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Die irren Ansichten der russisch-orthodoxen Kirche // © IMAGO / ITAR-TASS

Kommentar - Krieg wegen Pride Um was es am Ende wirklich geht? Um Macht und Geld.

ms - 09.03.2022 - 13:13 Uhr
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Kommentar

In meiner Kindheit sagte man gerne in der Schule: Wenn einer spinnt, gibt er ein Zeichen. Sollte dieser Spruch tatsächlich stimmen, dann wäre es dringend geboten, schnellstmöglich Zwangsjacken nach Russland zu schicken – ja sicherlich auch für den Kriegstreiber im Kreml, aber in erster Linie für den Moskauer Patriarch Kyrill I., der in seiner letzten Predigt in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau erklärte, warum LGBTI*-Menschen im Grunde die Ursache für den Ukraine-Krieg seien. Zur Klarstellung: Der werte Herr mit Rauschebart ist nicht irgendwer, sondern das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche.

 

Also, hinsetzen, tief einatmen und weiterlesen. Bereit? Die Invasion Russlands solle Gläubige in der Ukraine nur vor den Pride-Paraden schützen. Diese perfiden Pride-Paraden der LGBTI*-Community würden legitimieren, dass die Sünde selbst eine annehmbare Variante des menschlichen Verhaltens sei. Jedes Land und jede Region, die damit nicht konform gehen, würden damit sozusagen zu Ausgestoßenen. Die moderne westliche Welt verlange also einen „Loyalitäts-Test“, anderenfalls drohen die Verbannung und der Völkermord als Strafe. Mit dem Kampf um Akzeptanz und Gleichberechtigung haben diese Pride-Paraden, an der beispielsweise in Kiew zuletzt rund 7.000 Menschen teilnahmen, nichts zu tun. Man wolle gegen die Gesetze Gottes verstoßen und mithilfe von „aufdringlicher Zurschaustellung von Unzucht“ die Werte echter Gläubiger herabsetzen.

Der 75-jährige russisch-orthodoxe Bischof sieht den aktuellen Krieg zwischen Russland und der Ukraine als die finale Entscheidung an, auf welcher Seite Gottes die Menschheit künftig stehen wird:  "Wenn die Menschheit akzeptiert, dass die Sünde keine Verletzung des göttlichen Gesetzes ist, dann wird die menschliche Zivilisation dort enden."

 

Fürwahr, hört man dem Rauschebart-Russen länger als fünf Minuten zu, ist man davon überzeugt, dass die menschliche Zivilisation und vor allem der menschliche Verstand bereits längt untergegangen sind. In Russland allerdings. Der liebe Kyrill war schon in der Vergangenheit mit ähnlich amüsanten Äußerungen aufgefallen und hatte so beispielsweise die gleichgeschlechtliche Ehe als Weltuntergang bezeichnet und mit den Gesetzen der Nationalsozialisten verglichen. Aber was will man eigentlich erwarten von einem Mann, der Putin für „ein Wunder Gottes“ hält? Eines hat der russische Bischof dabei gar nicht verraten – nämlich, dass es ihm im tiefsten Inneren um die Grundwerte der Kirche geht. Die russische Kirche wünscht sich seit langem, dass eine Vereinigung mit dem ukrainischen Zweig der orthodoxen Kirche vollzogen werden kann. Rund 700 Kirchengemeinden hatten sich zuvor von Russland abgespalten und waren zur ukrainisch-orthodoxen Kirche übergetreten, inklusive eines eigenen Oberhaupts.

Auf diese 700 Kirchengemeinden schielt unser lieber Kyrill also – mehr Mitglieder bedeuten mehr Geld und mehr Macht. Und damit kämpft er genau um jene zwei Dinge, die die Grundwerte der Kirche sind. Ganz in alter Tradition nimmt man dafür auch tausende Tote auf beiden Seiten gerne in Kauf.

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