Massenüberwachung mittels KI? Besondere Gefahr für LGBTIQ+-Menschen in Deutschland
Mehrere Bürgerrechtsorganisationen warnen jetzt eindringlich vor einer KI-gestützten Massenüberwachung in Deutschland. Demnach plane die Bundesregierung mittels Künstlicher Intelligenz eine biometrische Überwachung der Gesamtbevölkerung auch mit Hilfe von privaten Fotos aus dem Internet. Für marginalisierte Gruppen wie der LGBTIQ+-Community könnten sich dabei besonders viele Probleme ergeben, Stichwort Zwangs-Outing beispielsweise.
Massenüberwachung in Deutschland?
Nach Einschätzung der Verbände hat sich die Bundesregierung dabei zum Ziel gesetzt, die biometrische Überwachung und die KI-gestützte Gesichtserkennung zur Strafverfolgung weiter voranzutreiben. In der aktuell vorliegenden Gesetzesform würde das Vorhaben aber gegen geltendes EU-Recht verstoßen und einer „Massenüberwachung der Bevölkerung Tür und Tor öffnen.“ Im August dieses Jahres waren erste Pläne des Gesetzentwurfes des Bundesinnenministeriums (BMI) bekannt geworden. Mehrere IT- und Bürgerrechtsexperten bewerten diese jetzt in einem neuen Gutachten als verheerend und fordern eine Ablehnung des Gesetzesvorhaben. Neben Fachleuten von Amnesty International haben sich auch Vertreter von AlgorithmWatch, dem Chaos Computer Club und der Gesellschaft für Freiheitsrechte zu Wort gemeldet – ebenso wie der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte der Bundesregierung Ulrich Kelber.
Fotos aus dem Internet
Der zentrale Kritikpunkt ist dabei das ungezielte Auslesen von Gesichtsbildern aus dem Internet beziehungsweise von Überwachungsaufnahmen mittels KI. Ein solches Vorgehen verbietet ausnahmslos die europäische KI-Verordnung (AI Act). In einem technischen Gutachten bestätigte dabei nun auch Professor Dirk Lewandowski von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, dass die Pläne des Bundesinnenministeriums „europarechtswidrig und zum Scheitern verurteilt“ sind. Matthias Spielkamp, Geschäftsführer von AlgorithmWatch, dazu: „Wir sind froh, dass wir mit dem Gutachten nun zeigen können, was wir und viele andere schon lange kritisieren: Die angestrebten biometrischen Erkennungsverfahren würden zwangsläufig gegen EU-Recht verstoßen, weil sie ohne den Einsatz von Datenbanken nicht umsetzbar sind. Diese Bundesregierung kann diese Tatsache nicht länger bestreiten und sollte ihre Gesichtserkennungspläne endgültig begraben.“
Schritte in den Überwachungsstaat
Mit warnenden Worten richtet sich auch Simone Ruf, stellvertretende Leiterin des Center for User Rights, an die Gesellschaft: „Internet-Scans nach Gesichtern (…) bringen uns nicht mehr Sicherheit – sie sind ein Angriff auf unsere Grundrechte und ein Schritt in den Überwachungsstaat. Das dürfen wir nicht akzeptieren.“ Klare Worte kommen auch von Matthias Marx vom Chaos Computer Clubs: „Egal, wer sie betreibt: Biometrische Massenüberwachung ist rechtswidrig.“
Kritisch blickt auch der ehemalige Datenschutz-Beauftragte der Bundesregierung, Ulrich Kelber, auf die Pläne des Ministeriums: „Immer wieder musste das Bundesverfassungsgericht aufgrund von Klagen aus der Zivilgesellschaft überschießende Überwachungs- und Fahndungsgesetzgebung stoppen. Das Bundesinnenministerium hat daraus nicht gelernt und will erneut gesetzliche Regelungen, die erkennbar gegen Vorgaben der Verfassung, des Datenschutzes und der KI-Regulierung verstoßen.“ Wann Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) den Gesetzentwurf ins Kabinett einbringen wird, ist derzeit unklar. Möglicherweise kommt es auch erneut zu Überarbeitungen des Gesetzestextes.
Ähnlich viel Gegenwind erlebte zuletzt ein Gesetz auf EU-Ebene – die Chatkontrolle sah vor, dass in der EU alle Chatnachrichten, Bilder und Videos bei Anbietern wie WhatsApp oder Signal künftig mitgelesen werden dürfen, das Ende der digitalen Privatsphäre, so die Kritiker. Vorerst wurde das Vorhaben letzte Woche gestoppt.