Homofeindliche Tendenzen unter Muslimen „Es gibt aber bei manchen Muslimen eine Einstellung, die zum Nährboden für homofeindliche Diskriminierung und Gewalt werden kann“
In Teilen der linkspolitisch geprägten, queeren Community gibt es mit Blick auf Gewalttaten gegenüber LGBTI*-Menschen mit muslimischem Hintergrund manchmal noch blinde Flecke. Während Übergriffe von rechter Seite deutlich hervorgehoben werden, wird über Angriffe mit religiös-muslimisch geprägtem Hintergrund oftmals hinweggesehen oder geschwiegen, dabei sollte klar sein: Gewalt gegenüber LGBTI*-Menschen ist niemals zu akzeptieren, egal ob von rechts oder links, ob christlich, konservativ radikal oder muslimisch motiviert.
Konstantin Kuhle, der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, fordert nun exklusiv in der WELT Muslime in Deutschland zur Aufarbeitung von Homosexuellen-Feindlichkeit auf. Kuhle betont dabei, dass Homosexuellen-Feindlichkeit „natürlich kein spezifisch muslimisches Phänomen“ sei. „Es gibt aber bei manchen Muslimen eine Einstellung, die zum Nährboden für homofeindliche Diskriminierung und Gewalt werden kann“, so Kuhle weiter.
Junge Männer, die mit überhöhten Erwartungen an eine dominant-heterosexuelle Männlichkeit konfrontiert seien, kompensierten ihre Überforderung mit einer demonstrativen Ablehnung anderer Identitäten. „Am meisten leiden darunter homosexuelle Muslime, die dem Spannungsfeld zwischen sexueller und religiöser Identität ausgesetzt sind und allzu oft keine Unterstützung finden.“
Das grundsätzliche Problem, dass Homosexualität gerade in stark religiös geprägten Strukturen in Deutschland besonders vehement abgelehnt wird, ist seit längerem bekannt. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes belegte in mehreren Studien, dass der Religion eine besonders große und negative Rolle in Anbetracht des Hasses gegenüber Homosexuellen zukommt. Demnach sind rund 30 Prozent aller religiösen Menschen in Deutschland homophob.
Je stärker dabei der eigene Glauben ausgeprägt ist, desto fundamentaler und hasserfüllter wird auch Homosexualität abgelehnt. Im extremen Maße zeigt sich das noch einmal bei Männern mit Migrationshintergrund – hier sind die Zahlen nach Angabe der Bundesstelle aufgrund der religiösen Prägung „signifikant höher“.
Das Kernproblem, das nun auch Kuhle anspricht, sind nicht nur die Angriffe selbst, sondern das Fehlen einer offenen Gesprächskultur, oftmals aus Angst, Wasser auf den Mühlen rechter Parteien zu sein. Dabei zeigt sich gerade auch am Beispiel der AfD, dass das Verschweigen eines solchen Problems in viel größerem Umfang rechten Parteien und Ideologien in die Hände spielt.
Kuhne betont zudem, dass solche Probleme kein Alleinstellungsmerkmal muslimischer Milieus seien: „Doch ohne einen offenen Dialog mit den betroffenen Gruppen und vor allem ohne Debatten innerhalb dieser Gruppen lässt sich das Problem nicht lösen. Wenn sich eine starke säkulare muslimische Mitte in Deutschland herausbilden soll, die sich von Radikalität und politischer Instrumentalisierung abgrenzt, gehört dazu auch die Aufarbeitung homofeindlicher Tendenzen.“