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Affenpocken als Angriffsmöglichkeit gegen Schwule
Rubrik

Rechte Hetze gegen Homosexuelle Wie umgehen mit MPX und den steigenden Fallzahlen?

ms - 11.08.2022 - 15:00 Uhr

Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis es soweit ist: Rechte Hetze gegen Homosexuelle aufgrund der aktuellen Affenpocken-Situation. Während sich in Deutschland die AfD bisher zumeist zurückhält, wird in den USA in den letzten Tagen inzwischen ganz offen gegen Homosexuelle gehetzt. In Deutschland finden die Debatten und die Angriffe aktuell vor allem bisher im digitalen Raum statt, negativer Vorreiter einmal mehr ist Twitter.

In den USA startete derweil eine regelrechte konservative Kampagne gegen LGBTI*-Rechte und das auf dem Rücken der Gay-Community. Wie in Deutschland sind auch in den Vereinigten Staaten von Amerika hauptsächlich schwule und bisexuelle Männer von den Affenpocken befallen – die perfekte Möglichkeit, einmal mehr die angebliche Verdorbenheit der amerikanischen Gays hervorzuheben. Auf mehreren Fernsehkanälen haben sich so in den letzten Tagen immer wieder rechte Kommentatoren offen über die Opfer von Affenpocken lustig gemacht. Zudem seien die Infizierten selbst schuld an der “Seuche“, die sie durch ihr lasterhaftes Leben verdient hätten. Als "Heilmittel" gegen Affenpocken empfehlen sie die heterosexuelle monogame Ehe.

In Deutschland warnten von Beginn an zahlreiche LGBTI*-Organisationen vor der Stigmatisierung von Betroffenen und der Gay-Community, in Amerika findet der Hass gerade ungebremst Zulauf. Beiden Ländern ist zu eigen, dass immer wieder auch Vorwürfe laut werden, die jeweiligen Regierungen würden nach wie vor zu wenig gegen die Ausbreitung der Affenpocken unternehmen – in Deutschland beispielsweise fordert die Deutsche Aidshilfe, dass die Bundesregierung mindestens eine Million weiterer Impfeinheiten besorgen müsse. Bisher gab es noch keine Antwort von Seiten des Gesundheitsministeriums. In den USA, die aufgrund der Affenpocken den Notstand ausgerufen haben, wird die Situation sehr unterschiedlich gehandhabt, je nach Region. Gerade in ländlichen Bereichen der Vereinigten Staaten ist die Stigmatisierung groß und wird jetzt durch rechte Hetzer weiter angetrieben.

Ältere Homosexuelle sowohl in den USA wie auch in Deutschland finden immer wieder Parallelen im Umgang und bei der Stigmatisierung der MPX-Erkrankung mit HIV. Zwar lassen sich die beiden Viruskrankheiten nicht direkt vergleichen, doch immer wieder kommt es gefühlt oder auch tatsächlich zu Negierung und Missachtung der am stärksten betroffenen Risikogruppe, schwule und bisexuelle Männer. Gleichzeitig laufen die Debatten in vielen Ländern darüber, wie oft darauf hingewiesen werden darf oder sollte, dass nach wie vor zumeist homosexuelle Männer (zu 98 Prozent) davon betroffen sind. Die gleichzeitige Bedrohung durch Homophobie und Affenpocken erfordert eine schwierige Entscheidung darüber, was zuerst angegangen werden soll, meint auch der berühmte schwule Schriftsteller und langjährige Aids-Aktivist Mark S. King gegenüber dem Guardian: "Mir geht es darum, den Alligator zu töten, der dem Boot am nächsten ist. Und im Moment bedeutet das, Männer, die Sex mit Männern haben, darüber zu informieren, wie sie sich vor dieser Krankheit schützen können."

Was ist also noch Information, was bereits Stigmatisierung? Eine Frage, die so einfach nicht zu beantworten sein wird, äußert bedenklich bleibt aber, dass in den USA dieselben hasserfüllten Triaden derzeit über die Gay-Community verbreitet werden wie vor rund vierzig Jahren bei Beginn der HIV-Epidemie. Gewisse Teile der Bevölkerung scheinen aus der Geschichte nichts gelernt zu haben oder diese bewusst aus politischem Kalkül heraus ignorieren zu wollen. Auch der Aufruf der WHO, zeitweilig als schwuler Mann seine sexuellen Kontakte einzuschränken oder zu minimieren – eine durchaus sinnvolle Idee – wird von rechten Gruppierungen bewusst verzerrt, um das Bild des “perversen Homosexuellen“ erneut zu bestätigen. "Keuschheit. Zölibat. Bescheidenheit. Disziplin. Nicht eklig sein. Die Beine geschlossen halten. Alles machbare Optionen, Leute", twitterte beispielsweise die republikanische Kommentatorin Kathy Barnette. Und Journalist Matt Walsh vom Daily Caller schrieb: „Ich warte immer noch darauf, dass schwule Männer, die während des Ausbruchs der Affenpocken wahllos Sex mit Fremden haben, von den Gesundheitsbehörden belehrt und gescholten werden, so wie der Rest von uns, wenn wir während Covid in Lebensmittelgeschäften und Restaurants unterwegs waren."

Wie sollen Behörden also weiterhin verfahren? Deutsche Gesundheitsbehörden und Institute wie das RKI erklären sehr klar, welche Personen zur Risikogruppe gehören. Die größte LGBTI*-Organisation in den USA, GLAAD, forderte indes jüngst, man solle gar nicht mehr erwähnen, dass die Affenpocken beinahe ausnahmslos Homosexuelle befallen. Andere Aktivisten kontern, dass man nur so den Risikogruppen helfen und sie effektiv warnen könne. Schweigen sei keine Lösung. "Wir müssen das ignorieren, wenn wir der Community, die uns am Herzen liegt, eine wirksame öffentliche Botschaft übermitteln wollen. Wenn uns die Geschichte etwas gezeigt hat, dann, dass eine übertragbare Krankheit wie diese nicht innerhalb einer Gemeinschaft bleibt", so der HIV-Aktivist King weiter. Die Debatte wird weiter gehen – und rechte Gruppen werden mehr denn je versuchen, daraus Profit zu schlagen. King gibt allerdings zu bedenken, dass rechte Aktivisten immer einen Grund finden werden, die Gay-Community anzugreifen, man dürfe sich davon nicht beeinflussen lassen: "Diese Leute, die schwule Männer aufspüren, um sie zu beschimpfen, haben die Taschen voller Hass und es gibt eine Vielzahl von Themen, die sie dazu bringen, die Bierflasche in die Hand zu nehmen. Sie haben vielleicht eine neue Sprache, die sie benutzen, während sie uns vor den Kopf stoßen, aber sie werden uns so oder so immer wieder vor den Kopf stoßen.“

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