer Bedeutung, weil damit nicht nur die Rechte für Regenbogenfamilien massiv gestärkt werden, sondern die gesellschaftliche Signalwirkung darüber hinaus immens sein dürfte. Im Urteil erklärte einer der Richter des Obersten Gerichtshof so zudem, dass heutzutage viele Menschen eine Familie gründen würden, die bereits von Beginn an anders ist als das klassische Mutter-Vater-Kind-Bild. Mehrfach hob der Richter dabei die Gleichwertigkeit solcher Familienmodelle hervor und bekräftigte damit auch die rechtliche Situation von allen LGBTI*-Menschen in Indien. Zudem steht allen Familien nun auch ein rechtlicher Schutz von Seiten des Staates zu und auch Regenbogenfamilien haben ab sofort Zugang zu Familiensozialleistungen. Homosexualität ist in Indien bis heute in weiten Teilen nach wie vor tabuisiert, einzig in manchen indischen Großstädten gibt es inzwischen Anlaufpunkte und bestenfalls kleine Communitys für LGBTI*-Menschen. Das Verbot von homosexuellen Handlungen aus der britischen Kolonialzeit wurde erst im September 2018 ebenfalls durch das Oberste Gericht aufgehoben.
Bis heute gibt es in Indien allerdings weder Antidiskriminierungsgesetze, noch gibt es eine staatliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren, ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare oder gar die gleichgeschlechtliche Ehe. Einzig in den Großstädten findet ein gewisser gesellschaftlicher Wandel statt, was auch auf die positive Darstellung von Homosexualität in ersten Bollywood-Filmen zurückzuführen ist. Im Jahr 2010 gab es in Mumbai so erstmals auch ein internationales Queer-Film-Festival. Die ersten Pride-Paraden gab es 2008 in Neu-Delhi und Kalkutta. Die Gay-Community versammelt sich inzwischen hauptsächlich in Mumbai, Delhi, Hyderabad und Bangalore. Im ländlichen Raum ist die Ablehnung von Homosexuellen noch mehrheitlich präsent, das katholische Missionswerks Missio Aachen hatte erst Anfang August aufgezeigt, dass in Indien der Aberglaube und auch die Hexenverfolgung in weiten Teilen des Landes stark ausgeprägt sind. Zentrale Motive dafür sind Hass auf Frauen und Homosexuelle und die vorschnelle Suche nach Sündenböcken für allerlei Probleme der ländlichen Bevölkerung.