Krisenmodus Weihnachten Öffentliche Gesundheitskrise an den Feiertagen?
Queere Verbände in den USA warnen aktuell vor einer besonderen Gefahr zur Weihnachtszeit – rund um das Fest der Feste könnte die Ablehnung von LGBTI*-Jugendlichen in diesem Jahr durch die monatelang aufgeheizte Stimmungsmache und den Kulturkritik im Land besonders stark hervortreten. Die Rede ist von einer „öffentlichen Gesundheitskrise“ im ganzen Land.
Ablehnung in der eigenen Familie
Gestützt werden die jüngsten Befürchtungen auf Umfragen der National Alliance on Mental Illness aus diesem Jahr, die aufzeigten, dass sich inzwischen weniger als 40 Prozent der LGBTI*-Jugendlichen zuhause noch akzeptiert fühlen. Dabei zeigt die zugrundliegende Studie auch: Die Ablehnung durch die eigene Familie fordert einen hohen Tribut für die psychische Gesundheit; LGBTI*-Personen, die ein hohes Maß an Ablehnung durch ihre Familien erfahren, haben ein achtmal höheres Risiko, einen Selbstmordversuch zu unternehmen.
„Die allgegenwärtige familiäre Ablehnung von queeren Menschen ist eine Krise der öffentlichen Gesundheit, deren Schweregrad oft heruntergespielt wird. Die fehlende Unterstützung durch die Familie trägt zu Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Selbstmordgedanken, Drogenmissbrauch und verschiedenen anderen Risiken bei“, so Caitlin Ryan, Leiterin des Family Acceptance Project, einer Bildungsinitiative, die die Akzeptanz von LGBTI*-Familien und die psychische Gesundheit fördern soll.
Bekehrungen rund um den Weihnachtsbaum
Uncloseted Media sammelte dazu in Interviews die Meinungen und Erfahrungen von Homosexuellen und queeren Menschen ein – die Berichte reichen von drohenden Enterbungen bis hin zu religiös fanatischen Bekehrungsversuchen zur Weihnachtszeit. Immer wieder wird von Seiten vieler Eltern oder Verwandten auch versucht, den Kindern einzureden, dass sie doch gar nicht schwul, lesbisch oder queer seien.
„Ablehnende Verhaltensweisen zielen alle darauf ab, die LGBTI*-Identität einer Person zu ändern, zu verhindern, zu leugnen oder zu minimieren. Dazu gehören Verhaltensweisen wie die Schuldzuweisung an das Kind, wenn andere es wegen seiner LGBTI*-Identität misshandeln, das Verschweigen seiner Identität, der Druck, mehr oder weniger männlich oder weiblich zu sein, die Nichtverwendung des richtigen Namens, das Verwechseln von Geschlechtern und so weiter“, so Ryan weiter.
Einsamkeit im Kreis der Familie
Zwar kennen viele LGBTI*-Menschen Formen der Ablehnung auch aus ihrem Alltag, doch während der Feiertage würden sich die Gefühle der Einsamkeit für diejenigen, die von ihren Familien entfremdet sind, noch einmal massiv verstärken. Rund 66 Prozent der befragten LGBTI*-Menschen gaben an, sich während der Feiertage einsam zu fühlen. Etwa 64 Prozent der Homosexuellen und queeren Personen mit psychischen Erkrankungen erklärten überdies, dass die Weihnachtszeit ihren Zustand verschlimmere.
„Wenn wir uns in einem Umfeld befinden, in dem wir uns nicht wie wir selbst fühlen, führt dies zu einem Gefühl der Vermeidung. Wenn es aber um die Familie geht, ist unser Impuls, trotzdem auf die Familie zuzugehen, selbst dann, wenn man Signale erhält, die aufzeigen, dass man nicht dazugehört. Das sorgt für einen großen inneren Konflikt. Dabei zeigen alle Untersuchungen, dass Authentizität ein wesentlicher Faktor bei der psychischen Gesundheit ist“, so Rebecca Schlegal, Professorin für Psychologie an der Universität Texas.
Expertin Ryan hofft darauf, dass es langfristig immer öfter gelingt, den Familien in kleinen Schritten klarzumachen, was sie ihren eigenen Kindern tatsächlich antun: „Die meisten dieser Familien wollen, dass ihre Kinder glücklich und gesund sind. Wenn sie dann die Daten darüber sehen, wie viel Schmerz ihnen die Ablehnung bereitet, ändern sie sich. Sie wollen, dass ihre Familien zusammenbleiben. Sie müssen lediglich ihr Verhalten in einer Weise ändern, die Liebe zeigt.“