Polizeigewalt gegen LGBTI* Im Fokus: Homosexuelle und Trans-Menschen in Kolumbien
Ein neuer Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International dokumentiert nun detailliert die sexuelle Gewalt, die LGBTI*-Demonstranten sowie auch Journalisten und Frauen beim Generalstreik 2021 in Kolumbien erlitten haben – ausgeübt worden waren die Taten dabei von der Nationalpolizei und der polizeilichen Spezialeinheit ESMAD. Amnesty International legt dazu eine Vielzahl von Beweisen vor.
Sexualisierte Gewalt gegen LGBTI*-Demonstranten
Dokumentiert sind so 28 Fälle von Gewalt gegenüber LGBTI*-Menschen in sieben Städten – die Palette der Angriffe reicht dabei von sexistischer, frauenfeindlicher und beleidigender Sprache bis hin zu sexualisierter Gewalt, die laut Amnesty International eine Form von Folter darstellen kann. Agnes Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International, dazu: "Geschlechtsspezifische Gewalt und insbesondere sexualisierte Gewalt haben eine schmerzhafte Geschichte im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Kolumbien - eine Geschichte, die die Behörden noch nicht überwunden haben. Während des Generalstreiks im Jahr 2021 erreichten uns Hunderte von Berichten über geschlechtsspezifische Gewalt, in denen psychische Gewalt, Diskriminierung, Drohungen, ungewollte Berührungen, sexuelle Belästigung, erzwungene Nacktheit, Folter und sexualisierte Gewalt beschrieben wurden. Nachdem wir 28 dieser Vorfälle eingehend dokumentiert haben, ist klar, dass geschlechtsspezifische Gewalt ein Repressionsmittel war, das die Nationalpolizei einsetzte, um diejenigen zu bestrafen, die es wagten, ihre Meinung zu äußern und zu protestieren."
Triggerpunkt LGBTI*
Dabei zeigen die dokumentierten Fälle in den Städten Cali, Palmira, Popayán, Soledad, Tunja, Manizales sowie in der Hauptstadt Bogotá auf, dass gerade die Zugehörigkeit zur LGBTI*-Community ein besonderer Triggerpunkt für die Gewalt ausübenden Polizeibeamten gewesen sein dürfte. Vor allem die Lebensweise von Homosexuellen wie aber auch von Trans-Menschen passen mit dem gelebten Machismo in Kolumbien nach wie vor nicht überein, wie die Menschenrechtsorganisation weiter bestätigt. Immer wieder käme es gerade gegenüber diesen Gruppen zu Stigmatisierung und auch Gewalt. Zu besonders schweren Fällen von Gewalt kam es dabei im Rahmen der Auflösung der Proteste sowie bei der anschließenden Festnahme von Demonstranten.
Kein Platz für Homosexualität
Dabei hält Amnesty International weiter fest: „Gemein ist in all diesen Fällen die Absicht, mit der die Gewalt ausgeübt wurde: Die Täter wollten die Protestierenden dafür bestrafen, dass sie die gesellschaftlichen Geschlechternormen in Frage stellten und in Straßenprotesten ihr Recht auf friedliche Versammlungsfreiheit ausübten.“ Zudem liegen der Organisation auch Informationen vor, demnach auch die Generalstaatsanwaltschaft Beschwerden von Überlebenden dieser Gewalt gar nicht oder nur sehr unzureichend nachgegangen ist. Mehrere Überlebende sagten zudem aus, dass sie sich aus Angst und Misstrauen bereits im Vorfeld gegen eine Anzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft entschieden hätten.
Forderung nach Aufklärung
"Als oberster Leiter der Nationalpolizei muss Präsident Gustavo Petro eine Anordnung erlassen, die alle Formen von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt verurteilt und deren Beendigung fordert. Jede Beschwerde im Rahmen des Generalstreiks von 2021 muss untersucht werden, und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Die kolumbianischen Behörden müssen auch die Ursachen dieser Gewalt angehen und mit Frauen und Mitgliedern der LGBTI*-Community zusammenarbeiten, um wirksame Maßnahmen zu entwickeln und zu verabschieden, die ein Leben frei von institutioneller Diskriminierung und geschlechtsspezifischer Gewalt garantieren. Dies ist das absolute Minimum, um den Weg für Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht zu ebnen", so Callamard weiter.
Die Lage in Kolumbien für LGBTI*-Menschen
Amnesty International hat bereits mehrfach auf massive Menschenrechtsverletzungen gegen die LGBTI*-Community in Kolumbien hingewiesen und dabei auch Fälle von Folter und Misshandlung dokumentiert. Auch die Vereinten Nationen hatten die Ausschreitungen während des Generalstreiks verurteilt – mindestens 56 Menschen sollen dabei getötet worden sein.
Die generelle Lage für Homosexuelle und queere Menschen in Kolumbien ist sehr unterschiedlich, während es in einigen Großstädten eine kleine schwul-lesbische Szene gibt, ist Homosexualität im ländlichen Raum noch stark tabuisiert. Auf Druck des Verfassungsgerichts ist es seit 2013 homosexuellen Menschen erlaubt, zu heiraten.