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Homosexualität und Islam
Rubrik

Homosexualität und Islam Warum ist das Reden über LGBTI* und Islam immer noch ein Tabu?

ms - 14.10.2022 - 10:30 Uhr

An der Frankfurter Goethe-Universität wurde in diesen Tagen im Kreise von Experten zum Thema Homosexualität und Islam diskutiert. Obwohl mehrere Studien wie beispielsweise von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in den letzten Jahren immer wieder dargelegt haben, dass gläubige Muslime in Deutschland oftmals eine signifikant negativere Einstellung zu Homosexuellen haben, ist das Thema politisch oftmals bis heute ein Tabu – gerade manch politischer Vertreter der LGBTI*-Community schweigt, sobald nach Angriffen publik wird, dass es sich bei dem Täter um einen gläubigen Muslim handelt; zuletzt war diese Abwehrhaltung auch bei dem tragischen Todschlag des Trans-Mannes Malte zu beobachten, der beim CSD in Münster mutmaßlich von einem jungen Muslimen totgeschlagen worden war. Die BILD-Zeitung fragte daher in einem Online-Artikel heute auch: „Sind die Grünen auf dem Islamisten-Auge blind?“ und attestiert dem Queer-Beauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann, dass seine Antworten sehr entlarvend seien, wenn die Bedrohung für die LGBTI*-Community nicht von Rechtsextremen, sondern radikalen Muslimen ausginge.

Bei der Tagung “Queer im Islam“ in Frankfurt gab es bereits im Vorfeld viel Aufregung, die Veranstaltung selbst konnte nur unter Polizeischutz stattfinden, wie Susanne Schröter, Direktorin des Forschungszentrums Globaler Islam, gegenüber dem Deutschlandfunk erklärte: „Wir haben jetzt auch im Vorfeld in den sozialen Medien schon wieder den üblichen Shitstorm aus der islamistischen Ecke erhalten. Da befürchtet man gleich schon wieder, dass die Religion Schaden nehmen könnte durch diese Konferenz. Das Thema ‚Queer im Islam‘ ist eigentlich ziemlich tabuisiert, also von der orthodoxen Seite ohnehin. Alles, was in den Bereich des Fundamentalismus geht, natürlich noch viel mehr. Dass wir jetzt so eine Konferenz haben, das ist das erste Mal jetzt auch in Deutschland.“ Ziel der Veranstaltung sei es laut Schröter gewesen, einen Raum für die Forschung zu dem Thema zu schaffen. Dabei interessiert die Expertin konkret auch, was die religiösen Texte tatsächlich zum Thema Homosexualität sagen, die in vielen Ländern mit mehrheitlich islamischem Glauben verboten ist oder wie beispielsweise im Iran sogar mit der Todesstrafe geahndet wird.

Eine moderne Auslegung und Interpretation dieser Schriften, den Überlieferungen zu Mohammed, sowie des Korans selbst finde dabei mehr oder minder ausschließlich an Hochschulen in den USA und in Europa statt, angetrieben zumeist von Menschen, die aufgrund von Repressionen oder Todesdrohungen aus ihrer muslimisch geprägten Heimat fliehen mussten. Der Theologe Ali Gandour erklärte zudem gegenüber dem Deutschlandfunk: „Diese alten Texte können uns gar nicht helfen, moderne Fragen zu beantworten. Weil all diese Fragen bezüglich der Homosexualität, Transsexualität, das sind alle moderne Fragen der modernen Sexualwissenschaft. Und das kann man nicht mit alten Texten adäquat beantworten.“ Solche kritischen Auseinandersetzungen stießen dabei oft auf Widerstand, auch von Seiten einiger Studenten. Die Veranstaltung in dieser Woche in Frankfurt verlief glücklicherweise ohne Zwischenfälle.

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