Liebe bleibt halal Wird die schwulenfreundliche liberale Moschee in Berlin im Stich gelassen?
Unter dem Motto „Liebe bleibt halal!“ fordert eine Petition jetzt, dass die Berliner Ibn Rushd-Goethe Moschee erhalten bleibt – nachdem im Oktober dieses Jahres bekannt geworden war, dass Islamisten einen Terroranschlag auf die schwulenfreundliche liberale Moschee verüben wollten und sich zudem die Angriffe auch auf die Mitarbeiter immer weiter radikalisierten, schloss die Einrichtung ihre Pforten – möglicherweise für immer.
Die Moschee – ein Attentatsziel des IS
Die Kampagne, die jetzt in Zusammenarbeit mit der Moschee und der LGBTI*-Organisation All-Out, ins Leben gerufen wurde, macht dabei in ihrem Statement klar: „Von Beginn an war die Moschee Hass, Drohungen und physischen Angriffen ausgesetzt. Die Gründerin, Rechtsanwältin, Autorin und Imamin Seyran Ateş steht ohnehin seit 2006 unter ständigen Personenschutz durch das LKA-Berlin. Aber die Gefahrenlage hat nun eine neue Dimension erreicht. Im Oktober erfuhr die Moschee, dass es konkrete Anschlagspläne seitens der Terrororganisation ´Islamischer Staat´ (IS) gegen sie gab und muss seitdem geschlossen bleiben. Hier werden sie als ´Ort der Teufelsanbetung´ verleumdet und neben jüdischen Einrichtungen als Ziel für ein Attentat markiert.“
Hilfestelle für LGBTI*-Muslime
Über 2.000 Menschen haben bereits in den ersten Stunden die Petition unterzeichnet. Gegründet im Jahr 2017 bot die Moscheegemeinde seitdem einen Platz für muslimische Zusammenkünfte, Gebet, aber auch interreligiöse, gleichgeschlechtliche und diverse Eheschließungen sowie religiöse Scheidungen auch für misshandelte Frauen an. Sie erfüllte seelsorgerische Aufgaben, insbesondere zur Unterstützung von LGBTI*-Muslimen bei der Vereinbarung ihres muslimischen Glaubens mit ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität.
Die Gefahrenlage habe dabei in den letzten Wochen so stark zugenommen, dass die Moschee für den offenen Betrieb geschlossen ist und bisher bleibt, eine endgültige Schließung droht für Ende 2024. Bisher finden nur noch vereinzelt Online-Veranstaltungen statt.
Scharfe Kritik an der Politik
Dabei übt die Einrichtung und ihr Team auch scharfe Kritik an der Politik: „Die Ibn Rushd-Goethe Moschee fühlt sich vor allem von der Politik im Stich gelassen, die es versäumt hat, sie in den letzten sechs Jahren in die Islampolitik einzubeziehen, um auch progressiven Muslim*innen eine Stimme zu verleihen. Stattdessen wurden weiterhin Vereinbarungen mit konservativen Islamverbänden geschlossen, obwohl bereits lange bekannt war, welche problematischen Islamverständnisse in den Verbänden und ihren Moscheen verbreitet werden. Die Ibn Rushd-Goethe Moschee durfte auf der Deutschen Islamkonferenz nicht als Stimme der LGBTI*-Community sprechen. Dies wurde mit dem Argument, es würde sich um innermuslimische Konflikte handeln, verweigert.“
Dramatische Lage an Schulen
Besonders dramatisch sei dabei zudem, dass sich die Situation bereits auch an den Schulen immer weiter zuspitzt: „Im Zuge ihrer Bildungsarbeit an deutschen Schulen beobachtet das Team der Moschee, wie immer mehr muslimische Kinder und Jugendliche ihre Abneigung gegenüber Demokratie und Menschenrechten offen zeigen. Die massive Welle des Hasses in Form von Beleidigungen und Morddrohungen, vor allem über die sozialen Medien, machte erneut deutlich, wie wichtig die Arbeit der Ibn Rushd-Goethe Moschee für die Menschen ist, die in muslimischen Kontexten Unterdrückung und Diskriminierung erfahren. Nun möchte die Moschee zeigen: Euer Hass kann uns nicht kleinkriegen, denn LIEBE BLEIBT HALAL!“
Klare Forderungen an die Politik
Der Appell der Einrichtung richtet sich dabei direkt an die Bundesregierung sowie an die Sicherheitsbehörden und den Berliner Senat. Im offenen Brief werden so unter anderem neue, sichere Räumlichkeiten, eine nachhaltige Hilfe in Form einer Finanzierung der Moschee sowie die Einbeziehung von mehr liberalen muslimischen Sprechern und Institutionen in relevante Debatten gefordert.
Zudem bedürfe es einer „radikalen Bildungsreform“ sowie eines Ausbaus von politischer Bildung: „Gerade an sogenannten Brennpunktschulen muss es eine Konzentration auf die Kompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen und Demokratie geben.“ Ein weiterer Wunsch der Ibn Rushd-Goethe Moschee ist die erneute Einsetzung des „Expertenkreises Politischer Islamismus“ sowie möglicherweise auch weiterer Expertengremien zur stärkeren Demokratiebildung.