Quo vadis Selbstbestimmung? Warum schweigen Buschmann und Paus schon wieder?
Kommentar
Als vor knapp zwei Wochen die Süddeutsche Zeitung erste Details des neuen Gesetzentwurfes zur Selbstbestimmung veröffentlichte, sorgte dies bereits vorab für heftige Diskussionen – sowohl auf Seiten der Befürworter wie auch der Kritiker. Von beiden Seiten steht dabei die Frage im Raum, ob der Gesetzestext in seiner derzeit wohl angedachten Form verfassungswidrig sein könnte.
Buschmann und Paus kneifen bei Streitthema
So konnten auch nach Monaten der Diskussionen zwischen Justizministerium und Familienministerium einige wesentliche Streitpunkte nicht gänzlich beigelegt werden, auch wenn man nun auf Einigkeit pocht. In der Wirklichkeit sitzen die beiden zuständigen Minister, Buschmann und Paus, nicht nur bei Pressekonferenzen inzwischen weit auseinander. In die Diskussion schalteten sich nun auch weitere Verbände und Vereine ein, beispielsweise auch die Anti-Diskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman. Dabei geht es um das juristische Spannungsfeld zwischen Hausrecht und dem Recht auf Anti-Diskriminierung.
Während Justizminister Marco Buschmann (FDP) offensichtlich extra eine Klausel in den Gesetzestext zum Hausrecht einbauen ließ, pocht Familienministerin Lisa Paus (Grüne) auf die Einhaltung von Anti-Diskriminierungsrichtlinien. Wie könnte das also im konkreten Aussehen, wenn künftig eine Trans-Frau in eine frauenspezifische Einrichtung Einlass verlangt, beispielsweise einer Sauna, einem Schwimmbad, Sportumkleiden oder Frauenhäusern? Darf der Betreiber eine Trans-Frau wirklich ablehnen und wenn ja, mit welcher Begründung? Zählt der Personenstand oder doch das Aussehen? Und wäre diese Ablehnung dann eine Diskriminierung oder nicht? Warum schaffen die beiden beteiligten Ministerien es nicht, klare Regeln vorzugeben, anstatt die Problemfrage indes auf die Allgemeinheit abzuwälzen?
Klagewelle gegen Selbstbestimmung droht
Schon jetzt scheint unter immer mehr Juristen zwei Dinge klar: Zum einen kann sich noch viel ändern, bis der Gesetzestext tatsächlich in den Bundestag eingebracht wird. Zum anderen bereiten sich bereits mehrere Verbände aus der LGBTI*-Community wie aber auch Frauenverbände auf eine Klage vor dem Bundesgerichtshof vor. Zunächst bedürfte es dabei natürlich erst einmal des aktuellen und konkret ausformulierten Gesetzestextes. Der sollte vor Ostern veröffentlicht werden. Bis heute ist nichts geschehen, am Freitag beginnen die Osterfeiertage. Wird hier also abermals auf Zeit gespielt? Oder schreckt die teilweise vielleicht berechtigte Kritik beider Seiten am neuen Selbstbestimmungsgesetz erneut zurück und abermals gehen Buschmann und Paus in Klausur?
Uneinigkeit auch in anderen Fragen
Nach dem letzten Stand ist nebst der Frage um die Handhabung mit frauenspezifischen Räumen offenbar ebenso festgehalten, dass Kinder und Jugendliche ihren Geschlechtseintrag mit Zustimmung der Eltern ändern können sollen. Verweigern diese das, können Minderjährige ab 14 Jahren die Zustimmung des Familiengerichts beantragen. Vor einem Personenstandwechsel soll es dabei eine dreimonatige Bedenkzeit geben. Jedwede psychologische Begutachtung vor dem Geschlechtswechsel soll entfallen.
Verringerung der Toleranzkultur?
Mittlerweile blicken auch einige landesweite Zeitungen kritisch auf das Vorhaben, weil die Chancen gutstehen, dass so Diskriminierung eher gefördert als abgebaut werden dürfte, wie die Frankfurter Allgemeine beispielhaft festhält:
„Der Gesetzentwurf befeuert den Konflikt noch. Beide Seiten werden mit sich widersprechenden Autoritäten ausgerüstet: Der eine kriegt den Personalausweis, der andere das Hausrecht. Statt einer Toleranzkultur entsteht so eine tragische Abwehrspirale (…) Wer Menschen mit Penis in die Frauendusche lässt, zerstört diesen Schutz und stellt zudem die Gefühle der einen über die der anderen. Das führt bekanntlich nicht zur Befriedung der Gesellschaft. Wer Frauen sagt, sie sollen sich an dieser Stelle nicht so anstellen, könnte Transfrauen das Gleiche sagen und ihnen die Männerumkleide empfehlen. Warum sollten Frauen ertragen, was für Transsexuelle unzumutbar ist?“
Aktuell scheint nur klar, dass die Chancen gut dafürstehen, dass das geplante Selbstbestimmungsgesetz viele juristische und wohl auch gesellschaftliche Kämpfe nach sich ziehen kann – dazu natürlich müsste es die Ampel-Koalition erst einmal schaffen, den versprochenen Gesetzentwurf offiziell vorzustellen. Aber immerhin ist Ostern ja auch die Zeit für Wunder.