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Streit um Sexkaufverbot

Neuer Streit um Sexkaufverbot LGBTI*-Verbände sprechen sich gegen Kriminalisierung von Kunden aus

ms - 08.11.2023 - 14:00 Uhr
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Der Berufsverband für Sexarbeiter hat jetzt die jüngsten Pläne der CDU/CSU-Fraktion mit deutlichen Worten kritisiert: „Das Sexkaufverbot schadet jenen, denen es helfen soll!“ Im beschlossenen Positionspapier hatte sich die Union in dieser Woche für das sogenannte nordische oder schwedische Modell ausgesprochen, demnach Kunden von Sexarbeitern unter Strafe gestellt werden sollen.

Nein zum Sexkaufverbot

Der Streit um die Frage, wie sinnvoll ein solches Vorhaben in der Realität tatsächlich ist, wird seit Jahren immer wieder geführt, wobei sich die Fronten immer mehr zu verhärten scheinen. Viele Verbände wie das Deutsche Institut für Menschenrechte, die Diakonie Deutschland, die Deutsche STI Gesellschaft, die Deutsche Aidshilfe sowie Amnesty International aber auch LGBTI*-Verbände wie der Lesben- und Schwulenverband LSVD sprechen sich klar gegen ein Sexkaufverbot aus.

Begründet wird dies mit mehreren internationalen Studien sowie auch konkret den Erfahrungen in Ländern mit einem solchen Verbot, beispielsweise Schweden oder Frankreich. Jede Form der Kriminalisierung von legaler Prostitution schütze Sexarbeiter nicht, sondern erhöhe nur das Risiko, dass sie Opfer von Gewalt werden und verschlimmere die Gefahr einer Übertragung mit STI-Infektionen.

Besonders negativ betroffen: LGBTI*-Sexarbeiter

Besonders negativ betroffen von einem solchen Gesetzesvorhaben seien dabei dann gerade LGBTI*-Sexarbeiter, so der LSVD: „Queerfeindlichkeit ist gerade für Personen, die in der Sexarbeit tätig sind, ein alltägliches Problem. Gleichzeitig erfahren LSBTIQ* Sexarbeitende in vielen Teilen des Arbeitsmarktes noch immer massive Ausgrenzung. Dabei sind sie in ihrer Tätigkeit mitunter gezielt LSBTIQ*-feindlicher Gewalt ausgesetzt und erfahren oft auch innerhalb der Arbeitsstrukturen der Sexarbeit Ausgrenzung.“

Die Verbände betonen dabei überdies, dass es bereits heute Gesetze gibt, die sich gegen sexuelle Ausbeutung sowie erzwungene Prostitution richten. „Wir als Berufsverband für Sexarbeitende halten das Sexkaufverbot für nicht zielführend – die Kriminalisierung der Kundschaft geht an der Lebensrealität und den Bedürfnissen der betroffenen Menschen vorbei (…) In der Sexarbeit spiegelt sich analog zu anderen Bereichen der Gesellschaft soziales Ungleichgewicht wider – zwischen Geschlechtern, zwischen Einkommensklassen, zwischen jenen mit einer Aufenthaltsgenehmigung und jenen ohne, zwischen Migrant*innen und Deutschen. Hier die Kundschaft zu kriminalisieren bedeutet, die Arbeitsbedingungen von vielen bereits marginalisierten Menschen noch mehr zu verschlechtern“, so Kolja Nolte und Johanna Weber vom Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen. Dabei bekräftigt der Verein auch, dass eine Förderung von Umstiegs-Programmen für Sexarbeiter wichtig ist, doch dazu bedürfe es keines Sexkaufverbots.  

Forderungen der Union

Die Union indes fordert einen „Paradigmenwechsel“ in der Prostitutionsgesetzgebung und führt Fälle von Zwangsprostitution und Menschenhandel ins Feld. Im Positionspapier halten CDU/CSU dabei fest: „Die Situation der Betroffenen, insbesondere junger Frauen, die oftmals eklatanten Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind, fordert uns zum Handeln auf.“ Nebst einem Sexkaufverbot für Kunden will die Union so auch auf verstärkte Präventions- und Bildungsangebote sowie auf eine Stärkung von Polizei und Strafverfolgungsbehörden setzen.  

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